Ilse Hruby
Meine Ehe mit einem Scientologen
»Vier Jahre dauerte unsere
Ehe. Ich
habe all meine Kraft aufgebracht, ihn aus den Fängen der
Scientology
herauszubekommen.
Er hingegen hatte sich den verbindlichen
Lehren
der Scientology zufolge von mir als seinem »Feind« zu
trennen.
Den schriftlichen
»Trennungsbefehl«
hat er schliesslich befolgt.«
Was ist Scientology? Eine Religion? Eine Wissenschaft? Eine
Therapieform?
Ein Wirtschaftsimperium?
Dieses Buch klärt auf!
(c) by Ilse Hruby, El
Awadalla and Maria Susanne Klar
"My Marriage with a
Scientologist"
translated by Joe Cisar
.....als persönliches Vorwort:
Meine Erlebnisse im Zusammenhang mit der Entstehung dieses Buches
Um sich eine ungefähre Vorstellung von einer Scheidung im
unmittelbaren
Umfeld von Scientology machen zu können, werde ich hier einleitend
versuchen dies darzustellen. Vor und auch nach der Erscheinung dieses
Buches
ereigneten sich in meinem persönlichen Umfeld einige
"Zufälle"
wo es einem eigentlich schwer fällt nur an Zufall oder an Pech zu
glauben.
Nach eingehenden Beratungen mit meiner Anwältin,
Mitarbeitern
aus
Sektenberatungsstellen und Sicherheitsbeamten, die mit der Problematik
um Scientology vertraut waren und um mich persönlich vor den
womöglich
zu erwartenden Repressalien meines noch-Ehemannes und Scientology zu
schützen,
zog ich bereits in der Trennungs- und Scheidungszeit im Winter 1998
vorerst
in die Wohnung meiner Mutter und dann in weiterer Folge in ein Haus in
der Nähe von Wien, welches eine andere Person auf deren Namen
für
mich gemietet hatte. An der Klingel und am Briefkasten wurde daher auch
mein Name nicht angebracht. Mein Telefon wurde unter einer Geheimnummer
angemeldet. Da ich wiederholt ausdrücklich darauf aufmerksam
gemacht
wurde, möglicherweise beobachtet, verfolgt und überwacht zu
werden,
wechselte ich in diesem Zusammenhang auch meinen Arbeitsplatz und mein
Auto. Dass dies alles wahrscheinlich nicht geholfen hatte, wurde mir
erst
einige Zeit danach bewusst, besonders aber nachdem sich folgende
"Zufälle"
ereigneten:
- Im März 1999 fand ich am Abend, als ich vom Dienst im
Krankenhaus
nach Hause kam, meinen 6 Jahre alten Kater Jacob tot im Garten. Er war
immer ein kerngesundes Tier und der Tierarzt meinte, nachdem er den
toten
Kater untersucht hatte, er sei wahrscheinlich vergiftet worden.
- Im April 1999, drei Tage nach meiner Scheidung von dem
Scientologen,
nachdem
ich mich mit einer Journalistin und einer Scientology Aussteigerin
getroffen
hatte und ich in die Tiefgarage zu meinem Auto zurückkam, waren
zwei
Autoreifen an meinem Wagen von "Irgendjemand" aufgeschnitten worden.
Der
Rückschluss auf allgemeinen Vandalismus in dieser Tiefgarage war
nicht
gegeben, zumal nur die Reifen an meinem Auto aufgeschnitten waren. Alle
anderen Autos in dieser Tiefgarage zu diesem Zeitpunkt hatten keine
aufgeschnittenen
Reifen, was die Vermutung eines gezielten Anschlages auf mein Auto
zulässt.
(Ich hatte bis zum Eintreffen des Pannendienstes fast eine Stunde Zeit
um die gesamte Tiefgarage abzulaufen!)
- Im Mai 1999 hatte "Irgendjemand" in der Personalstelle des
Krankenhauses,
in dem ich damals arbeitete, angerufen und behauptet ich sei
Scientologin.
Ich musste anschliessend eine schriftliche eidesstattliche
Erklärung in fünffacher Ausfertigung abgeben, das ich
keine
Scientologin bin.
- Im Juli 1999 bekam mein Schwager in seiner Praxis einen
Anruf von
meinem
Ex-Ehemann. Angeblich hätte ich einige Sachen beim Umzug vergessen
mitzunehmen und er wolle sie mir nachschicken und ob mein Schwager ihm
meine neue Adresse geben könne. Mein Schwager meinte, mein
Ex-Ehemann
solle ihm die "vergessenen Sachen" schicken, er würde sie dann mir
geben. Mein Ex-Ehemann sagte ja das würde er machen, doch die
"vergessenen
Sachen" wurden nie geschickt. Auch jetzt, Jahre danach, fällt
mir
nicht ein was für "vergessene Sachen" das wohl sein könnten?
;-)
- Dafür aber bekam ich im August 1999 einen "anonymen"
Brief
aus
ausgeschnittenen
Zeitungsbuchstaben an die Wohnadresse meiner Mutter. Der
Rechtschreibfehler
in der Schreibweise der Adresse war so offensichtlich, dass er den
Rückschluss
auf eine bestimmte Person als Verfasser und Absender zuliess.
- Im Herbst 2000 wurde die Fensterscheibe meines
Schlafzimmers von
"Irgendjemand"
mit Steinen eingeworfen. Steine und Glassplitter lagen in meinem Bett
und
auf dem Boden des Schlafzimmers, welches auf der Gartenseite, also auf
der Innenseite des Grundstücks lag.
- Am 11. Oktober 2000, kurz nach Erscheinen des Buches "Meine
Ehe
mit
einem
Scientologen" (September 2000) wurde ein Brief an die Personaldirektion
des Krankenhauses, in dem ich arbeitete, vom Anwalt meines Ex-Mannes
geschickt.
Im Inhalt des Schreibens kam die "Sorge" zum Ausdruck, dass ich meine
Internetpostings
mit angeblich unrichtigen Angaben über meine Erlebnisse im
Zusammenhang
mit der Ehe eines Scientologen eventuell von der Computeranlage meines
Arbeitsplatzes aus machen könnte:
-------------------
Briefkopf
Dr. Martin LXXXX,
Rechtsanwalt
(Adresse/Telefonnummer/Fax)
Wien, am 11. Oktober 2000
Allgemeines Krankenhaus XXXXXXX
z.H. der Geschäftsleitung
(Adresse)
Sehr geehrte Damen und Herren!
Betrifft: Meine Mandantschaft Herrn
Pascal*
HXXXX
- Ihre Mitarbeiterin Frau Ilse Hruby
Ich bin mit der rechtsfreundlichen Vertretung von Herrn
Pascal*
HXXXX, (Adresse), betraut.
Meine Mandantschaft ist der geschiedene Ehemann von Frau
Ilse
Hruby,
welche bei Ihnen in der Unfallabteilung als OP-Schwester
beschäftigt
ist. Frau Ilse Hruby verbringt sehr viel Zeit damit, über Internet
unrichtige Angaben über die gemeinsame Vergangenheit und über
- mein Mandant ist Scientologe - Scientology zu verbreiten. Dies nimmt
ein derartiges Ausmass an, dass sich mein Mandant fragen muss, zu
welchen
Zeiten und mit welchen Mitteln Frau Ilse Hruby dies bewerkstelligen
kann.
Aufgrund der Dienstzeiten von Frau Ilse Hruby und den
Datums- und
Uhrzeitangaben
der Eingaben ins Internet von Frau Hruby erhebt sich bei meinem
Mandanten
der Verdacht, dass dies in der Dienstzeit unter Verwendung Ihrer
Computeranlage
und Ihres Internetzuganges geschieht.
Im Falle der Bestätigung dieses Verdachtes bittet Sie
mein
Mandant
höflich diesen Missstand abzustellen.
Mit vorzüglicher Hochachtung
/Unterschrift/
------------------------
Anmerkung: Das Krankenhaus XXXXXXX war ein altes
Krankenhaus
am Land und hatte im Jahr 2000 keine Computeranlage mit
Internetanbindung.
Die Frage woher mein Ex-Ehemann von meinem neuen Arbeitsplatz wissen
konnte
bleibt ein Rätsel.
Zusammenfassend: Das Buch "Meine Ehe mit einem
Scientologen"
wurde weder von meinem Ex-Ehemann noch von Scientology geklagt und es
mussten
auch keine Text-Passagen geschwärzt werden.
Als Abschluss möchte ich sagen, das die mir zuteil
gewordene
Unbill,
im Vergleich zu dem was andere Scientology Kritiker ertragen und
erleben
konnten, wenig war (Beispiel).
Natürlich kann ich bis auf den Anwaltsbrief nicht gerichtsfest
beweisen
wer hinter diesen merkwürdigen "Zufällen" steckt, aber
dennoch
war die Häufung dieser "Zufälle" über diesen knappen
Zeitraum
sehr auffällig.
Ilse Hruby
Meine Ehe mit einem Scientologen
Mit einer Einführung
von
El Awadalla
und
Maria Susanne Klar
Gütersloher Verlagshaus
Originalausgabe - Gütersloh: Gütersloher Verl.-Haus,
2000
(Gütersloher Taschenbücher; 1145)
ISBN 3-579-01145-6
Printed in Germany
(c) Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2000, ab Mai
2004
(c)
by Ilse Hruby, El
Awadalla and Maria Susanne Klar
Das Werk einschliesslich aller seiner Teile und auch der im
Mai 2002
genehmigten englischsprachigen Übersetzung "My
Marriage with a Scientologist" durch Joe
Cisar ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung
ausserhalb
der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetztes ist ohne Zustimmung des
Verlages
und der Autoren ist unzulässig und strafbar. Dies gilt
insbesondere
für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen
und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Vorbemerkung
Scientology, ein schillernder Begriff und zugleich eine interessante
Begegnung,
die uns immer häufiger begegnet. Die meisten Menschen wissen
relativ
wenig von dem Ausmass, das die Zugehörigkeit zu Scientology auf
das
persönliche Leben eines Menschen und im Besonderen auf eine
partnerschaftliche
Beziehung nimmt.
El Awadalla, eine Journalistin, die sich intensiv mit
dem
Thema
auseinandergesetzt hat und Maria Susanne Klar, eine engagierte
Aussteigerin,
vermitteln in einer Einführung in das Buch wichtige Hintergrund-
und
Sachinformationen. Ilse Hruby, eine Krankenschwester, schildert
auf eindrückliche Weise im zweiten Teil ihre eheliche Beziehung
mit
einem Scientologen.
Die drei Autorinnen leben und arbeiten in Österreich. Sie
vermitteln
ihre Eindrücke und Erfahrungen aus ihrer persönlichen
Lebenssitutation
und der daraus entstandenen Haltung. Die Texte erhalten dadurch ein
hohes
Mass an Authentizität und leben gleichzeitig durch bestimmte
sprachliche
Eigenheiten.
Die im Text mit einem Sternchen (*) gekennzeichneten Namen
sind
bewusst
geändert, die durch Verweispfeile kenntlich gemachten Begriffe
finden
in dem Glossar am Ende des Buches eine Erläuterung.
Der Verlag
Inhaltsverzeichnis
What is Scientology? 7
Religion mit Copyright 8
Eine Wissenschaft? 13
Probleme des Auditing 15
Ein Wirtschaftsimperium? 17
Die Organisation 22
Wer ist Mitglied? 25
Zum Welt- und Menschenbild 27
Ethik und Werte in der Scientology-Leistungsgesellschaft 30
In der Arbeitswelt 33
De re publica 35
Anmerkungen 40
Warum ich dieses Buch geschrieben habe 43
Das Kennenlernen ist arrangiert 45
Wir heiraten scientologisch 49
Zusammen leben und zusammen arbeiten 52
Scientologische Erziehung am Wochenende 60
Der scientologisch geführte Betrieb 68
Scientology ruft zu Besprechungen 74
Urlaub in Amerika 78
Die Pflichten einer Ehefrau 81
Zurück ins Berufsleben 86
Die Freunde meines Mannes 88
Ich lerne die »Wissenschaft über Scientology« 96
Die Finanzkrise 104
Der Anfang vom Ende 109
Der Schlussstrich 114
Anmerkungen 118
Glossar 121
Adressen 127
Einführung
What is Scientology? [1]
»Scientology ist die Wissenschaft des Wissens, wie man
weiss.
Sie hat uns gelehrt, dass ein Mensch seine eigene unsterbliche Seele
ist.
Wir haben kaum eine andere Wahl, als einer Welt zu verkünden, dass
die Kernphysik und die Religion sich verbündet haben, ganz gleich,
wie sie es aufnimmt, und dass wir in Scientology jene Wunder
vollbringen,
auf die der Mensch während seiner ganzen Suche gehofft. hat. Der
einzelne
mag Gott hassen oder Priester verachten. Er kann jedoch nicht den
Beweis
ignorieren, dass er seine eigene Seele ist. Somit haben wir unser
Rätsel
gelöst und sahen, die Antwort war einfach.« (L. Ron
Hubbard:
Eine neue Sicht des Lebens, Kopenhagen 1979, S. 27)
Die Scientology-Organisation wurde in den fünfziger
Jahren vom
amerikanischen Science-Fiction-Autor L. Ron Hubbard gegründet.
1950,
mit dem Erscheinen des Grundlagenbuches »Dianetik, die
Wissenschaft
von der geistigen Gesundheit« gilt als Jahr 1 der
scientologischen
Zeitrechnung. Bis heute ist in Scientology der Geist der amerikanischen
Wirtschaftswunder-Gesellschaft lebendig. Wenn man an die
märchenhaften
Wirkungen denkt, die verschiedenen Vitaminpillen und künstlichen
Proteinen
zugeschrieben werden, oder an die Bedeutung, die Statistiken für
jeden
einzelnen Scientologen haben oder an viele andere grosse und kleine
Indizien
- wenn man Scientology-Literatur liest, fühlt man sich oft wie bei
einer Zeitreise in die 50er Jahre.
Ansatzpunkte der Kritik sind nicht nur die horrenden
Gebühren,
die ein Scientologe zahlen muss, wenn er weiter kommen will (und er ist
verpflichtet, das zu wollen), was bei weniger finanzkräftigen
Anhängern
schnurstracks in hohe Verschuldung führen kann. Anlass zur
Besorgnis
bietet vielfach auch die Praxis des →Auditing,
die den zentralen
Punkt der Theorie und Praxis von Scientology bildet. Auch die Tatsache,
dass Scientology
-7-
sich in einigen Wirtschaftsbereichen zunehmend etabliert (vgl.
S.
17),
wird von vielen mit wachsender Besorgnis beobachtet.
Und schliesslich stellt sich auch immer dringender die Frage,
wie
sich
das Aufwachsen von Kindern in einem scientologisch geprägten
Umfeld
wohl auf ihr späteres Leben auswirken wird. →siehe
dazu auch: "Kinder
in der Scientology Organisation"
Soweit, so klar; aber was ist diese Scientology eigentlich?
Eine
Kirche
bzw. eine Religion, wie die Bemühungen des Vereins, in einigen
Ländern
den Status einer anerkannten Religionsgemeinschaft zu erhalten,
nahelegen?
Eine »religiöse Philosophie«, wie eine der vielen
verschiedenen
Eigendefinitionen behauptet? Eine neue Wissenschaft, wie es zum Titel
des
Grundlagenwerkes passen würde? Oder zumindest eine Therapieform,
wie
es einem jahrelang gepflegten Erscheinungsbild entspräche, dessen
Schwerpunkt auf dem »Auditing« liegt? Oder jenes
aufstrebende
Wirtschaftsimperium, vor dem in letzter Zeit immer mehr Kritiker
warnen?
Wir können und wollen hier keine Entscheidung treffen;
jeder
Leser
soll seine Schlüsse selbst ziehen: aus den Indizien, die wir in
der
Folge vorlegen und aus der Geschichte, die Ilse Hruby uns dann
erzählen
wird.
Religion mit Copyright
»Scientology«, so wird in diesem Buch einer der
Hauptdarsteller
erklären, »ist eine Religion, die um Anerkennung in
Österreich
und verschiedenen europäischen Staaten kämpft«; wenn
öffentliche
Stellen in einzelnen Ländern vor Theorie und/oder Praxis der
Scientology
warnen, müssen sie damit rechnen, beschuldigt zu werden, das
Menschenrecht
auf Religionsfreiheit zu missachten. So wurde beispielsweise das
Deutschland
von heute in seitengrossen Inseraten in amerikanischen Tageszeitungen
mit
dem Dritten Reich und seiner Judenverfolgung gleichgesetzt und auf
diplomatischer
Ebene unter Druck gesetzt.
-8-
Ist als Scientology tatsächlich eine (noch junge)
Religion, der
die Gesellschaft (noch) die Anerkennung versagt? Oder haben die
Kritiker
recht, die unterstellen, im Fall von Scientology stelle die
»Religion«
nur jenen Teppich dar, unter den sich so manches kehren lässt, das
bei Licht besehen, gar nicht so harmlos und menschenfreundlich ist, wie
diese Gruppe auf unvoreingenommene Betrachter gerne wirken würde?
Nach allgemeinem Rechts- und Sprachverständnis ist
Religion
untrennbar
mit irgendeiner Form des Gottesglaubens verbunden. So definiert z.B.
der Duden
Religion als »Glaube an Gott oder ein göttliches Wesen und
der
sich daraus ergebende Kult«. →siehe
dazu auch: Scientology
– eine "religiöse Bekenntnisgemeinschaft"? aus der Sicht einer
Ex-Scientologin
Und hier stösst man bereits auf die erste Schwierigkeit,
denn
Scientology
erfordert laut einer von vielen Selbstdefinitionen »keinen
Glauben
an irgendjemanden.«[2]
Diese
Behauptung wirkt glaubwürdig angesichts der Tatsache, dass man
bändeweise
Scientology-Literatur lesen kann, ohne auf Hinweise auf den Glauben an
ein göttliches Wesen zu stossen. Ja, es erweist sich sogar, dass
die
Existenz oder Nichtexistenz Gottes weder auf das in ihr dargestellte
Gedankengebäude
noch auf die daraus abgeleiteten Verhaltensrichtlinien einen
erkennbaren
Einfluss hat. Zwar gibt es ein scientologisches Zeremonienbuch, in dem
man »Rituale« für Hochzeits- oder Namensgebungsfeste
findet;
sie spielen aber - unserer Beobachtung nach - im täglichen Leben
eines
durchschnittlichen Scientologen nur eine untergeordnete Rolle. Vor
allem
aber können sie wohl kaum als Pendant zu entsprechenden Riten
anderer
Religionen gedeutet werden, da sie doch nicht auf einen spezifisch
scientologischen
Gottglauben zurückzuführen sind!
Aber betrachten wir doch kurz ein konkretes Beispiel: die
Hochzeitszeremonie,
durch die Ilse und Pascal* auch scientologisch miteinander verbunden
werden
sollten: Im »Zeremonienbuch« der »Church of
Scientology«
(65 von zigtausend Seiten Scientology-Literatur!)
-9-
sind der Hochzeitszeremonie 15 Seiten gewidmet; auf diesen 15
Seiten
werden zwar rein formale Aspekte der Zeremonie wie die Kleidung von
Braut,
Bräutigam, Trauzeugen und Hochzeitsgästen relativ
ausführlich
erörtert - bis hin zu einer Skizze, die die Aufstellung der
handelnden
Personen genau regelt - ; es findet sich aber andererseits an keiner
Stelle
eine Erwähnung Gottes (bzw. einer wie auch immer genannten
höheren
Instanz); bezeichnend ist hier die »Schlüsselstelle«
der
Zeremonie: »Ich nehme diesen Ring und diesen Gatten/diese Gattin
an. Vor der Welt.« Auch und gerade hier keine Erwähnung
Gottes.
Insgesamt fällt auf, dass und welche Elemente aus
herkömmlichen
Trauungszeremonien übernommen wurden: Äusserlichkeiten wie
die
Kleidung oder der Ringwechsel. Wo man aber Elemente eines spezifisch
scientologischen
Glaubens erwarten würde, sucht man vergebens nach ihnen. In der
»Hochzeitszeremonie
für Scientologen« (es gibt auch Zeremonien für
Nichtscientologen),
gibt es zwar eine (!) Passage, die eine auffallend hohe Dichte an
scientologischem
Vokabular aufweist, aber auch hier werden eher allgemein gültige
Ideen
und Werte transportiert, wie der Wert der Kommunikation für eine
glückliche
und dauerhafte Beziehung oder die Symbolkraft des Ringes.
Und es handelt sich bei Scientology ja um eine ganz besondere
»Religion«,
da sie angeblich »für alle Bekenntnisse«
zusätzlich
annehmbar ist, also zu keiner anderen Glaubenslehre in Widerspruch
steht
und mit allen vereinbar ist! [3]
Aber auch andere Usancen der »Scientology-Kirche«
passen
nicht so ganz in das Bild, das man sich im Allgemeinen von einer
Religion
macht: So sind die meisten Religionen üblicher Weise daran
interessiert,
dass ihre Ideen möglichst rasch, weit und unproblematisch
verbreitet
werden; das Bedürfnis zu missionieren, scheint uns ein
wesentliches
Kriterium echter Religiosität.
-10-
Wie aber soll man das Sendungsbewusstsein einer Gruppe
beurteilen,
die
versucht, ihre Verbreitung an vordergründige wirtschaftliche
Voraussetzungen
zu binden und durch »eingetragene Warenzeichen« zu
monopolisieren?
Zeugt dies nicht vom Wunsch nach Missionierung, sondern von knallhartem
Gewinnstreben? Dieses Streben nach weltlichen Gütern wird
nicht
- wie etwa im Buddhismus, mit dem sich Scientology so gerne vergleicht
- problematisiert; nein: es wird vom Gründer sogar dezidiert
eingefordert:
»Mach Geld, mach mehr Geld, mach, dass andere Menschen Geld
machen.«
(→HCOPl 9.3.72)
Da wundert man sich schon gar nicht mehr, wenn
Dienstleistungen der
»Kirche« (wie etwa ein sogenannter →Reinigungs-Rundown)
in Form einer Produktwerbung angepriesen werden, die
»weltliche«
Vorteile wie die angebliche Befreiung von Drogen- und
Chemikalienrückständen
in den Vordergrund stellt[4]
Auch
die Illustrationen des Prospektes wecken eher Assoziationen an die
Weight
Watchers oder an die Angebote sogenannter
»Gesundheitshotels«.
Nur im Klein(st)gedruckten findet sich der Hinweis der
»Reinigungsrundown«
sei »Teil des Befreiungsweges der Scientology-Religion«,
aber
das wirkt in unseren Augen im Vergleich zur vorangehenden
Präsentation
des Programms aufgesetzt und unglaubwürdig.
Verstände sich Scientology wirklich als Religion, so
müsste
am Beginn jeder Publikation gross auf diesen Befreiungsweg hingewiesen
werden!
Neben dem Reinigungsprogramm findet man im Angebotsspektrum
dieser
erstaunlichen
»Religion« auch noch andere Dinge, die nicht so recht ins
Bild
passen wollen: So findet man →Persönlichkeitstests zwar in
fast jeder Illustrierten, aber unter den Dienstleistungen einer Kirche?
»Kommunikationskurse« kann man im Rahmen der
Erwachsenenbildung
vielerorts
-11-
belegen; als religiöse Praxis haben wir sie allerdings
noch nie
betrachtet.
Überhaupt scheint mir der von L. Ron Hubbard immer wieder
erhobene
Anspruch, die Anwendung seiner Technologie (welch ein Wort im
religiösen
Kontext!) wäre in körperlicher und/oder seelischer Hinsicht
therapeutisch
wirksam, am ehesten mit Angeboten aus dem Gesundheitsbereich
vergleichbar.
(vgl. dazu S.17)
Zwar wird auch in christlichen Texten immer wieder von der
Heilung
körperlicher
und seelischer Leiden berichtet; dort ist aber klar, dass diese
Heilungen
nicht
der korrekten Anwendung irgendwelcher Methoden zu verdanken sind,
sondern
ausschliesslich der Gnade Gottes (ein Terminus, den wir während
unserer
Lektüre der Scientology-Literatur nirgends gefunden haben!).
Mit der Selbsteinschätzung als Religion verwandt ist auch
eine
andere Selbstdefinition von Scientology: die als Philosophie. In
Griechenland,
wo religiöse Veranstaltungen einer besonderen Bewilligung
bedürfen,
tritt Scientology dementsprechend auch als »Griechisches Zentrum
für angewandte Philosophie« auf. Wenn also schon der
Anspruch,
eine Religion zu sein, in Frage gestellt werden muss - kann man
Scientology
wenigstens als Philosophie ernst nehmen? Dann müsste sie sich aber
in ihren theoretischen Schriften auch mit den eigentlichen
philosophischen
Themen beschäftigen: der Frage nach der Natur der Dinge, nach dem
letzten Sinn... Wenn man allerdings nach Schrifttum sucht, das sich
damit
beschäftigt, so findet man im besten Fall phantasievoll gestaltete
Weltraummärchen.
Es gäbe in diesem hang noch vieles, mit dem man sich
auseinandersetzen
könnte; interessanter allerdings erscheint es uns, noch eine
andere
Selbstdarstellung von Scientology zu beleuchten, die unserer Ansicht
nach
zu ihrem Selbstverständnis als Religion in Widerspruch stehen.
-12-
Eine Wissenschaft?
Eine andere Gruppe von Selbstdefinitionen erhebt Scientology bzw.
»Dianetic«,
die als Ursprung der Scientology aufgefasst werden kann, in den Rang
einer
Wissenschaft.[5]
Sehen
wir
davon
ab, dass nach herkömmlichem Sprachgebrauch ein und dasselbe
Gedankengebäude
kaum Religion und Wissenschaft gleichzeitig sein kann. Gehen wir auch
an
diese Frage ganz unvoreingenommen heran: Zu dieser Art der
Selbstpräsentation
passen z. B. verschiedene Werbemittel wie ein Flugblatt, das immer
wieder
an Wohnungstüren oder geparkte Autos gesteckt wird: das
wohlbekannte
Konterfei Einsteins als Blickfang suggeriert eine enge Verbindung zur
Naturwissenschaft.
Versprochen wird hier eine Steigerung der Intelligenz auf der Basis
seriöser
Forschungen.[6]
Auch der Falter, der für den sogenannten
Reinigungsrundown
wirbt,
passt in dieses Bild; dort heisst es u. a. »Was blockiert
geistige
Frische? Was hält Sie davon ab, klar zu denken? ... Neuere
Forschungen
(Hervorhebung durch den Verfasser) haben ergeben ...«Und wenn man
sich dem beworbenen Produkt von der theoretischen Seite nähert,
offenbart
sich - bei aller Absurdität - ein zumindest
pseudowissenschaftlicher
Charakter: Es finden sich z. B. Erläuterungen wie, radioaktive
Strahlung
sei wasserlöslich und wie Wasser beweglich. Aus diesem Grund
müsse
beim »Purification Rundown« (der angeblich von alten
Strahlungsbelastungen
befreit und so die Widerstandsfähigkeit gegenüber neuen
erhöht)
sorgfältig darauf geachtet werden, dass stark und voluminös
geschwitzt
werde. (nach →HCO-B).
Kann man also Scientology, wenn schon keinen religiösen
so doch
einen wissenschaftlichen Charakter attestieren, wie es ja offenbar von
dieser Organisation auch gewünscht wird?
Selbst wenn man von der zumindest ungewöhnlichen Idee
absieht,
dieselbe Lehre könne gleichzeitig Teilgebiet einer
Einzelwissenschaft
und Metawissenschaft sein [7],
-13-
so widersprechen doch verschiedene grundlegende Aussagen in
den
Richtlinienbriefen
des Gründers diesem Denkansatz: Während nämlich
Wissenschaft
selbstverständlich ein ständiges Infragestellen und
Weiterentwickeln
einmal gewonnener Erkenntnisse (auch durch andere Wissenschaftler)
voraussetzt,
wird genau das in Scientology dezidiert abgelehnt. »Jedem
Kursüberwacher
und jedem Ausübenden, der →Tech interpretiert, verändert
oder für ungültig erklärt, muss verpflichtend der
→Ethik-Zustand
»Feind« (unterhalb von Nicht-Existenz Anm.d.Verf.) zugewiesen
werden«
(HCOPl 22. 11. 1967; Übers. d. Verf.) [8],
und der Zweifel, die Quelle aller Wissenschaft und Forschung, gilt
ebenfalls
als Zustand unterhalb der »Nicht-Existenz«[9]
Im »Kodex eines Scientologen« verpflichtet man
sich
»Auf
standardgemässer und unveränderter Scientology als einer
angewandten
Aktivität in der Ethik [...] zu beharren.« (→HCOPl
5. 2. 69) Begründet wird diese mangelnde Innovationsfreude mit
Argumenten,
die man nur als Absolutheitsanspruch interpretieren kann: Es wird
behauptet,
»dass der Mensch niemals zuvor eine brauchbare geistige
Technologie
entwickelt hat«, »dass die Bemühungen des Menschen,
andere
Wege zu finden, zu nichts geführt haben.« Scientology sei
»das
einzige funktionierende System, das der Mensch hat.« und
»Die
ganze qualvolle Zukunft dieses Planeten - jedes Mannes, jeder Frau und
jedes Kindes darauf - und Dein eigenes Schicksal für die
nächsten
endlosen Billionen Jahre hängt davon ab, was Du hier und jetzt mit
und in der Scientology tust.« (→HCOPls 7. u. 14. 2.65)
Angesichts dieser Aussagen erübrigen sich wohl weitere
Überlegungen
zum Wissenschaftscharakter von Scientology.
Aber Wissenschaftscharakter hin oder her: sind wenigstens die
von
dieser
Lehre abgeleiteten praktischen Verfahren sinnvoll anwendbar?
-14-
Probleme des Auditing
Schliesslich erhebt Scientology immer wieder - in unterschiedlichem
Zusammenhang
- dezidiert den Anspruch, in körperlicher und seelischer Hinsicht
therapeutisch wirksam zu sein. Dianetik soll offenbar als eine Art
alternativmedizinischer
Praxis verstanden werden [10],
und die gesamte Psychiatrie wird durch Scientology angeblich
überflüssig. [11]
Hauptsäule dieses therapeutischen Anspruches ist das
Auditing,
bei dem meistens der nach Verbesserung strebende Mensch (→PC genannt)
stundenlang in Einzelsitzungen minutiös über seine
Vergangenheit
befragt wird (notfalls bis zurück in frühere Leben). Dabei
sollen
negative Erlebnisse aus der Vergangenheit (→»Engramme«),
die den Menschen gegen seinen Willen negativ beeinflussen,
aufgespürt
und durch wiederholtes »Durchleben« unwirksam gemacht
werden.
Als Hilfsmittel dient dabei meist das sogenannte →E-Meter,
ein elektronisches Gerät, das einem Lügendetektor
ähnlich
funktionieren soll. Während der Sitzung werden detaillierte
Protokolle
geführt, die dann im Akt des »Kunden« gemeinsam mit
allen
anderen schriftlichen Aufzeichnungen über ihn gesammelt werden.
Leider
gibt es zahlreiche Indizien dafür, dass diese Aufzeichnungen nicht
immer, wie es in einem internen Kodex versprochen wird, vertraulich
behandelt
werden. Und sehr persönliche Mitteilungen (wie die Frage nach
Drogenkonsum,
Ängsten oder dem Strafregister) werden dem →PC schon abverlangt,
bevor das eigentliche Auditing beginnt (→HCOB 24. 6. 1978).
Es existieren einleuchtende Darstellungen, dass auch die
verwendeten
Techniken selbst, die vordergründig an die Psychoanalyse angelehnt
erscheinen, leider nicht in die Rubrik »teuer, aber
harmlos«
eingereiht werden können.
Der Auditor, dessen Ausbildung sich nicht mit jener
zugelassener
Therapeuten
vergleichen lässt, bietet dem Hilfesuchenden keine
-15-
Unterstützung zur Interpretation seiner Probleme und
bringt ihm
auch keinerlei Mitgefühl entgegen, was auch gar nicht seine
Aufgabe
ist. Im Gegenteil: Egal, welche Krisen und Zusammenbrüche der →PC
durchmacht, der Auditor soll ungerührt und stur seinem
vorgegebenen
Prozessgang folgen, bis ein genau definiertes Endziel erreicht
ist. [12]
(U. a. dazu, diese Fähigkeit dazu zu trainieren, wurden einige der
Übungen des »Kommunikationskurses« [13]
entwickelt.)
Diese starren Richtlinien, verbunden mit der insgesamt
unvollständigen
Ausbildung des Auditors (es werden weder medizinische noch
psychologische
Grundkenntnisse vermittelt) stellen aus unserer Sicht einen besonderen
Risikofaktor dar.
Das →Auditing-Verfahren beschränkt sich auf die Technik
der reinen Abreaktion und berücksichtigt weder den
Beziehungsaspekt
des therapeutischen Geschehens (Verhältnis zwischen Therapeut und
Klient), noch die Möglichkeit, dass Probleme durch das Verfahren
möglicher
Weise auch verfestigt oder gar erst erschaffen werden könnten.
Denn wie aus der Theorie zu Auditing klar ableitbar ist,
interessieren
hier nur die negativen Erlebnisse aus der Vergangenheit. Daher werden
in
einer äusserst suggestiven Situation stundenlang belastende
Erlebnisse
»wieder« durchlebt. Das Leben vor Scientology erscheint so
sehr schnell voll von Leere, Unglück und Nichterfüllung. d.
h.:
Beim Auditing kann es - über die auditierten negativen
»Erlebnisse«
zu einer zunehmenden Abwertung der Lebenserfahrungen vor Scientology
kommen,
die später eine eventuelle Rückkehr ins »normale«
Leben erschwert.
Ein besonderes Problem stellt in diesem Zusammenhang klarer
Weise
jenes
Auditing dar, das angewandt wird, wenn ein oder mehrere
Familienmitglieder
eines Scientologen Scientology gegenüber kritisch sind. Es gibt
auch Auditing
für Kinder; wie es sich auf ihre Entwicklung auswirkt, sollte
einmal ausführlich untersucht werden,
-16-
wobei besonders darauf zu achten wäre, welchen
zusätzlichen
Belastungen Heranwachsende ausgesetzt sein können, deren einer
Elternteil
(oder deren Grosseltern) Scientology kritisch gegenüberstehen.
→siehe
dazu auch: "Kinder
in der Scientology Organisation"
Auf einer ganz anderen Ebene liegen die Probleme, die sich aus
dem
Umgang
vieler Scientologen mit enormen Dosen verschiedener Vitamine ergeben
können;
die Einnahme der Präparate wird einerseits auf informeller Ebene
propagiert,
ist aber andererseits auch Teil spezieller Verfahren wie etwa des
sogenannten
»Reinigungsrundowns«. [14]
(vgl. dazu auch S. 13)
Sollten dabei körperliche Probleme auftreten, so wird
nicht -
wie
es eigentlich zu erwarten wäre - ein Arztbesuch verordnet, sondern
der Betroffene wird aufgefordert, die
»Scientology-Therapie«
»verstärkt fortzusetzen«. [15]
Es ist also ebenso sehr zu bezweifeln, ob Scientology dem
selbstgestellten
wissenschaftlichen Anspruch gerecht wird, als auch, ob die angebotenen
Verfahren wirksam oder zumindest unschädlich sind.
Ein Wirtschaftsimperium?
Keine andere Gruppierung mit religiösen Ansprüchen hat ein so
stark ausgeprägtes Verhältnis zu Geld wie Scientology.
Hubbards
berühmt-berüchtigter Satz »Mach Geld, mach mehr Geld,
mach,
dass andere Menschen Geld machen«, ist nicht bloss dahingesagt,
sondern
gilt als religiöses Dogma. Rund um das Geld existiert eine Reihe
von
rezeptartigen Schriften. denn wie Hubbard von Scientology als Genie in
vielen Bereichen präsentiert wird, so gilt er auch als
Wirtschaftsfachmann,
der die Technologie, kurz →Tech genannt, zur Führung von
Betrieben exzellent beherrschte und seinen Gläubigen
überlieferte.
Nach der Tech ist idealerweise der scientologische Betrieb organisiert.
Dazu notwendig ist eine Lizenz,
-17-
die von WISE (World Institute of Scientology Enterprises)
vergeben
wird
und die eine kostspielige Angelegenheit ist. »Zwischen 9 Prozent
und 15 Prozent vom Bruttoumsatz« kostet eine solche Lizenz,
schreibt
der ehemalige Scientologe Tom Voltz (Scientology und (k)ein Ende,
Solothurn
1995; S. 120). Von WISE fliessen die Gelder in Richtung Scientology.
Diese
Lizenzgebühren können an der Substanz der Firma nagen, bis
hin
zur Insolvenz. Gleichzeitig bedeuten diese Geschäfte, dass die
gesamte
Kundschaft eines WISE-Lizenznehmers zu den Einnahmen von Scientology
beiträgt.
Die Verquickung mit der »Church« wird dadurch
verdeutlicht,
dass nicht linientreue WISE-Mitglieder oder Lizenznehmer aus
Scientology
ausgeschlossen werden können. Die Anweisungen zum Ausschluss aus
WISE
können umgekehrt auch von Scientology kommen. »Die Macht der
See-Organisation, der Eliteabteilung der Scientology-Kirche, geht sehr
weit. Sie kann zum Beispiel dafür sorgen, dass Inhaber von Firmen,
die Lizenzverträge mit WISE haben, dazu aufgefordert werden, ihre
Firma anderen zu übergeben und sich von eigenem Gedankengut als
minderwertig
und nicht verbreitungswürdig zu distanzieren.« Das schreibt
ebenfalls der Schweizer Tom Voltz (S. 134), der vor seinem Austritt aus
Scientology für WISE tätig war.
Schwerpunkte von WISE liegen in folgenden Branchen:
Immobilien-,
Computer-
und Softwarebranche, Personal- und Managementberatung, Werbung, Medien
und Unterhaltungsindustrie. Aber auch soziale Einrichtungen sind
für
Scientologen interessant. In Deutschland konnten als 150 Firmen und
etwa
50 Tarnorganisationen Scientology und ihrem Umfeld in Deutschland
bisher
zugeordnet werden. In Österreich, wo die folgende Geschichte
spielt,
ist die Situation nicht anders. Hier existiert einen ganze Reihe
relativ
kleiner Firmen mit scientologischem Betriebskonzept.
-18-
Es ist kein Zufall, dass die österreichische
WISE-Niederlassung
unter derselben Wiener Adresse zu finden ist, wie die auch als →FSM
(Field Staff Member) auftretende Beratungsfirma Business Success. Diese
Firma bietet Managementberatung und -seminare an und hat nun auch eine
Tochterfirma in München und ist höchst aktiv in der
Verbreitung
scientologischen Gedankengutes im ehemaligen Ostblock.
Business Success wird geführt von den zwei WISE Charter-Komitee-Mitgliedern
Gerard Peissl und Franz Wagner. Die zwei haben zusammen ein sehr
erfolgreiches
Vorgehensmuster kreiert. Der Hauptservice, den sie liefern, ist ihren
Werbeunterlagen
zufolge ein »wildes, unkompliziertes Verkaufs-Seminar«. Es
gründet auf der Hubbard-Schrift »The Perfect Dissemination
Program«
und will die bestmöglichen Verkäufer ausbilden.
Das WISE-Charter-Komitee hat eine eigene
Gerichtsbarkeit,
deren
Aufgabenbereich weit über jene der in Vereinen üblichen
Schiedsgerichte
hinausgeht. Die ausführliche Satzung beinhaltet grösstenteils
Punkte zur Streitschlichtung, sieht aber auch die Möglichkeit vor,
auf das Privatvermögen der Mitglieder zuzugreifen. Dem entspricht
in der Realität auch, dass WISE-Charter-Komitee-MitarbeiterInnen
bis in die Nachtstunden mit der Vermittlung zwischen einzelnen
Mitgliedern
beschäftigt sind. Das Wiener WISE-Charter-Komitee ist in
Räumlichkeiten
des Werbestudios Angelika Thonauer untergebracht. Thonauer trat
mehrmals
als Scientologin öffentlich auf.
Geradezu kultische Verehrung geniest in scientologisch
geführten
Betrieben die Statistik. Wöchentlich muss eine Erfolgsstatistik
erstellt
werden, die peinlichst genau alles auflistet, bis hin zur Anzahl der
abgeschickten
Briefe. Das schlimmste, was passieren kann, ist ein Rückgang der
Statistik.
Werden etwa in einer Woche weniger Briefe geschrieben, als in der Woche
zuvor - aus welchem Grund auch immer - so ist dagegen vorzugehen.
Der scientologischen Logik folgend, dass Geld
»gemacht«
werden muss, erfreuen sich bestimmte Betriebsysteme besonderer
Beliebtheit.
-19-
Diese sind vorallem Franchise-Systeme und Strukturvertriebe
oder
Multilevelmarketings
(MLM).
Auf dem deutschsprachigen Markt gibt es derzeit zwischen 500
und 600
Franchise-Systeme. Etwa die Hälfte davon ist in Verbänden
organisiert,
die seriöse von unseriösen Franchise-Gebern trennen wollen.
Denn
es gibt eine ganze Reihe von Franchise-Systemen, die höchst
obskure
Waren oder Dienstleistungen anbieten. Franchising gibt es in vielen
verschiedenen
Brachen, von der Restaurantkette über den Baumarkt bis hin zur
Musikschule
und zum Baubetrieb. Eine EU-Verordnung hält genau fest, was eine
Franchisevereinbarung
ist. Vieles, was unter diesem Namen läuft, fällt nicht
darunter,
sondern ist eher ein Agentur- oder Vertragshändlervertrag.
Beim →Franchising arbeiten rechtlich und wirtschaftlich
selbständige
Partner auf unterschiedlichen Wirtschaftsstufen sehr eng zusammen,
treten
aber unter einem einheitlichen Erscheinungsbild auf. Der
Franchise-Nehmer
ist im eigenen Namen und auf eigene Rechnung tätig und
konzentriert
sich im wesentlichen auf den Verkauf und seine Betriebsführung.
Der
Franchise-Geber entscheidet, was für Ansehen, Identität und
Funktionsfähigkeit
des Systems notwendig ist, sorgt für gemeinsame Werbung und
kontrolliert
die Umsetzung durch die Partnerbetriebe.
Die meisten Franchise-Geber verlangen für Schulungen,
Schutzrechte
und Know-how eine Einstiegsgebühr, für Werbung und andere
Dienstleistungen
eine laufende Gebühr, in der Regel einige Prozent des
Monatsumsatzes.
Dem scientologischen Denken sehr entgegen kommt beim
Franchising das
Trainingskonzept als Bestandteil des Leistungspaketes eines
Franchise-Gebers.
Es beginnt bereits bei der Auswahl der Franchise-Nehmer und reicht von
der Anfangsschulung über Fortbildungsangebote bis hin zu
Fachschulungen
und Spezialausbildungen. Training ist beim Franchising eine
ständige
Verpflichtung.
-20-
für Franchise-Geber und -Nehmer. Es muss permanent
passieren,
um
den angestrebten gleichen Standard aller Franchise-Nehmer zu
gewährleisten.
Ständiges Training ist für Scientologen nichts fremdes,
befinden
sie sich doch selbst so gut wie ständig »auf Kurs«, um
sich zu verbessern. Weiters ist Mitgliederwerbung für Scientologen
eine Selbstverständlichkeit - und auch beim Franchising
können
neue Partner geworben werden.
Ein MLM zeichnet sich dadurch aus, dass
Waren
oder Dienstleistungen auf eigenes Risiko, also freiberuflich verkauft
werden
und gleichzeitig immer neue »Kundenberater« geworben
werden,
denn an deren Umsatz verdienen die Werber mit. Die Neugeworbenen
müssen
eine Provision an ihren Werber abliefern, der ebenfalls wiederum
Provision
zahlen muss, ähnlich wie bei den verbotenen Pyramidenspielen. Der
Unterschied zum Pyramidenspiel besteht darin, dass immer ein
»Produkt«
im Vordergrund steht. Beim Pyramidenspiel »European Kings
Club«
waren erstaunlich viele Scientologen dabei - und zwar
hauptsächlich
jene, die höhere Positionen in Unternehmen bekleiden. Dabei sollte
beispielsweise einem Unternehmensberater klar sein, dass die in
Aussicht
gestellten Zinsen von über 70 Prozent in wenigen Monaten kein
seriöses
Angebot sein können.
Die Zentrale bekommt natürlich auch Geld - für ihren
»Verwaltungsaufwand«
oder für die »Produkte«, daher bleibt für die
hoffnungsfrohen
Anleger nicht der ganze Kuchen zum Verteilen. Von Runde zu Runde
vervielfacht
sich die Zahl der »BeraterInnen« - bis keine neuen mehr
gefunden
werden und das System zusammenbricht. Gewonnen haben mit Sicherheit die
GründerInnen und vielleicht noch die ersten WerberInnen. Alle
anderen
gehen leer aus.
-21-
Die Produkte sind bei einigen MLMs, wie z.B. »Die Chance
zum
Erfolg«
völlig nebensächlich. Wer »Die Chance zum Erfolg«
ergreifen will und sich das Informationsmaterial bestellt, erhält
um rund 450 Schilling, 63 Mark (33 Euro) ein paar kopierte Zettel, eine
Hochglanzbroschüre, Audio- und Videokassetten, aus denen nichts
über
das Produkt hervorgeht. Klar wird allerdings, dass den grösseren
Gewinn
der Verkauf des Infomaterials bringt.
Die Organisation
Die Organisation von Scientology ist streng hierarchisch über
viele
Ebenen aufgebaut. Der Aufstieg ist auf zweierlei Art möglich:
Durch
das Kurssystem und durch hohe als Spenden deklarierte Beiträge.
Eine
weitere Rangordnung ergibt sich durch die Funktionen,
-22-
die jemand in der Org ausübt, wobei noch - für
Aussenstehende
äusserst verwirrend - hinzukommt, dass die →Orgs ebenfalls
auf verschiedenen Stufen stehen können. Dazu kommen noch die
Celebrity-Centers
und die Missions, die ebenfalls nicht alle gleichrangig sein
müssen.
Wenn also landläufig von einem »hochrangigen
Scientologen«
die Rede ist, kann damit verschiedenes gemeint sein.
In den Orgs gibt es eine ganze Reihe von Abteilungen,
über
denen
in der Regel die OSA (Office for Special Affairs), Geheimdienst der
Scientology,
steht. Üblicherweise sind die Pressesprecher auch OSA-Offiziere.
Wohl
aus Hubbards (teilweise imaginierter) Biografie ergibt sich eine
Vorliebe
für militärische Ränge und Uniformen, die stark an die
Marine
erinnern. Neben der OSA gibt es Abteilungen für
Öffentlichkeitsarbeit,
für Kurse, →Ethik usw. Aufgebaut sind die Orgs alle nach
dem selben Schema. Die »Staff-Members«, also die
Mitarbeiter
führen teilweise sehr fantasievolle Titel, von Registrar über
Recruiter bis zu Kursüberwacher. Oft handelt es sich bei diesen
Personen
um Mitglieder, die erst ganz kurz dabei sind und nur sehr wenige Kurse
gemacht haben, geht aus den Berichten von Aussteigern hervor.
Augenfällig ist Begriffsverwirrung rund um die Funktionen
am
Beispiel
der Wiener →Org.
Neben der eigentlichen »Scientology-Church« gibt
es eine
ganze Reihe von Organisationen für jeden Bereich des
gesellschaftlichen
Lebens: Criminon zur Resozialisierung Krimineller, Narconon für
den
Kampf gegen Drogen, ABLE für die Erziehung, WISE für die
Wirtschaft,
CCHR oder KVPM als »Kampfinstrument« gegen die Psychiatrie
und viele andere mehr. Sie alle sind jedoch vorwiegend der
Mitgliederwerbung
für Scientology selbst gewidmet.
Das Kursangebot reicht von einfachen und billigen
Einstiegsangeboten,
wie beispielsweise den bekannten Kommunikationskurs,
-23-
den sich jeder leisten kann, bis hin zu teuren Spezialkursen
in den
europäischen Zentralen Kopenhagen und East Grinstead in England
und
den noch teureren in »Flag« in Clearwater Florida oder auf
der »Freewinds«, dem legendären Scientology-Schiff.
Dort
sollen - so erzählen Scientology-Aussteiger - 1000 Dollar
pro
Tag zu bezahlen sein.
Wer bei Scientology einsteigt, ist Preclear und hat als erstes
Ziel,
→Clear zu werden, das bedeutet, überhaupt erst als
»bewusster«
Mensch anerkannt zu sein. Danach folgen die OT-Stufen. →OT bedeutet
operierender Thetan (entsprechend dem Glauben, an die Thetanen als
körperlose
Geist-Seele-Wesen). Die OTs sind wiederum in verschiedene Stufen
unterteilt,
vom OT1 bis zum OT10. Realistisch ist allerdings bisher nur der OT8.
Diese
Hierarchie weist Ähnlichlichkeiten zu jener des O.T.O. (Ordo
Templi
Orientis) des Satanisten Alisteir Crowley auf, in dem Hubbard
nachweislich
aktiv war. Ein OT kann angeblich die unglaublichsten Dinge, wie etwa
die
Zeit »einfrieren«, fliegen, andere Menschen telepathisch
beeinflussen,
das Wetter verändern und ins Weltall reisen, wie es angeblich auch
Hubbard selbst es getan hat. Vorführen können sie allerdings
keine einzige dieser Fähigkeiten, denn diese sind geheim. Auch das
»Wissen«, das in den extrem teuren OT-Kursen vermittelt
wird,
ist für angehende OTs noch auf jeweils niedrigeren Stufe geheim,
obwohl
mittlerweile zu grossen Teilen im Internet verfügbar. Doch unter
Scientologen
wird die Angst verbreitet, sie könnten in Zustände
höchster
Verwirrung geraten, würden sie nicht die richtige Reihenfolge der
Kurse einhalten. Ungefähr parallel zu diesen Hierarchiestufen gibt
es jene der Auditoren, für die ein eigenes Kurssystem existiert.
Undurchschaubar
verbunden mit den Auditor-Rängen sind jene der
»Geistlichen«.
Die andere Hierarchie ist jene der Spender an die Kriegskasse,
genannt
»War Chest«. Die erste Stufe ist der Patron. Ein Patron ist
jemand, der mindestens 40.000 Dollar an die IAS (Internationale
Vereinigung
von Scientologen) spendet.
-24-
Die nächste Ehrenstufe, »Senior«, kostet
schon
100.000
Dollar, der »Patron Meritorius« ist für 250.000 Dollar
zu haben. In »Impact«, dem Magazin der IAS , werden 1994 31
Patrons aus Österreich, 221 aus Deutschland und 153 aus der
Schweiz
namentlich aufgelistet. Mit dem Geld aus der Kriegskasse finanziert die
IAS beispielsweise Publikationen der CCHR (Citizens Commission on Human
Rights, auch KVPM genannt: Kommission für Verstösse der
Psychiatrie
gegen Menschenrechte).
Durch das Berichtswesen, das für alles und jedes
existiert,
gibt
es über jede Person im Dunstkreis von Scientology ein
umfangreiches
Wissen. Idealerweise werden diese Berichte (Ethikberichte,
Wissensberichte,
Withhold/Overt-Bericht usw.) immer a die nächsthöhere Stelle
weitergegeben.
Wer ist Mitglied?
Die Mitgliedschaft bei Scientology ist nicht nach den üblichen
Gesichtspunkten
geregelt. Die verbindliche Mitgliedschaft ist jene bei der IAS. Sie
wird
gewöhnlich schon mit den ersten Kursen angeboten, die für
Mitglieder
billiger seien. Ob jemand nun auch Mitglied bei der örtlichen →Org
ist oder beim Scientology-Verein, wie er in vielen Staaten besteht, ist
zweitrangig.
Für nicht mit diesem System vertraute können sich
daraus
merkwürdige
Situationen ergeben. So haben verschiedene politische Parteien in
Deutschland
und in Österreich in ihre Statuten aufgenommen, dass eine
Mitgliedschaft
in der Partei und bei Scientology unvereinbar ist. Doch welche Art der
scientologischen Mitgliedschaft meinen sie?
Immer wieder kommt es vor, dass jemand sich bestätigen
lässt,
kein Mitglied zu sein. Das kann die örtliche Org besten Gewissen
tun
(ganz abgesehen von der scientologischen Vorstellung, dass
Nichtscientologen
jederzeit belogen werden
dürfen)
-25-
und auch einem IAS-Mitglied bestätigen, dass es nicht bei
Scientology
ist.
Aus dieser Konstellation ergeben sich auch die vielen
unterschiedlichen
Zahlenangaben über die Scientology-Mitglieder. Je nach Bedarf sind
es eben mehr oder weniger. Man kann dazu verschiedene Arten der
Mitgliedschaft
heranziehen, weshalb die Mitgliederzahlen für Deutschland sehr
stark
schwanken können: Einmal ist nur eine →Org gemeint, dann
wieder eine Region, einmal eine Art der Mitgliedschaft, dann eine
andere.
Übersichtlich ist Österreich als Beispiel, wie mit
Mitgliederzahlen
jongliert werden kann: 1994 gibt Scientology hier rund 7.000 Mitglieder
an, weltweit sollen es ca. acht Millionen gewesen sein, die
Mitgliederzahlen
schwanken, schenkt man Scientology Glauben, noch viel mehr, so war
schon
von 30.000 und mehr die Rede. Die Zahl scheint masslos
übertrieben,
hat doch die IAS nach Angaben in ihren Magazinen nur etwas über
100.000
Mitglieder weltweit. Mittlerweile behauptet Pressesprecher Böck
mehrfach,
dass es in Österreich 2.000 Mitglieder gibt, nachdem offenbar die
Nennung einer geringeren Anzahl in Zeiten, in denen Scientology als
gefährlich erkannt wurde, als vorteilhafter erscheint.
Tatsächlich
dürfte die Zahl der AnhängerInnen weltweit nicht viel mehr
als
100.000 betragen, lässt man die Ausgetretenen und einmaligen
Kursbesucher
ausser Acht. Es kommt hinzu, dass eine Mitgliedschaft eine Milliarde
Jahre
gelten soll und Austritte nicht akzeptiert werden. Wer also einmal
einen
Kurs bei Scientology gemacht hat, kann für alle Zeiten in der
Mitgliederkartei
stehen. Das beweisen auch Zusendungen an Personen, die bereits vor
zwanzig
Jahren ihren austritt erklärt haben. Draussen ist nur, wer
»declared«,
also als »Feind« erkannt wird.
-26-
Zum Welt- und Menschenbild
Wie u.a. an Hand der theoretischen Erläuterungen zu den
sogenannten
→»Engrammen« unschwer festzustellen ist, liegt eine
der wesentlichen Wurzeln des propagierten Welt- und Menschenbildes der
Scientology im Behaviorismus aus den Anfangstagen unseres Jahrhunderts.
Offenbar einem eindimensionalen Ursache-Wirkung-Denken verpflichtet,
findet
Hubbard einfache Erklärungen für komplexe Phänomene[16].
So erklärt er auch vordergründig irrationale Verhaltensweisen
oder andere ihm falsch erscheinende (Re)aktionen von Menschen als
simple
Reiz-Reaktions-Folgen (Hubbard verwendet diesen Terminus besonders
häufig)
Pawlowscher Prägung: Bei Pawlows Hund beginnt der Speichelfluss,
wenn
ein Glöckchen klingelt, weil ursprünglich ein Zusammenhang
zwischen
Glöckchen und Futter geschaffen wurde; bei Hubbards Menschen
löst
z. B. ein leises Klirren (wie das chirurgischer Instrumente) einen
Schmerz
in der Brust aus, weil dieser Zusammenhang während einer Operation
im Brustraum entstand [17].
Hubbard bezeichnet diese Mechanismen wörtlich als
»Fehlprogrammierungen«.
Physische und psychische Störungen haben in ihnen ihre
Ursache [18];
»konventionelle« Wurzeln wie etwa Vererbung werden nicht in
Erwägung gezogen.
Die »Fachsprache«, die Hubbard verwendet ist der
Technik,
v. a. der Computerterminologie entlehnt; im Zusammenhang mit
psychischen
Vorgängen spricht er von »Schaltkreisen«, »Aus-
und Einrasten« oder »Ladung«. Und wie ein Techniker
mit
seinem Messgerät nach defekten Leiterbahnen oder Widerständen
sucht, versucht auch der »Auditor« mit seinem
→E-Meter
→Engramme aufzuspüren, die das »richtige«
Funktionieren
des Menschen verhindern. Mit diesem Gerät, so die Theorie kann man
»den geistigen Zustand und die Veränderung des Zustandes von
Individuen messen.« (FWS [19]
S. 26). Ganz deutlich wird das Menschenbild
-27-
der Scientology an der Definition des »Wog« (einer
der
Bezeichnungen
für einen Nichtscientologen): »Dies bedeutet einen
gewöhnlichen,
... seriengefertigten Humanoiden.« (FWS S. 112) Hubbards
Idealbild
eines Menschen ist ein berechenbar (weil absolut logisch) agierendes
Wesen,
das auf seine gesamte »Datenbank« jederzeit Zugriff hat,
mit
hundertprozentig funktionsfähigen Sinnen, das nie krank ist und
sich
auch nicht irren kann (vgl. Dianetik S. 92).
Die gesamte sogenannte →»Tech« dient dazu,
möglichst
viele Menschen diesem Ziel möglichst nahe zu bringen:
Schon im Kommunikationskurs trainiert der Student, keine
Emotionen
zuzulassen;
bei einer Übung geht es nur darum, alles, was der Trainer sagt
oder
tut, mit völliger Gelassenheit zu beobachten (und das nicht nur
äusserlich!).
Selbst wenn dieses Training so manchem das tägliche Leben
zunächst
erleichtert, was es für die Erlebnisfähigkeit eines Menschen
bedeutet, dieses Training regelmässig und intensiv zu betreiben
(Scientologen
machen diese Übungen immer und immer wieder; manchmal mehrmals
täglich),
kann sich jeder leicht ausmalen.
Und bei einer speziellen Art von →Auditing die normalerweise
ganz am Anfang angewandt wird, geht es in stundenlangem Training darum,
dass der Auditierte (gewöhnlich nach einem stundenlangen Prozess)
immer dieselben Handlungen auf Anweisung des Auditors ohne
Verzögerung
immer exakt gleich vollzieht; z. B. »Gib mir diese Hand!«
Menschen
funktionieren hier quasi »auf Knopfdruck« wie Roboter.
Für
Dinge, die nach allgemeinem Verständnis nicht gemessen oder
genormt
werden können, gibt es in Scientology Skalen und genau definierte
Hierarchien; die schon erwähnte →Emotionsskala gehört
ebenso dazu wie das scientologische →Ethik-System; mit genau
festgelegten
»Formeln« (sie heissen wirklich so!) kann man von einem
Ethik-Zustand
in den nächst höheren gelangen.
-28-
Die Welt, in der die Scientologen leben, gleicht offenbar eher
einem
gefährlichen Dschungel als jener Zivilisation in der wir zu leben
glauben:
»es ist ein hartes Universum ... nur die Tiger
überleben
- und sogar sie haben es schwer.« (→HCOPl 7. 2. 65) Was
für ein Glück, das Hubbard seinen Anhängern ein dickes
Buch
mit der »Wissenschaft vom Überleben« hinterlassen hat!
Es ist allerdings kein Wunder, dass unsere Welt so hart und
grausam
ist. Schliesslich, so erzählt Hubbard u. a. in den Materialien zur
Bewusstseinsstufe →OT3 (sie wird üblicher Weise erst nach
längerer Zugehörigkeit zu Scientology erreicht), geht das
menschliche
Leben auf unserem Planeten auf eine unvorstellbare Grausamkeit
zurück,
die sich vor Jahrmillionen ereignet hat. Xenu, Oberhaupt einer
Planeten-Föderation
liess als Abhilfe gegen die herrschende Überbevölkerung, mit
Hilfe von Psychiatern Milliarden von Bürgern einfrieren und auf
die
Erde bringen. Etwa 76 mal 178 Milliarden tiefgefrorene Leute wurden
dann
durch in Vulkanen plazierten Wasserstoffbomben getötet; ihre
herumirrenden
Seelen (scientologisch »Thetane«) wurden in elektronischen
Fallen gefangen und durch implantierte »Schaltkreise« mit
irreführenden
Informationen versehen. An all dem leiden wir bis heute! Diese
Geschichte
macht auch verständlich, warum im Glaubensbekenntnis betont wird:
»Wir von der Kirche glauben dass der Mensch im Grunde gut ist.
Dass
er danach strebt zu überleben.« und »dass alle
Menschen
das unveräusserliche Recht auf ihre eigene Verteidigung
haben.«
Und wie verteidigt man sich am wirksamsten? »Der einzige
Weg,
wie irgendetwas verteidigt werden kann, ist anzugreifen. Und wenn Sie
sie
jemals vergessen, dann werden Sie jede Schlacht verlieren, in die Sie
jemals
verwickelt werden ...« (Hubbard-Aufsatz aus den Technical
Bulletins
Ausg. 76, zitiert nach http://www.pewid.ch/SCI/texte.html)
-29-
So gesehen ist das in der Folge beschriebene Wertsystem
logisch
erklärbar.
Ethik
und Werte in der Scientology-Leistungsgesellschaft
Manchem mag es zunächst gar nicht auffallen, weil wir
Ähnliches
aus unserer täglichen Umgebung nur allzu gut kennen: eine der
wesentlichen
Grundlagen von Scientology ist ein ausgeprägtes Leistungsprinzip,
das hier allerdings bis ins Absurde übersteigert wird:
Scientologen
müssen ständig mit Statistiken ihre stetig steigende Leistung
dokumentieren. Dabei gilt es bereits als »niedrige
Statistik«,
wenn man an einem Tag gleich viel leistet, wie am Tag vorher. Ziel ist
es, seine Leistung ständig deutlich zu steigern. Dass dies
irgendwann
schon aus rein rationalen Gründen unmöglich wird,
scheint
allerdings nur wenigen Scientologen klar zu werden. Auch wird
ausschliesslich
eine quantitative Steigerung berücksichtigt; ein qualitativer
Aufschwung
findet keine Berücksichtigung.
Wie wichtig es für Scientologen ist, dieser Forderung
nach
ständig
steigender Statistik zu entsprechen, zeigt ein anderes Faktum: die
Kurve
dient nämlich als Indikator für den sogenannten
→»Ethik-Zustand«
eines Scientologen (aber auch einer Abteilung, einer Niederlassung oder
eines Unternehmens).
Schon diese Termini lassen erahnen, dass Ethik in Scientology
nicht
dasselbe heisst, wie im allgemeinen Sprachgebrauch; und
tatsächlich:
Ethik bedeutet hier »Vernunft und Erwägung in bezug auf
optimales
Überleben« (Fachwortsammlung S. 29). Im scientologischen
Sinn
ist es ethisch, alles zu eliminieren, was gegen Scientology gerichtet
bzw.
auch nur anders orientiert ist als die Lehre Hubbards. [20]
-30-
Natürlich, denn »Der Kriminelle scheut das
Tageslicht.
Und
wir sind das Tageslicht. Und begreifen Sie dies als eine technische
Tatsache,
nicht eine hoffnungsvolle Idee.« (→HCOPl 5. 11. 67) So gesehen
sind wohl auch die viel zitierten Empfehlungen für den Umgang mit
Kritikern und »Feinden« im scientologischen Sinn als
ethisch
einzustufen, auch wenn dabei deren Verletzung oder Tod in Kauf genommen
wird. [21]
Wie sie
juristisch
zu bewerten wären, müsste noch geklärt werden.
Manche Menschen sind schon auf Grund ihres Berufes automatisch
»Feinde«.
Und die schlechtesten von allen sind die Psychiater. Um das zu
erklären
braucht man wohl - bedenkt man alles bisher Beschriebene - nicht einmal
Hubbards Biographie heranzuziehen. Das Feindbild Psychiater jedenfalls
wird in der gesamten Scientology-Literatur wieder und wieder
»liebevoll«
ausgemalt und gepflegt.
Wenn aber jemand seinem Plansoll eines Tages nicht mehr
gerecht
werden
kann, hat er in der »Scientology-Welt ohne Kriege,
Geisteskrankheiten
...« keinen Platz. [22]
Scientology hat eindeutig nicht im Sinn, sich mit Leuten zu belasten,
die
am Ende ihrer Leistungsfähigkeit angelangt sind. Wer zu wenig
leistet,
der hat diesen unerwünschten Umstand durch irgendwelche
Verfehlungen
selbst verursacht [23]
und
selbst grundlegende Menschenrechte werden ihm aberkannt: »Wir
haben
Dich lieber tot als unfähig« (→HCOP 7. 2. 65)
Mit den Menschen, die auf Grund ihres Alters, ihrer Gesundheit
oder
aus einer anderen (auch unverschuldeten) Ursache am Rande der
Gesellschaft
leben, will Scientology offenbar nichts zu tun haben. Der Sozialstaat
»kann
als der Staat definiert werden, der die Nichtproduktion auf Kosten der
Produktion belohnt.« (→HCOPl 6.3. 66) - so Hubbard. Und
verhetzende Formulierungen wie die folgende sind keine Seltenheit:
-31-
»Wenn der Durchschnittsbürger zusammenrechnet, was
er der
Regierung bezahlt, wird er feststellen, dass seine Arztbesuche sehr
teuer
sind. Allein der chronisch Kranke, dessen Zustand von den Gesunden
bezahlt
wird, hat einen Nutzen davon. ... er wird mit der Pflege belohnt,
die
mittels der Bestrafung der Gesunden bezahlt wird« (→HCOPl
6.3.66) [24]
Sogar die Opfer des Holocaust sind für L.Ron Hubbard -
ganz im
klassischen Sinn »selber schuld«: »Im weiteren
Verlauf
meines Lebens fand ich heraus, dass allein diejenigen, die nur den
Frieden
suchen, abgeschlachtet werden. Die Jahrtausende lange Passivität
hat
den Juden nichts als Abschlachtung eingebracht.« (→HCOP
7. 12 69/VMB s. 357)
Geld und Macht, Leistung und Fähigkeit sind also Werte,
die
für
Scientologen wichtig sind oder zumindest wichtig sein sollten. U. a. an
den vielen Skalen, die es in Scientology gibt, kann man auch gut
erkennen,
was verpönt ist:
Opfer bringen (-6,0 auf der →»Emotionsskala« 40
bis +40), Körper beschützen (-2,2 ebd.), Wieder gut machen
(0,
375), Mitleid (0,9), Furcht (1,0), Schmerz (1,8); Wie mit Menschen
umzugehen
ist, die sich fürchten, Mitleid haben oder bereit sind, Opfer zu
bringen,
macht Hubbard ebenfalls deutlich:
»Um mit Personen von 2.0 an abwärts umzugehen, gibt
es
nur
zwei Möglichkeiten, und keine von beiden hat damit etwas zu tun,
mit
ihnen zu diskutieren oder sich Rechtfertigungen für ihre
Handlungen
anzuhören. (...) Die zweite ist die, sie ruhig und ohne eine
Träne
zu vergiessen loszuwerden. Kreuzottern sind sichere Bettgenossen im
Vergleich
zu Menschen in den unteren Bereichen der Tonskala.« (L.Ron
Hubbard Die Wissenschaft des Überlebens, Teil 1, S. 171f.)
Verbunden mit dem Satz aus dem Ehrenkodex: »Fürchte
nie,
einen anderen in einer gerechten Sache zu verletzen«, könnte
man glatt das Gruseln lernen!
-32-
In der Arbeitswelt
Arbeit ist ein wesentliches Element für das aktive Mitglied: in
einer
→Org gibt es immer etwas zu tun, die Arbeitszeiten sind lang,
Arbeit führt zum Erfolg. Doch nicht jede Arbeit ist
erfolgsversprechend,
sondern nur die scientologisch organisierte.
Arbeit stellt für Scientologen auch im Berufsleben etwas
besonders
Wichtiges dar, das Wesentliche ist dabei die Kontrolle über alles
und jeden, wobei Kontrolle bei Scientology wörtlich zu nehmen ist,
im Sinne totalitärer Regime. Hubbard hat der Arbeit ein eigenes
Buch
gewidmet: »Die Probleme der Arbeit« (Kopenhagen 1973).
Scientology
hilft nach Hubbard »dem Arbeiter und dem leitenden Angestellten,
indem sie ihm zu erhöhter Leistung und zu grösseren
Fähigkeiten,
zur Herabsetzung seiner Müdigkeit und zur grösseren
Sicherheit
im Betrieb des Alltags verhilft:« (Die Probleme der Arbeit,
Einleitung).
Besonders stolz ist Scientology, das sie mit Hilfe ihrer
Managementberatung
in viele grosse Unternehmen eindringen konnte. Für die
Personalvermittlung
gibt es eine eigene Firma, die »U-Man international«.
Weitaus
bekannter sind die scientologischen Managementberatungsunternehmen, wie
etwa die Firma »Business Success«, die von Österreich
aus nach München expandiert. Sie bietet neben vielen anderen
Seminaren
»Das unglaubliche Verkaufssemiar« an. Die Kursunterlagen
der
Business Success enthalten den Vermerk »Copyright by L. Ron
Hubbard«.
Die Unternehmensberatung geht streng nach Hubbard vor
und gilt
bei seriösen Unternehmensberaters als völlig veraltet und dem
Denken der unmittelbares Nachkriegszeit verhaftet. So gilt die nahezu
ausschliessliche
Orientierung auf rein quantitative statistische Erfassung ist sinnlos.
Die Statistiken sind nach einem genau einzuhaltenden Schema zu
erstellen,
nicht einmal ein Abweichen im Format ist erlaubt. Die
Arbeitsabläufe
nach Hubbard sind stereotyp und unveränderlich:
-33-
Auf jedem Schreibtisch haben auf der linken Seite drei
Ablagekörbe,
Basketts genannt, zu stehen, für Eingang, Ausgang und zu
Bearbeitendes.
Wie in allen anderen Bereichen auch, gibt es ein ausführliches
innerbetriebliches
Berichtswesen.
Business Success präsentiert sich (im
üblichen
holprigen
Scientologen-Deutsch) 1994 in den »Europa News«, der
Monatszeitschrift
für WISE-Mitglieder, folgendermassen: »Business Success
in
Wien, Österreich, ist eine Consulting Gruppe, welche sich
spezialisiert
hat auf die Dissemination der LRH Verwaltungs Technologie durch
Verkaufs-Seminare,
Grundlagen für Führungskräfte-Seminare und
Kommunikations-Seminare.
In den letzten Jahren ist die Gruppe eine der am schnellsten
expandierenden
Consulting Gruppen in Europa geworden. Die Gruppe besteht aus 43
Mitarbeitern
und 12 Niederlassungen verstreut über Europa. Die Firma wird
geführt
von den zwei WISE Charter-Komitee-Mitgliedern Gerard Peissl und Franz
Wagner.
Die zwei haben zusammen ein sehr erfolgreiches Vorgehensmuster kreiert.
Der Hauptservice, den sie liefern, ist ein wildes, unkompliziertes
Verkaufs-Seminar.
In der Tat, dieses Seminar ist so berühmt geworden, dass es zu
Ihrem
Markenzeichen wurde. Das Ganze ist gegründet auf der LRH-Referenz
'The Perfect Dissemination Program'. Sie werben zu Verkäufern,
denn
diese haben die meisten Kommunikationslinien in die Geschäftswelt,
und so, durch deren Mund-zu-Mund-Werbung auf ihren
Kommunikationslinien,
kreieren sie eine riesige Nachfrage für diese Seminare« .[25]
Wie bei Scientology sind auch bei Business Success
die
Kurse gestaffelt, werden immer teurer und versprechen immer mehr
Erfolg.
Thema im Verkaufsseminar ist u. a. der Umgang mit unliebsamen
MitarbeiterInnen.
Die TeilnehmerInnen lernen, wie man andere gezielt überfordert,
von
Informationen fernhält und aus dem Betrieb ekelt. [26]
-34-
Pikant ist vor allem, dass das genannte Seminar von Business
Success
mit öffentlichen Geldern gefördert wurde: Ein Drittel der
Seminargebühren
musste von den teilnehmenden Betrieben bezahlt werden, ein weiteres
Drittel
kam vom österreichischen Arbeitsmarktservice und das letzte
Drittel
aus dem Projekt »Ziel 4« des Sozialfonds der
Europäischen
Union. [27]
Eine
solche Konstruktion
wäre in Deutschland höchstwahrscheinlich nicht möglich,
da die deutsche Öffentlichkeit Scientology gegenüber weitaus
kritischer ist.
Tatsächlich gibt es Leute, die davon überzeugt sind,
durch
das Seminar zu besseren Verkäufern geworden zu sein, und die sich
begeistert über das scientologische Verständnis von
»Ethik«
im Verkauf äussern.
De re publica
»Vielleicht werden in ferner Zukunft nur dem Nichtaberrierten
(→aberriert)
die Bürgerrechte verliehen. Vielleicht ist das Ziel irgendwann in
der Zukunft erreicht, wenn nur der Nichtaberrierte die
Staatsbürgerschaft
erlangen und davon profitieren kann. Dies sind erstrebenswerte
Ziele«
(Dianetik, S. 487). »Eines Tages wird es vielleicht ein viel
vernünftigeres
Gesetz geben, das nur Nichtaberrierten erlaubt, zu heiraten und Kinder
in die Welt zu setzen.« (ebd. S. 378)
Was ist das für ein Staat, der da eine neue Art von
Klassengesellschaft
etablieren will? Kann man erraten wie jener Scientology-Staat aussehen
könnte, der dieses »erstrebenswerte Ziel« darstellt?
Eines lässt sich mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit
behaupten: Es wird keine Demokratie sein, wie sie uns vertraut und in
der
westlichen Welt bewährt ist. Denn diese ist für Hubbard nicht
schützenswertes Rechtsgut, sondern ständiges Ärgernis.
-35-
»Eine gänzlich demokratische Organisation hat in
→Dianetics
und Scientology einen schlechten Ruf« (→HCOPl 2 Nov 1970),
schliesslich kann Hubbard »nicht sehen, dass populäre
Massnahmen,
Selbstverleugnung und Demokratie etwas anderes für den Menschen
gebracht
haben als ihn tiefer in den Schlamm zu stossen. (...) Demokratie
brachte
uns Inflation und die Einkommenssteuern.« (→HCOPl
7 Feb 1965) »Demokraten hassen Intelligenz und Fähigkeit.
Geraten
sie nicht in diesen Trott.« (→HCOPl 2. 11.)
Demokratie geniesst also keinen besonders guten Ruf in
Scientology;
dafür werden in diesem Gemeinwesen wohl wieder Mittel eingesetzt
werden,
von denen wir gehofft haben, sie wären tief in der Mottenkiste der
Geschichte vergraben: die Organisation der
»Scientology-Kirche«
lässt es erahnen: dort gibt es nämlich ein
ausgeklügeltes
Berichtswesen. Die ersten Erfahrungen, die ein Neuling damit macht,
sind
noch durchaus positiv (wenn auch möglicherweise in der
Intensität
befremdlich): Schon ab dem ersten Kurs wird er immer wieder dazu
ermuntert
(bzw. angehalten), alles aufzuschreiben, was man an Tollem und Neuem
erkannt,
erlernt oder erfahren hat. Diese Berichte werden im Akt des
Betreffenden
gesammelt. Ebenso wie jene Berichte, in denen vermerkt wird, wenn er in
den Verdacht gerät, sich irgendwann nicht ganz an die internen
Richtlinien
gehalten zu haben. Jeder Scientologe ist verpflichtet, wenn er etwas
entdeckt,
das nicht so ist, wie es sein sollte, der zuständigen Instanz
einen
entsprechenden schriftlichen Bericht zukommen zu lassen. Diese muss
dann
die den Richtlinien entsprechenden Konsequenzen ziehen. (vgl.
Zeitschrift
International Scientology News 11/1999)
Und daran, dass Scientology tatsächlich auch politische
Herrschaft
anstrebt, daran dürfte kein Zweifel bestehen: »[....]
unsere
Zentrale Organisation wird dann einen Polit-Offizier haben
-36-
und wenn Ihr dann die Umgebung gesäubert habt, ist der
einzige
Zweck Eures Zentrums, ein politisches Zentrum zu sein und dann seid ihr
die Regierung und keiner kann das bestreiten.« heisst es auf
einer
Originalkassette mit Vorträgen Hubbards zum Thema »Creating
A New Civilization« (zitiert nach der Scientology-Broschüre
des bayrischen Innenministeriums).
»Der Grund, weshalb eine Demokratie [...] zusammenbricht
liegt
darin, dass sie die Vorrechte der Mitgliedschaft auch denjenigen
gewährt,
die versuchen, sie zu zerstören.« (→HCOPl 17.3.1965)
Ist es weit hergeholt, wenn man angesichts dieser Aussage
Scientology
unterstellt, die Rechte, die jeder Bürger und jede Gruppierung in
unserer Gesellschaft (noch) hat, zu nützen, diese Gesellschaft zu
zerstören? In Verbindung mit der Tatsache, dass Scientologen schon
in der kritischen Auseinandersetzung mit ihren Überzeugungen einen
Eingriff in das Recht auf Religionsfreiheit sehen (vgl. den Versuch,
Deutschland
wegen Diskriminierung religiöser Minderheiten zu diskreditieren),
allerdings selbst jemandem, der Mitleid mit anderen hat, das
Lebensrecht
abspricht (vgl. S. 32) ergibt sich wohl ein eindeutiges Bild.
Fast selbstverständlich erscheint es nun schon, dass sich
Scientologen
dem Gemeinwesen, in dem sie derzeit leben, selbst nicht verpflichtet
fühlen:
»Scientology ist für ein freies Volk und ist zu diesem
Zeitpunkt
selbsterklärt frei von jeder politischen Verbindung oder
Verpflichtung
welcher Art auch immer. « (→HCOPl 10 Jan 1968)
Der scientologische Staat wird also nach unserem
Verständnis
wohl
kaum ein demokratischer sein; er wird auch diejenigen nicht durch ein
»soziales
Netz« auffangen, die nicht (mehr) für sich selbst sorgen
können.
Wenn die Scientology »ihren eigenen Zielen treu
bleibt« [28],
wird sie wohl auch grundlegende Menschenrechte missachten:
-37-
»Die Schriften der SO deuten auf eine von ihr
angestrebte
Rechtlosigkeit
von Personen, die vom scientologischen Menschen- und Gesellschaftsbild
abweichen. Es kann dahinstehen, ob damit 'Straftäter',
→'Aberrierte'
oder beide Personengruppen gemeint sind. In der Absolutheit, mit der
den
'Aberrierten' in den zitierten Textstellen ihre Rechte abgesprochen
werden,
sind die formulierten Ziele mit Art. 1 Abs.1 und Art. 3 Abs.1 GG
unvereinbar.
Nach diesem Menschen- und Gesellschaftsbild werden dem einzelnen seine
Menschenwürde und seine Menschenrechte genommen. In einer
scientologischen
Staats- und Gesellschaftsordnung wäre daher kein selbstbestimmtes
Leben mehr möglich; die demokratischen Freiheitsrechte hätten
keine Geltung mehr«, heisst es in der oben genannten
Broschüre
des bayrischen Innenministeriums. "Scientology
- eine verfassungsfeindliche Bestrebung".
Überhaupt würde wohl das ganze Rechtssystem eine
gravierende
Umgestaltung erfahren, da Scientology »glaubt, dass ehrliche
Menschen
Rechte haben und dass unredliche Menschen eben durch diese
Unredlichkeit
ihre Rechte eingebüsst haben.« (u.a. →HCOPl 15. 10.
85 zitiert nach der Münchner Broschüre) - Abgesehen vom
Grundsätzlichen
sind diese Rechte bekanntlich gerade dann besonders wichtig, wenn noch
gar nicht feststeht, ob ein Mensch zu den Redlichen oder Unredlichen
gehört!
Und auch Verbrecher sind nicht gleich Verbrecher: Bei
Scientology
zählt
zu »Verbrechen« z. B. »Anstiftung zum Ungehorsam;
sich
zu weigern, von der SO verhängte Strafen zu akzeptieren;
Materialien
oder Richtlinien der Scientology lächerlich zu machen oder sie
Verachtung
und Hohn preiszugeben«. Zu den Schwerverbrechen gehört
»sich
öffentlich von der Scientology abzukehren« oder »vor
staatlichen
oder öffentlichen Untersuchungen der Scientology feindlich Zeugnis
abzugeben.« (vgl. Einführung in die Ethik der Scientology S.
195 ff.)
-38-
Taten, die bei uns als Schwerverbrechen gelten, sind für
Scientologen
offenbar nicht so schlimm: »Das ist es, was produzierende
Mitarbeiter
mit hoher Statistik sind (...). Mit einem Mord kommen die ungestraft
davon,
ohne dass die Ethikabteilung mit der Wimper zuckt.« (→HCOPl
25.5.1982)
Unter diesen Umständen klingt es fast schon wie eine
Drohung,
wenn
betont wird, dass die Gesellschaft »überschwemmt«
werden
und das Scientology-eigene Rechtssystem angewandt werden soll. [29]
Wie sehr Scientologen angehalten werden, die bestehende
Rechtsordnung
zu achten, geht aus folgendem wohl klar hervor: »Reagieren Sie
nicht
auf Scientology-Recht, als wäre es Wog-Gesetz. Wog-Gerichte sind
wie
ein Würfelspiel ...« (→HCOPL 27 March 1965)
Dieses Berichtssystem wird unterstützt durch immer
wiederkehrende
»Sicherheitsüberprüfungen«; immer wieder muss ein
Scientologe am →E-Meter bestätigen, kein Journalist und kein
Geheimagent zu sein; er muss über sich und ihm nahe stehende
Personen
Auskunft geben usw.
Sogar für Kinder gibt es diesen Check schon, bei dem u.a.
gefragt
wird: »Was hat Dir jemand verboten zu erzählen?« oder
»Hast Du jemals an Deinem Körper etwas gemacht, das Du nicht
hättest tun sollen?«
Es gäbe noch vieles zu sagen, aber wir verlassen jetzt
die
Utopie
eines Scientologystaates. Was hier und heute geschieht, ist interessant
genug!
-39-
Anmerkungen
[1]
Titel eines
»Repräsentationsbandes«
der Scientology Organisation.
[2]
»Scientology
ist
eine
praktische Religion für alle Bekenntnisse und erfordert keinen
Glauben
(Hervorhebung durch den Verfasser) an irgendjemanden, bis sie
irgendetwas
gefunden haben, an das sie glauben können.« (Technical
Bulletins
Bd. II s.266 =PAB 16.9.55)
[3]
Dass die
Lehrmeinung
von Scientology
– »aller vordergründigen Beliebigkeit zum Trotz« –
z.B.
mit christlichen Werten keineswegs vereinbar ist, kann hier leider
nicht
im Detail ausgeführt werden; aber wer das Buch genau liest, kann
sich
auch darüber sicher eine fundierte Meinung bilden!
[4]
»Das
Reinigungs-Programm
umfasst Saunabesuche zum Schwitzen, die die Befreiung des Individuums
von
den schädlichen Auswirkungen von Drogen- und
Chemikalienrückständen
unterstützen sollen.«
[5]
»Dianetics
is
a
science;
as such, it has no opinion about religion, [emphasis by
author]
for sciences are based on natural laws, not on opinions.«
(Technical
Bulletins Band I, S.38)
[6]
»... jetzt
hat
L. Ron
Hubbard in seinen Forschungen nicht nur bewiesen, dass
Einstein
recht hat mit dieser Aussage (Wir nutzen nur 10% unseres geistigen
Potentials),
sondern, viel wichtiger, hat er in seinem Buch »DIANETIK: Die
moderne
Wissenschaft der geistigen Gesundheit« gezeigt, wie man diese
schlafenden
90% erschliessen kann. ... Finden Sie für sich heraus, wie die
Anwendung
der DIANETIK-Technologie(!) Intelligenz erhöhen kann.«
[7]
»Scientology
ist
ein Zweig der Psychologie, die sich mit menschlichen Fähigkeiten
befasst«
(Tecnical Bulletins Bd. II s.405 = PAB vom 1.5.56)
»Scientology ist die Wissenschaft vom Wissen. Scientology
ist die Wissenschaft von der Kenntnis der Wissenschaften.«
(Scientology
8 - 8008, S. 11)
[8]
vgl dazu auch.
»Die
Funktionsfähigkeit der Scientology erhalten« (→HCOPl
7. 2. 1965) und »Zum Schutz der Technologie« (14. 2. 1965)
[9]
In der Welt der
Scientologen
gibt es eine ganze Reihe von Skalen und Stufenleitern; eine davon sind
die sogenannten Ethik-Zustände, die von »Verwirrung«
bis
»Macht« reichen. Einige Details dazu siehe S.32
[10]
»Dianetics
richtet
sich an den Körper. Dn wird daher verwendet, um Krankheiten,
unerwünschten
Empfindungen, Missemotionen, Somatiken, Schmerz usw. ein Ende zu setzen
und sie zum Verschwinden zu bringen.« (Fachwortsammlung S. 20)
[11]
»Was?
Heisst
das,
dass wir die Geisteskrankheit selbst geknackt haben? Genau das....SP.
Dies
ist die Vielzahl an Arten von Geisteskrankheiten der Psychiatrie des
19.
Jahrhunderts, alle in einer: Schizophrenie, Paranoia - die ganze Latte
phantastischer Namen. Nur einen anderen Typ gibt es noch - die Person,
die der unterdrückerischen Person in die Hände geraten ist.
Dies
ist der »manisch-depressive Typ, ...« (→HCOPl 5.4.65)
-40-
[12]
Auditorenkodex:
»Ich
verspreche mit dem PC kein Mitgefühl zu haben«; I promise to
run evry major case action to a floating needle. (eine bestimmte
E-Meteranzeige)
[13]
Der
häufigste
Einstiegskurs,
bei dem die »Zuversicht« gelehrt wird, »dass einem
Fragen
gestellt werden können und man in der Lage ist, sie nicht zu
beantworten,
während man sie scheinbar zu jedermanns Zufriedenheit
beantwortet.«
(L. Ron Hubbard, Der Kurs Erfolg durch Kommunikation, Kopenhagen 1988,
S. 56)
[14]
Die
Vitamindosen
sollen
schrittweise im Lauf der Kur auf diese tägliche Maximaldosis
erhöht
werden: Vitamin A bis 50000 internationale Einheiten, D bis 2000
internationale Einheiten, Vitamin C 5 - 6 g, Vitamin E bis 2400
internationale
Einheiten, Vitamin B1 800 - 1300 mg, Niacin 3500 - 5000 mg (→HCOB
14. 2. 80, S.4)
Vgl.dazu: Vitamindosis: Empfohlene Tagesdosis in mg (wenn nicht anders
angegeben) für Erwachsene (entnommen aus Pschyrembel (Klinisches
Wörterbuch)
257. Ausgabe de Gruyter Seite: 1643): Vitamin A 5000 - 8000
IE
(Internationale Einheiten), D 00,1, E 30, B1 1,5, B2 1,6 - 2, BP
Nicotinsäure 18 - 20, C 40 - 60.
[15]
»So, if a
person
can turn on skin cancer with this and if that should happen if niacin
is
continued, the skin cancer has run out completely. Other things that
may
turn on are hives, flu-symptoms, gastroenteritis, aching bones, upset
stomach
or a fearful or terrified condition. There seems to be no limit to the
variety of phenomena that may occur with niacin. ... The two vital and
proven facts here are: When the niacin was carried on until these
things
discharged they did run out, as they will do ... it is a matter of
record
that what turns on will turn it off where niacin is concerned.«
Wichtig
sei nur, dass auch die übrigen Vitamine proportional erhöht
werden,
so entstünden keine Mangelsymptome (→HCOB 6.2.78, rev. 24.4.83,
re-issued 31.7.85, S. 14).
[16]
Ein anderes
Beispiel dafür:
»Der einzige Grund, warum jemand ein Studium aufgibt oder
lernunfähig
wird, liegt darin, dass er über ein unverstandenes Wort
hinweggegangen
ist.« (Dianetik S.6) »Es ist immer ein unverstandenes Wort,
nie ein Konzept oder Idee (das einen Text nicht verstehen
lässt)«
(→HCOB 4.9.71 R, Übers.H.K.).
[17]
vgl Dianetik S.
92
[18]
Glaubensbekenntnis:
Psychosomatik
[19]
Fachwortsammlung
für
Dianetics und Scientology
[20]
»Der
Zweck
von Ethik
ist: Gegenabsichten aus der Umwelt zu entfernen. Nachdem das erreicht
worden
ist, Fremdabsichten aus der Umwelt zu entfernen. Gegenabsicht:
Entschlossenheit,
ein Ziel zu verfolgen, das im Widerspruch zu den Gruppenzielen steht.
Fremdabsicht:
Geisteszustand, in dem man andere als die Gruppenziele verfolgen
will.«
(→HCOPl 18.6.68)
-41-
[21]
»Führe,
ungeachtet
einer persönlichen Gefahr, einen effektiven Schlag gegen die
Feinde
der Gruppe aus, ...« (dabei könne es schon geschehen, dass
diese
mit dem Kopf aufs Pflaster knallen oder als
Geburtstagsüberraschung
das Wochenendhaus in Flammen aufgeht) (→HCOPl 6.10.67)
Eine Person, die in den Ethik-Zustand »Feind«
zurückgestuft
worden ist, gilt als vogelfrei: man darf ihr Eigentum abnehmen, sie in
jeder Weise verletzen, ohne dass man von einem Scientologen bestraft
wird.
Man darf ihr Streiche spielen, sie verklagen, sie belügen oder
vernichten.
(→HCOPl 23.10.67)
»Falls wir von irgend jemandem oder irgend etwas oder irgend
einer Organisation an einem verwundbaren Punkt angegriffen werden, dann
finden Sie genügend Drohmaterial gegen sie oder fabrizieren sie
es,
um sie zu veranlassen, um Frieden zu bitten. Frieden wird durch einen
Austausch
von Vorteilen gekauft, produzieren Sie also einen Vorteil, und erzielen
Sie dann eine Einigung. Verteidigen Sie sich niemals. Greifen Sie immer
an. Unternehmen Sie nie Nichts. Unerwartete Angriffe in den Rücken
des Feindes funktionieren am besten.« (Hubbard-Aufsatz vom 15.
August
1960)
[22]
»Betrachten
Sie also
jemanden mit stetig niedrigen oder sinkenden Statistiken nicht einmal
als
Teil des Teams.« (→HCOPl 6.3.66)
Es gilt auch als verwerflich ...” die Gründe für niedrige
Statistiken zu erklären, statt für höhere zu sorgen; -
es
kann keinen zu akzeptierenden Grund geben!« (Hervorhebung
durch den Verfasser; natürlich auch nicht Krankheit, Alter, ...!)
(→HCOPl 7.12.69)
[23]
»Eine
Person
mit
schlechter oder niedriger Statistik an ihrem Posten hat immer einen
Overt
(= Verbrechen oder Vergehen) von der einen oder anderen Art
begangen.«
(→HCO-Pl 30.7.70)
[24]
Natürlich
bezieht
sich Hubbard hier auf das amerikanische Sozialsystem, das nicht nach
dem
Versicherungsprinzip organisiert ist – aber trotzdem!
[25]
Europa News.
Die
monatliche
Zeitung für WISE Mitglieder (15.11.94)
[26]
Originalmitschrift
liegt
vor
[27]
Falter 44
(1997)
[28]
Ehrenkodex
eines
Scientologen
[29]
»Wenn wir
über
einen erstklassigen Gesetzeskodex und ein Rechtssystem verfügen,
die
den Menschen echte Gerechtigkeit bringen, werden wir die Gesellschaft
schnell
überschwemmen, und jeder wird gewinnen. Wo wir versagen, unsere
eigene
Administration, Technologie und unser eigenes Rechtssystem auf die
Gesellschaft
um uns herum anzuwenden (geschweige denn auf Scientology), werden wir
versagen.«
(→HCOPl 25.5.1982)
-42-
Meine Ehe mit einem Scientologen
Warum ich dieses Buch geschrieben
habe
Es gab viele Gründe, dieses Buch zu schreiben - und doch
eigentlich
nur einen: Scientology. Die Erlebnisse meiner fast vierjährigen
Ehe,
mein Zusammenlebens mit einem Scientologen, das Einwirken von
Scientology
auf mein Leben, das Wissen um die Machenschaften, um das
totalitäre
Gedankengut und auch um das absolute Machstreben dieser
undemokratischen
Vereinigung, die sich so gern als Kirche ausgibt, haben mich bewogen,
einen
unbequemen und schwierigen Weg zu gehen, den Weg an die
Öffentlichkeit.
Dies ist mein Erfahrungsbericht über Scientology, dies
ist der
Bericht über all das Leid, das Scientology mir verursachte.
Am Montag, den 12.4.1999 wurde ich nicht von meinem Mann
geschieden,
ich wurde von der Scientology-Sekte geschieden. Die Ehe von Ilse und
Pascal*
wurde von Scientology und ihren Handlangern zerstört.
Ich habe aus Liebe geheiratet und ich hatte den Traum von der
glücklichen
Ehe. Ich war bereit, für diesen Traum zu kämpfen. Doch dass
ich
ständig den Alptraum von Scientology als übermächtigen
Gegner
erleben würde, wusste ich zu diesem Zeitpunkt nicht, wollte ich
lange
nicht wahrhaben. Im Vertrauen auf die Kraft der Liebe und die
Zuversicht,
auf meinen starken Willen begann damals für mich ein Kampf von
ungeahnten
Dimensionen, den ich fast vier Jahre lang führte und bei dem von
allem
Anfang an feststand, dass ich der Verlierer sein würde. Heute habe
ich die traurige Gewissheit, dass eine Einzelperson nicht in der Lage
ist,
den Kampf gegen Scientology und ihre undemokratischen Spielregeln zu
gewinnen.
»Der Mensch als geistiges Wesen liebt Spiele«, so steht es
bei Hubbard geschrieben. Scientology sorgt dafür, dass in einem
solchen
Spiel Gewinner und Verlierer von Anfang an feststehen.
-43-
»Das Leben kann man am besten verstehen, wenn man es
mit
einem
Spiel vergleicht. Da wir bei vielen Spielen Aussenstehende sind,
können
wir diese sachlich und unparteiisch betrachten. [...] Trotz der
Vielzahl
an Leiden und Schmerzen, Elend, Kummer und Mühsal, die im Leben
vorhanden
sein können, ist der Sinn des Daseins derselbe wie bei einem Spiel
- nämlich: Interesse, Wettstreit, Aktivität und Besitz. Die
Wahrheit
dieser Behauptung wird dadurch nachgewiesen, dass man die Spielfaktoren
untersucht und sie anschliessend auf das Leben überträgt.«
(L. Ron Hubbard: Eine neue Sicht des Lebens, Kopenhagen 1979, S. 28)
Es wird Zeit, dass viele Menschen aufstehen und sich zu wehren
beginnen
und die, die sich bereits wehren, mit Kraft und Mut unterstützen.
Soll die Zukunft unserer Nachkommen so aussehen, dass nur noch
»angepasste«
Menschen das Sagen haben? Sollen wir zulassen, dass gegen die, die
nicht
so denken, wie Scientology es vorschreibt, rücksichtslos agiert
werden
kann? Sollen die nächsten Generationen mit Indoktrinationen
»glücklich«
gemacht werden dürfen? Sollen alle Werte, die Menschen heute noch
wichtig sind wie Freiheit, Demokratie, Liebe, Vertrauen, Freunde und
Familie
vom Tisch gewischt werden? Sollen unsere Kinder und Kindeskinder, wenn
sie nach diesen Begriffen suchen, in einem Lexikon nachschlagen
müssen,
weil sie ihnen keiner mehr erklären kann? Soll eine Generation von
ferngesteuerten Ignoranten diese Welt übernehmen? Sollen wir es
zulassen,
dass unser Leben und auch das Leben derer, die nach uns kommen, von
undemokratischen
Organisationen gesteuert wird, dass selbst die intimsten Momente
kontrolliert
werden?
Es liegt in unseren Händen, ein deutliches Nein zu sagen.
Ich
denke,
wir haben viel mehr Verantwortung unseren Kindern gegenüber, als
wir
uns vielleicht vorstellen können. Man muss mehr tun, als nur eine
besorgte Miene aufzusetzen.
-44-
Das Kennenlernen ist arrangiert
Der Beziehung begann zu einem Zeitpunkt, als ich schon nicht mehr daran
dachte, wieder einen Mann an meiner Seite zu haben- oder gar zu
heiraten.
Es war im Sommer 1995 - ich hatte soeben meinen Beruf als
Operationsschwester
nach insgesamt 16 Berufsjahren an den Nagel gehängt, mein letztes
Dienstverhältnis nach fünf Jahren gelöst, und war auf
der
Suche nach einer neuen sinnvollen Betätigung mit entsprechender
Entlohnung.
Ein Kollege empfahl mir Siegrid S. und sagte mir sie hätte eine
Art
Schwesternagentur [1]
Dort
könnte ich doch schauen, was es ausserhalb der Wände des
Operationssaales
noch interessantes gäbe. Sofort erkundigte ich mich, und nach
einem
Vorstellungstermin mit der Sekretärin und einigen Telefonaten, mit
Frau S. selbst, durch die wir herausfanden, dass wir alte Kolleginnen
waren
und uns vor fünfzehn Jahren schon getroffen hatten, bekam
ich
eine Stelle im Büro der Schwesternvermittlung als
Dispositionskraft.
Ich erstellte Dienstpläne für Krankenhäuser, die zuwenig
Stammpersonal hatten und mit Leasingpersonal der Agentur besetzt
wurden.
(Der Diplomschwesternpool Siegrid S. GMBH ging am 5.
Februar 2003 in Konkurs lt. Aktenzeichen 5 S 67/03t Handelsgericht
Wien)
Durch Frau S. - ab nun für mich wieder Siggy - lernte ich
ihre Nachbarin und beste Freundin Margit M. kennen. Die beiden Familien
wohnten und arbeiteten im selben Haus. Siggys Schwesternagentur war in
einem grossen Raum einer wunderschönen Altbauwohnung gemeinsam mit
Hannes M.s Grafikatelier untergebracht. Ein kleinerer Raum der Wohnung
war an ein Ehepaar vermietet, das tagsüber nie da war, nie kochte,
und auch nicht viele Sachen besass, was ganz komisch war, weil die
beiden
schon länger da wohnten. Jeden Morgen gegen neun Uhr verliessen
sie
zusammen das Atelier, beide in blauen Uniformen. Ich dachte zuerst,
dass
sie bei einer Wach-und Schliessgesellschaft arbeiten würden. Aber
hätten sie da nicht Nachtdienst?
-45-
Siggy erklärte mir, sie arbeiteten in der
Schottenfeldgasse in
einem Büro, wo man solche Kleidung tragen musste.
Erst viel später lernte ich die beiden in ihrer Funktion
als
Leiter
der Scientology-Org (→Org) in Wien kennen[2],
aber bis dahin sollte noch einige Zeit vergehen. Mir fiel nur immer
wieder
auf, dass diese Menschen eine eigene Art von Sprache zu haben schienen,
mit der sie sich sehr gut untereinander verstanden. Man schien
überhaupt
mit allen sehr gut befreundet zu sein.
Siggys Büropersonal durfte die Küche des Ateliers
mitbenutzen.
Jeder kannte jeden, man war stets freundlich und zuvorkommend
zueinander.
Wie von selbst ergab sich eine morgendliche Frühstücksrunde,
bei auch so manche persönliche Angelegenheit diskutiert
wurde.
Ich war damals immer wieder aufs neue erstaunt, wie einfach hier
Lösungen
für jedes einzelne Problem gefunden wurden.
Margit betrieb eine Art Schlankheitstudio, von dem ich
später
mehr
kennenlernen sollte. Alle meine neuen Bekannten waren mir sehr
sympathisch.
Hannes arbeitete unter anderem für die Post - er gestaltete
Briefmarken
und Telefonwertkarten - und für den Tiergarten
Schönbrunn,
wo ich später einmal seine Bilder hängen sah. Bald erfuhr
ich,
dass Margit sehr gern Leute verkuppelt und diese Beziehungen angeblich
auch funktionierten. Bei einer solchen Aktion half ich mit, einen mir
gut
bekannten Arzt einer Künstlerin, einer alte Bekannten Margits,
vorzustellen
und näher zu bringen. Diese Bekannte war natürlich eine
Scientologin,
was ich damals noch nicht wusste.
Ich arbeitete den ganzen Sommer hindurch in Siggys Büro.
In
dieser
Zeit endete die Beziehung zu meinem langjährigen Freund Herbert*
in
Linz. Darüber war ich sehr traurig, obwohl ich dieses Ende auch
wollte.
Siggy und Margit wollten mich immer wieder aufheitern und ablenken -
und
sie suchten ohne mein Wissen einen Mann für mich. Eine dieser
Bemühungen,
mich auf andere Gedanken zu bringen,
-46-
war ein Ausflug an die neue Donau. Mit Siggy, ihrem Mann
Günther
und dessen Bruder Fritz war ich schwimmen und Eis essen, weil
Günther
S. mit seinem neuen Auto eine Spazierfahrt machen wollte. Wir hatten
einen
recht gemütlichen Nachmittag.
Mein Badezimmer war renovierungsbedürftig, stellte Margit
bei
einem
Besuch fest. Kurze Zeit später rief ein Mann mit einer
sympathischen
Stimme an und sagte, er wolle mein Badezimmer besichtigen und
renovieren.
Als ich ihn fragte woher er von meinem desolaten Bad wisse, sagte er,
Margit
habe ihm das gesagt, sie sei eine gute Freundin von ihm. Nach vier
Wochen
und mehreren Telefonaten hatten wir einen Besichtigungstermin für
den 9. August ausgemacht. Um 19 Uhr stand er vor meiner Tür, ein
sympathischer,
gut aussehender, junger Mann mit einem strahlenden Lächeln im
Gesicht.
Er besichtigte mein Badezimmer, nannte mir dann einen viel zu hohen
Preis.
Ich sagte ihm, er könne das Badezimmer erst später
renovieren,
denn derzeit könne ich es mir finanziell nicht leisten. Ich hatte
mein Urlaubsgeld in eine New-York-Reise mit meinem Sohn
investiert, in
zehn Tagen sollten wir fliegen. Das war sein Stichwort, er
erzählte
mir sofort, dass er auch schon in den USA war, in Florida und in
Kalifornien.
Ein paar Augenblicke später hatten wir im Wohnzimmer eine Karte
der
USA auf dem Boden ausgebreitet und erzählten einander, wo wir
schon
überall waren. Ich verliebte mich auf der Stelle. Tags darauf
wurde
ich von Margit und Siggy für dieses tolle Erlebnis
→bestätigt.
Noch mehr, Margit erzählte mir von ihrer Ehe mit Hannes, dass sie
beide schon nach vier Wochen geheiratet hätten und die Ehe nun
schon
seit 16 Jahren bestehe. Sie sagte mir nun, dass sie dieses
Zusammentreffen
mit dem Pascal* arrangiert habe. Sie sei sicher, dass er mich sehr bald
fragen
werde, ob ich ihn heiraten will. Mir ging das doch zu schnell,
und
ich sprach mich gegen übereiltes Heiraten aus. In den
nächsten
Tage redeten mir die beiden Frauen meine Bedenken systematisch aus.
-47-
Ich war zu diesem Zeitpunkt unsterblich verliebt. Man
hätte mir
also sehr viel einreden können. Von Margit bekam ich ein Buch
über
Emotionen (→ Emotionsskala) von Ruth Minshull [3]
in die Hand gedrückt. Das solle ich doch lesen, empfahl sie mir
nachdrücklich.
Was ich bis zu diesem Zeitpunkt nicht wusste, war, dass alle
Personen
mit denen ich zu tun hatte, Scientologen waren. Pascal* sagte
erzählte
mir erst von Scientology, als wir uns besser kannten. Im ersten
Moment
musste ich über seine Geschichte lachen, vielleicht weil ich den
Namen
komisch fand. Ich hatte aber keine Vorstellung, was Scientologen
machten
und was Scientology wirklich war. Pascal* erklärte mir, es sei eine
Religion, die um Anerkennung in Österreich und anderen
europäischen
Staaten kämpfte. Die Scientology-Religion sei dem Buddhismus [4]
sehr ähnlich und man habe sich die Erkenntnisse aus dieser
Weltreligion
zu nutze gemacht und verbessert. Er erzählte total begeistert, mit
dieser Religion sei ihm erst bewusst geworden, was er als Mensch alles
machen könne, wie er sein Leben verbessern könnte und immer
weitere
Verbesserungen anstreben wollte. Dazu müsse man Kurse in der
Scientology-Kirche
machen - wow, dachte ich, wo habe ich bisher gelebt?
Ich fragte ihn, wann es Messen für die
Religionsmitglieder
gäbe?
Die Antworten waren ausweichend: Der Glaube sei nicht gottbezogen. Ja,
es gäbe Andachten, am Sonntag, hin und wieder, wenn genug Leute
zusammenkommen.
An dieser Stelle hörte ich den Vergleich mit dem Buddhismus, der
auch
keinen Gott habe - dabei dachte ich noch, dass es sich eben um eine
ganz
besonders spirituelle Form der Religion handelt.
»Leben ist eine Ursache, die auf das physikalische
Universum
einwirkt, welches eine Wirkung ist. Es gibt jetzt erdrückenden
Beweis,
um dies zu belegen. Im physikalischen Universum gibt es kein wahres
Statik.
Von jedem scheinbaren Statik ist entdeckt
-48-
worden, das es Bewegung enthielt, aber das Lebensstatik ist
offenbar
ein echtes Statik.« (L. Ron Hubbard: Eine neue Sicht des
Lebens,
S. 128)
Mir ist nichts Aussergewöhnliches bei all den genannten
Personen
aufgefallen, sie waren immer heiter, hatten stets ein gewinnendes
Lächeln
auf den Lippen. Es würde schon alles gut gehen, wurde mir solange
eingeredet, bis ich es selbst dachte. Alle waren immer gut drauf und
auf
den Erfolg ihrer kleinen Unternehmen bedacht. Ein Wort wurde dabei
immer
wieder erwähnt: produzieren, produzieren und noch einmal
produzieren.
Auf wöchentliche Statistiken und wöchentliche Abrechnungen
wurde
grosser Wert gelegt. So korrekt auch mit diesen Dingen umgegangen
wurde,
so sehr wurden die Beschwerden der Krankenschwestern über das
Ausbleiben
der monatlichen Zahlungen missachtet. Etwa jeder dritte Anruf im
Schwesternbüro
war eine Beschwerde über fehlende Zahlungen, manchmal hatten die
Krankenschwestern
schon mehrere Monate auf ihr Geld gewartet. Viele wollten deshalb nicht
mehr für das Unternehmen arbeiten, und es kostete mich viel Zeit
und
Energie, sie wieder zu Pflegediensten zu überreden. Das brachte
mir
den Vorwurf ein, ich telefoniere zu lange und zu unkonkret mit den
Schwestern.
Aber hauptsächlich war ich verliebt, deshalb störten mich
diese
Dinge wenig.
Tatsächlich machte Pascal* mir bald einen Heiratsantrag.
Siggy
und
Margit gratulierten.
Wir heiraten scientologisch
Am 14. Oktober 1995 heirateten wir im Schloss
Gloggnitz nach scientologischen Ritus. Margit, als
Scientology-Geistliche
traute uns. Für mich war es ein wunderschöner
Augenblick,
der mir viel Kraft und Mut gab. Heute wirft Pascal* mir vor, diese
Trauung
nach Art von Scientology in Eigenregie bestellt zu haben, aber das
stimmt
nicht.
-49-
Margit arrangierte die Trauung natürlich mit seinem
Einverständnis
und erklärte mir, ich würde meinem zukünftigen Mann
damit
eine Freude machen. Welche verliebte Frau will denn das nicht?
Pascal* fand in meiner Familie, ebenso wie ich in seiner
Familie,
herzliche
Aufnahme. Mein Schwager fand Pascal* sofort sehr sympathisch und
freundete
sich mit ihm an. Meiner Familie erzählte ich von Scientology erst,
nachdem die Scheidung beschlossene Sache war, also im Oktober 1998.
Meine
Mutter ist immer noch schockiert und fürchtet, Scientology
könnte
mir etwas antun. Bedenken von Pascals* Eltern, die sie mir noch vor
unserer
Hochzeit mitteilten, versuchte ich mit meinem Optimismus zu
entkräften.
Ich sagte ihnen damals, dass ich an die Kraft der Liebe glaube und wenn
der Pascal* einmal die Geborgenheit einer Beziehung und eines
schönen
Zuhause kennengelernt habe, würde er keinen Gedanken mehr an diese
Bekenntnisgemeinschaft verschwenden. Wie sehr ich mich damals
getäuscht
und überschätzt hatte, wurde mir erst viel später klar,
manches erst nach der Scheidung.
Ich möchte hier festhalten, dass ich bis zum Zeitpunkt
meiner
Heirat
mit Pascal* der Überzeugung war, bei Scientology handelt es sich um
eine religiöse Bekenntnisgemeinschaft, die um ihre Anerkennung in
Österreich kämpft. Heute werfe ich mir vor, dass ich mir in
meiner
Verliebtheit keine Informationen über diese Sekte besorgt habe.
Gleich nach der Eheschliessung zog ich zu Pascal* in seine
kleine
Wohnung,
in der er auch sein Büro untergebracht hatte. Ich hatte den Traum,
meinem Ehemann ein kleines Paradies aufzubauen. In seinem
Junggesellenhaushalt
mangelte es an vielem. Systematisch richtete ich einen funktionierenden
Haushalt ein. Mit dem Geld, das wir als Hochzeitsgeschenk bekommen
hatten,
kaufte ich Waschmaschine, Geschirrspüler und Bügeleisen.
Meine
kleinen Geldreserven investierte ich in Bettwäsche und
Tischgeschirr,
-50-
denn er besass nur angeschlagene Kaffeetassen. Viele
Kleinigkeiten
fehlten
in seinem Haushalt. Aber er hatte dafür kein Geld - ich wusste ja
von seinen finanziellen Schwierigkeiten, die er aber bald →handhaben
würde.
Etwa eine Woche vor der Heirat erklärte mir Pascal*, er
habe
Schulden,
hauptsächlich durch die Firmengründung. Er wolle einen
Managementkurs
machen, um mit diesen Situationen besser zurechtzukommen, vor allem um
die Kredite zurückzahlen zu können, die nicht allzu hoch
seien.
Das Ausmass dieser Schulden erfuhr ich erst Wochen nach unserer Heirat.
Ich glaube, das Gesamtausmass seiner Verschuldung ist mir bis heute
nicht
bekannt. Für diesen Kurs brauche er 170.000 Schilling (12.350
Euro).
Ich fand diese Summe utopisch und überdimensioniert und
äusserte
meine Bedenken. Er wurde darüber ärgerlich und erklärte
mir, durch den Kurs käme er aus seinen Schulden heraus, denn nur
dort
würde er lernen, sein kleines Unternehmen mit seiner finanziellen
Problematik →handzuhaben. Ich erinnere mich deshalb so genau an
dieses Wort, weil ich es niemals zuvor gehört hatte. Irgendwie
fand
ich diese Aussage logisch, weil ja auch eine verbesserte finanzielle
Situation
für unsere junge Ehe nur gut sein könnte, hatte aber
innerlich
noch immer Vorbehalte. Schliesslich kam er auf den Kern der Sache und
sagte,
er brauche einen guten, unverschuldeten Bürgen für die
170.000
Schilling, die er nur durch einen neuerlichen Kredit [5]
finanzieren konnte. Er fragte mich, ob ich für ihn bürgen
würde,
was ich schliesslich tat, wenn auch mit einem sehr mulmigen Gefühl
im Bauch. Heute behauptet er, ich hätte ihm von selbst angeboten
zu
bürgen, um von ihm geheiratet zu werden. Was für ein Unsinn,
wenn er die Heirat von der Bürgschaft abhängig gemacht
hätte,
hätte ich sicher trotz meiner Verliebtheit umzudenken begonnen. Er
behauptet zusätzlich, dass ich ihm angeboten habe, einen Teil aus
meiner angeblich schon erhaltenen Erbschaft in sein Unternehmen zu
investieren.
Auch das stimmt nicht.
-51-
Zusammen leben und zusammen
arbeiten
Am Anfang unserer Ehe war ich einfach glücklich. Mein Mann war
intelligent
und sympathisch und sah dazu noch gut aus, auf den ersten Blick ein
Traummann.
Doch mit der Zeit entstand bei mir der Eindruck, es wurde ihm
systematisch
abgewöhnt, wie ein Mensch zu denken und zu fühlen. Statt
dessen
lebt er mehr und mehr in einer künstlichen Welt, einem
Wahngebilde,
aus dem es kein Entkommen gibt.
Dabei könnte er ein ganz normaler gesunder und
glücklicher
Mann sein. Doch er nimmt vieles, was Scientology ihm vorgibt, kritiklos
hin. Denn Kritik ist bei Scientology absolut verboten und wird bereits
im Keim erstickt. Gelingt das nicht, wird kritisches Verhalten rigoros
bestraft. Das Verbrechen, kritische Äusserungen gegenüber dem
System und der Organisation zu machen, kann Strafauditing (→ Auditing),
Strafarbeit oder sogar den Aufenthalt in einem Straflager nach sich
ziehen
- so will es die Scientology-interne Gerichtsbarkeit. Doch woher
hätte
ich das damals wissen sollen? Selbst langjährige Scientologen
wissen
oft nichts von diesen Dingen.
Sein Denken und seine Art, auf Dinge des Alltags zu reagieren,
wurden
- so stelle ich mir das vor - immer mehr zur Flucht in labyrinthartige
Gedankengebäude, aus denen er nicht mehr heraus findet.
In manchen seltenen und für mich sehr glücklichen
Momenten
konnte ich spüren, welch kreativer und liebevoller Mensch sich
unter
diesem Panzer befindet, den ihm Scientology übergestülpt hat.
Zu lange schon hat er sein gesamtes Gedankengut dieser Doktrin
unterworfen,
zu lange schon hat man ihm gesagt, seine →Postulate seien für
die Zukunft; →Gegenabsichten seien aus der Umwelt zu entfernen,
um die Verbreitung von Scientology auf allen Linien sicherzustellen.
-52-
Ganz egal, ob es sich dabei um die engsten
Familienangehörigen
oder um frühere Freunde handelt, die es →handzuhaben gilt.
Seine einstigen Freunde waren es auch, die mir recht bald nach
unserer
Hochzeit Dinge über Pascal* erzählten, die ich gar nicht
glauben
wollte und konnte. Es waren die reinsten Horrorgeschichten, die ich zu
hören bekam. Ich sah in diesen in diesen Geschichten entweder
Unsinn
oder bösen Klatsch. Ich glaubte, dass Pascal* recht seltsame
Ex-Freunde
hatte und es Gründe dafür gebe, dass er die Freundschaft mit
ihnen beendet hatte. Er selbst sprach, wenn überhaupt, immer nur
von
seinen Ex-Freunden. Seine frühere Partnerin hatte mit ihm ebenso
Schwierigkeiten
bekommen wie seine Eltern, was ich damals natürlich weder wusste
und
noch geglaubt hätte
Seine Mutter leidet sehr darunter, dass ihr Sohn in einer
»Sekte«
ist. Sie hat aber schon früh eingesehen, dass sie ihren Sohn an
etwas
verloren hat, was ihr fremd und unverständlich ist. Manchmal
bäumte
sie sich kurz dagegen auf, das waren die Momente, in denen wir uns
gegenseitig
Mut machten, ich war ja nicht so schnell zum aufgeben bereit. Ein
anderer
und doch mit Scientology zusammenhängender Grund für die
Zerwürfnisse
zwischen Pascal* und seinen Eltern war Z. Diesen lernte Pascal* schon
kennen,
als er die HTL (höhere technische Lehranstalt) in Mödling
besuchte.
Die beiden fuhren täglich die selbe Strecke mit dem Zug. Z. war
damals
siebzehn und verkaufte schon »Sekten-Bibeln« [6]
ebenso wie sein Vater. Das ganze Piestingtal wusste darüber
Bescheid,
erzählte meine Schwiegermutter.
Von seinem →Auditing in München (was in München
auditiert
wurde, welches Problem so teuer sein konnte, erfuhr ich nie), das
80.000
Schilling (5.810 Euro) gekostet und nur ein Wochenende lang gedauert
hatte,
erfuhr ich ebenso wie von seinen Problemen mit seiner früheren →2.
Dynamik, Karin*.
-53-
Die 2. Dynamik ist nach Hubbard die Partnerbeziehung. Wie
für
alles
im Leben, gibt es auch für Beziehungen scientologische
Skalen
und Begriffe. Von den seine Verhältnisse übersteigenden
Ausgaben
für einen Aufenthalt in der Sea-Org [7]
in Clearwater im US-Bundesstaat Florida hörte ich zuerst nur
ungläubig.
Man hat ihn dort gar nicht zu Kursen zugelassen, weil er
angeblich
einen
Selbstmordversuch hinter sich hatte. Davon ist mir nichts bekannt, es
kann
allerdings sein, dass er nach scientologischer Logik diesen
Selbstmordversuch
in einem früheren Leben unternommen haben soll. Ausserdem
hätte
er schuldenfrei sein müssen, um in der Sea-Org. bleiben zu
können.
Karin hatte es nicht mehr ausgehalten, dass er soviel Geld für
Scientology
ausgab, sich nicht für ihre erste Schwangerschaft interessiert
hatte
und sie mit einer Abtreibung allein liess.
Später bekam Karin einen Sohn, für den er Geld und
Interesse
nur sehr spärlich aufbrachte. Ich wollte anfangs gar nicht
zuhören,
denn das konnte nicht mein Mann sein, von dem mir da berichtet wurde.
Unser Hausherr fragte mich einmal, ob ich denn Pascals* Freund
Z.
sympathisch
fände. Damals sagte ich noch, dass er ein ganz toller, wirklich
sympathischer
Typ sei. Er meinte dazu nur, ich solle aufpassen und mein Bild von Z.
überdenken.
Bald fragten mich Pascals* Bekannte, ob ich eine Scientologin
sei. Sie
waren erstaunt, als ich verneinte und meinerseits fragte, wie sie denn
auf diese Idee kämen? Weil wir so schnell geheiratet hätten,
sagten sie, und weil seine frühere Beziehung mit einer
Nichtscientologin
wegen Scientology in die Brüche gegangen sei. Da lag der Schluss
nahe,
er hätte sich diesmal eine Scientologin als Partnerin
erwählt.
Tatsächlich hatten Margit und Siggy, aber auch andere meiner
scientologischen
Bekannten schon oft versucht, mich zu einem Beitritt zu überreden.
Aber ich wollte keine Scientologin werden.
-54-
Unsere Freunde liessen sich mit dieser Antwort beruhen, doch
warnten
sich mich, dass die Scientologen mit ihrer Werbung nicht aufhören
würden. Würde ich mich nicht für Scientology
entscheiden,
würde Pascal* mich genauso fallenlassen wie Karin, die mit ihrem
Baby
zu ihrer Mutter gezogen war, als sie den Druck und die Vorwürfe
nicht
mehr ertragen konnte. Florian* war damals sieben Wochen alt. Karin hat
mir erzählt, dass Z. und Urs U. (vgl.S. 78f) Pascal* in Briefen
aufgefordert
hätten, sich von ihr zu trennen. Einen solchen Scheidungsbefehl
auf
Z.s Firmenbriefpapier bekam er auch in meinem Fall. Ich habe dieses
Schriftstück
gut aufgehoben.
Pascal* erzählte mir auch, dass Z. einmal zu Karin fuhr,
als sie
im siebten Monat schwanger war, und sie eine dreiviertel Stunde lang
beschimpfte,
weil sie eine »dritte Partei« [8]
zwischen ihm und Pascal* sei. Er habe damals - wie später bei
mir - nichts unternommen, um seine schwangere Partnerin zu
schützen
oder zu verteidigen.
Als ich all das wusste, wollte ich meine ganze Kraft und Liebe
dazu
verwenden, meinen Mann von Scientology weg zu bringen. In den
stundenlangen
Gesprächen, die wir führten, entdeckte er immer nur
→Gegenabsichten.
Diese Diskussionen, die immer häufiger im Streit endeten, hatten
ein
zentrales Thema: Das Geld, das überall fehlte, weil er es zu
Scientology
trug. Ich sagte ihm, dass er dieses Geld sinnvollerweise für
seinen
Sohn sparen könnte. Dabei meinte ich nicht die Riesensummen, die
er
für Kurse und →Auditing ausgab, sondern einfache Zuwendungen
wie etwa ein Geburtstagsgeschenk. Seine häufigen Fahrten nach Wien
waren ein weiterer immer wieder kehrender Streitpunkt. Den Fahrten ging
ein Ritual voraus: Er kam von der Arbeit heim, legte sich auf das Sofa
und schlief an die zwei Stunden, danach ass er und machte sich
stadtfein.
Einmal stritten wir auch, weil ich der Meinung war, Pascal* könne
doch
auch andere Bücher lesen, als immer nur das Ethikbuch (→
Ethik).
-55-
Ich schenkte ihm Bücher zum Geburtstag und zu
Weihnachten, um
ihn
zu anderer als scientologischer Lektüre zu bringen. Ein Buch las
er
wenigstens zu einem Drittel, bevor er es hinwarf. Es war das erste
Erfolgsbuch
von Bill Gates.
Wegen meiner →Gegenabsichten, vor allem, weil ich ihn von
Scientology
wegzubringen versuchte, wie er meinte, wollte er sich nach sechs
Monaten
Ehe zum ersten Mal scheiden lassen. Nur in einem langen Gespräch
mit
seiner Mutter, die dabei genauso weinte wie ich, liess er sich
überzeugen,
diese Ehe nicht so schnell aufzugeben. »Die Reparatur einer
Ehe,
die kaputt geht, erfordert nicht immer das →Auditieren
der Ehepartner. Es kann sein, dass ein anderer Familienfaktor die Szene
mit beeinflusst. Das kann in Gestalt eines Verwandten sein, zum
Beispiel
der Schwiegermutter. Wie löst man diesen Faktor, ohne eine Gewehr
zu benutzen? Dies ist wiederum einfach. Bei Schwierigkeiten in der
Familie
ist die Schwiegermutter verantwortlich dafür, dass die
Kommunikationslinien
abgeschnitten oder Kommunikationen umgeleitet werden.« (L.
Ron
Hubbard:
Eine neue Sicht des Lebens, S. 56)
Hauptstörenfried in unserer Ehe war Pascals* Freund Z. Er
liess
einfach
nicht zu, dass neben Pascal* noch jemand ausser ihm, Z., eine Meinung hat
und diese auch vertritt. Er wurde damit zu meinem grössten
Widersacher,
obwohl er sich am Anfang unserer Ehe sehr für mich einsetze - aber
nur bis zu dem Zeitpunkt, als ich ihm klar wurde, dass ich keine
Scientologin
werden wollte. Letztendlich ist es ihm und seinem Vater, der
natürlich
auch Scientologe ist, gelungen, unsere Ehe auseinanderzubringen.
Dafür
habe ich schriftliche Beweise! Pascal* streitet sogar handfeste Tatsachen
ab, wenn es um Vater und Sohn Z. geht.
Z. erzählte mir, als er noch Hoffnungen in mich setzte,
in
einem
Telefongespräch von Pascals* früherer Partnerin Karin. Sie sei
eine »ruinöse Katastrophe« für Pascal* gewesen, und
alle wären schliesslich froh gewesen, als sie
»abgezogen«
sei.
-56-
Sie wäre nicht gut für Pascals* Leben, hätte nur
→Gegenabsichten,
sei ausserdem hoffnungslos blöd und habe böse, stechende
Augen.
Ich solle mich nur ja nicht mit ihr abgeben, denn die Geschichten, die
sie mir erzählen würde, seien alle erlogen. Unter ihren
Lügengeschichten
habe Pascal* ohnehin schon sehr zu leiden gehabt und ausserdem habe sie
in
halb Piesting herumerzählt, wie es bei Pascal* und seiner Familie
zugegangen
sei. Und das arme Kind, das bei einer solchen Mutter aufwachsen
müsse
..., aber Pascal* würde sich schon darum kümmern, dass aus dem
Kleinen was wird. Damit meinte er, der Bub solle scientologisch erzogen
werden, so wie seine drei Söhne. Es war ihm unvorstellbar, dass
sie
Karin ihre Zustimmung verweigerte, als Pascal* einen guten Kindergarten
im
vierten Wiener Gemeindebezirk für Florian ausgesucht hatte. Das
war,
wie ich natürlich erst später erfuhr, das »Kreativ
College
für Knirpse«, das neben dem »Kreativ College«
über
den »Verein zur Förderung und zum Schutz von Kindern«
von einigen langjährigen Scientology-Aktivistinnen betrieben wird.
Dabei handelt es sich um einen Kindergarten und eine Privatschule ohne
Öffentlichkeitsrecht. Die Unterrichtsmethoden sind natürlich
streng nach scientologischen Vorstellungen ausgerichtet. [9]
Zur pädagogischen Ausstattung gehören der »Grundlegende
Studierleitfaden« und die »Studiertechnologie«, die
dem
schnelleren Lernen dienen soll. Pro Kind und Monat kostete diese Art
von
Unterbringung 6.000 Schilling (436 Euro). Trotzdem klagte Direktorin
Margit
S. über Geldmangel. Sie ist die damalige Ehefrau von Fritz S.,
Bruder
von Günther S., mit dem Siggy damals verheiratet war. Wie hier,
konnte
ich noch oft sehen, dass ganze Familien bei Scientology sind, im Fall
von
Z. bereits in der dritten Generation, denn zuerst wirbt ein neuer
Scientologe
gewöhnlich in seiner Familie.
Ich meinte bei diesem Telefongespräch mit Z. nur, dass
die
Fahrerei
von Piesting nach Wien täglich, doch eine grosse Belastung sei,
vor
allem für ein Kind.
-57-
Immerhin dauert eine Fahrt mit dem Auto eine dreiviertel
Stunde -
und
das ohne einen der häufigen Staus auf der Südautobahn. Er
sagte
nur, wenn man eine Absicht hat etwas zu tun, dann könne man das
eben
»handhaben«. Da ich zu dem Zeitpunkt noch der Meinung war,
Z. ist ein lieber Freund von Pascal*, glaubte ich ihm, kam aber nach und
nach hinter den wahren Inhalt dieser Aussage.
Erst einige Zeit später erfuhr ich, dass die für
mich
lange
Zeit unglaublichen Geschichten wahr sind. Stück für
Stück
musste ich herausfinden, dass mein Mann nicht bei einer um Anerkennung
ringenden Religion gelandet war, sondern bei einer total
ausbeuterischen
und kontrollierenden Organisation.
Diese Organisation richtet alles, was an menschlichen Werten
vorhanden
ist, zu Grunde, sei es nun die Familie, der Ehepartner oder sogar die
Beziehung
zu den eigenen Kindern, aber nicht genug damit: Diese Organisation
bemächtigt
sich mit Krakenarmen des gesamten Vermögens ihrer Mitglieder. Als
seine finanzielle Reserve aufgebraucht war, wurde auch mein Mann dazu
gebracht,
Kredite aufzunehmen und in »seine Zukunft« zu investieren.
Damals wusste ich noch nicht, dass er nur genau so handelte wie viele
andere
auch. Ich wusste auch nicht, dass meine Beziehung zu ihm genauso
verlief
wie die vieler anderer Frauen mit einem Scientologen als Partner.
Die Reaktion seiner Familie auf seine
Persönlichkeitsveränderung
und die immer bedenklich werdende finanzielle Situation war Sorge und
Entsetzen. In
seinen zahlreichen Berichten an Scientology hat er seine Mutter als
→PTS
und unterdrückerische Person [10]
dargestellt. Diese Einstellung gegenüber seiner Familie sah ich
mit
Sorgen, denn Pascal* hat wunderbare, hilfsbereite, geduldige, ehrliche
und
im Ort sehr angesehene Eltern. Doch gab es wegen seines Verhalten und
seiner
»Sektengeschichten« - wie die Leute in Piesting sagten -
immer
wieder bösen Tratsch, der auch den Eltern zu Ohren kam und sie
kränkte.
-58-
Als ich ihn einmal fragte, warum er zu Scientology gegangen
sei,
antwortete
er, er sei auf der Suche nach der Wahrheit über alles was uns
Menschen
betrifft. Sein Vater habe ihm von der Evolution erzählt, dass wir
Menschen aus einer Art Schlamm entstanden sind. Diese Erklärung
habe
ihm nicht genügt, er hätte viel mehr wissen wollen, deshalb
sei
er zu Scientology gegangen. Ausserdem könne er mit Hilfe von
Scientology
sein Leben und den Zustand seiner Firma verbessern.
Ich musste ihn immer wieder daran erinnern, den Kontakt zu
seinen
Eltern
aufrecht zu erhalten, und ihn auffordern, sie doch sie ab und zu zu
besuchen.
Seine Mutter fuhr nach einem Krankenhausaufenthalt 1998 für vier
Wochen
auf Kur. Wir nahmen uns vor, sie an einem Samstag zu besuchen. Pascal*
hatte
aber an diesem Abend einen »Event« bei den Scientologen in
Wien. Deshalb mussten wir nach nur einer Stunde Besuch wieder Abschied
nehmen. Ich war sehr betroffen davon, dass er sich ganz einfach keine
Zeit
mehr für seine Mutter nehmen will. Am Abend zog er seine
schönsten
Sachen an, fuhr nach Wien und liess mich ganz einfach in Piesting
sitzen.
Der Vertrauensbruch zwischen seiner Familie und den einstigen
Freunden
war ein endgültiger. Dafür machte sich der Traum von der
heilen
Welt in seiner neuen Gedankenwelt breit; einer Welt, in der es keine
Kriege
und keine Geisteskrankheiten mehr gibt, in der nur noch der nicht
→aberrierte
Mensch Rechte hat.
»Interessieren Sie sich für die
Erscheinungsformen der
Geisteskrankheit, dann gibt es in fast jedem Teil der Welt jede
beliebige
Form der Geisteskrankheit, die man sich während eines Lebens nur
zu
sehen wünschen könnte. Studieren Sie die
Eigentümlichkeiten
der Leute um Sie herum, und fragen Sie sich, wie die Leute aussehen
würden,
wenn ihre kleinen Eigentümlichkeiten um ein Hundertfaches
vergrössert
wären. Sie mögen feststellen, dass sie durch das Listen
sämtlicher
beobachtbaren Eigentümlichkeiten eine vollständige Liste
sämtlicher
Geisteskrankheiten der Welt hätten.« (L. Ron Hubbard:
Eine
neue Sicht des Lebens, S. 125)
-59-
Seine - früheren - eigenen Interessen traten immer mehr
in den
Hintergrund, es war für ihn nicht wichtig, eine Frau zu haben, die
ihn liebt. An vier von sieben Abenden in der Woche war er
gewöhnlich
in Wien bei Scientology. Sein Engagement für seine
»Religion«
umfasste schliesslich alle Lebensbereiche. Ich bewunderte ihn für
seine Konsequenz, die ich doch nicht verstand.
Doch langsam fiel mir immer mehr seiner Eigenarten auf, die
ich
lange
nicht mit Scientology in Verbindung bringen konnte: Er erwähnte
kaum
je die Zeit vor Scientology - und wenn, dann nur negativ; bezeichnete
sich
selbst als Student, obwohl er einen Handwerksbetrieb hatte;
Menschlichkeit
bezeichnet er als abstrakte Idee, legte kaum Wert auf seine Umgebung.
Scientologische
Erziehung
am Wochenende
Mein Mann und ich haben je einen Sohn aus früheren Beziehungen und
ich hatte anfangs vor, meinen Sohn Tobias* nach Markt Piesting
mitzunehmen.
Er wollte aber nicht weg von Wien, vor allem nicht von seiner Schule
und
seinen Freunden. Ein für mich sehr schmerzlicher Kompromiss ergab
sich in langen Diskussionen: Mein erster Ehemann erklärte sich
bereit,
in meine Wiener Wohnung einzuziehen und die Erziehung meines Sohnes zu
übernehmen. Später, wenn die Wohnungsverhältnisse in
Piesting
sich verbessert hätten und mein Mann nicht mehr zu dieser
Religionsgemeinschaft
ging, wollte ich Tobias* zu mir holen.
Vorher hatte ich aber, wie ich meinte, noch ein paar
Kleinigkeiten
zu
erledigen, um die Wohnung gemütlich zu gestalten.
-60-
Mein neues Heim war die kleinere Wohnung eines
Zweifamilienhauses.
Auf
ungefähr 75 Quadratmeter waren Wohnung und Büro
untergebracht.
Das Haus ist ca. 100 Jahre alt, war im vorigen Jahrhundert ein
Wirtschaftsgebäude
und wurde in den 50er Jahren vom Vater des gegenwärtigen Besitzers
in ein schönes Wohnhaus umgebaut. Es ist allerdings schlecht
isoliert
und im Winter sehr kalt, so dass ich bei der Büroarbeit oft
gefroren
habe. Der gemeinsame Hauseingang mündet in ein Vorhaus, das in
einem
jämmerlichen Zustand war, als ich einzog. Erst viel an Putzarbeit
brachte es auf Glanz. Wie viele Franchise-Nehmer (vgl S. 20) der Remaill-Technik
hatten wir anstatt des Wohnzimmers ein Büro, gleich im Anschluss
an
die ländliche Wohnküche. Kamen Kunden, so sassen sie immer in
unserer Küche. Auch die Arbeiter kamen in der Früh in die
Wohnung
und bekamen von mir Kaffee, bevor sie an die Arbeit gingen. Den
Morgenkaffe
führte ich ein, da Pascal* den Arbeitern oft nur in der Garage die
Aufträge
in die Hand drückte und ich der Meinung war, zehn Minuten am
Morgen
Mitarbeiterbetreuung sei sehr motivierend, wenn wir uns mit den
Arbeitern
hinsetzten und mit ihnen frühstückten. Manchmal gab es Kuchen
oder einer der Arbeiter brachte Semmeln mit, wenn er gut gelaunt war.
Das Haus gehört Pascals* Jugendfreund Robert*, der
gleichzeitig
der
schärfste Scientology-Kritiker in unserem Bekanntenkreis war. Wenn
er sich nach Pascals* Verbleib erkundigte, fragte er immer: »Ist er
schon wieder bei den Klingonen?« Das war eine Anspielung
auf
den Scientology-Gründer Hubbard, der ja ursprünglich
Science-Fiction-Autor
war. Und tatsächlich: Vieles an dem, was ich nach und nach
über
Scientology erfuhr, kam mir vor wie ein schlechter
Science-Fiction-Film.
Pascals* Sohn Florian lebt bei seiner Mutter Karin und kam uns
nur
alle
zwei Wochen am Sonntag besuchen. Er wohnt im gleichen Ort, daher
wunderte
ich mich anfangs, warum er nicht öfter kommen konnte. Ich mochte
Florian
sofort und auch die beiden Buben kamen gut miteinander aus, wenn sie
gemeinsam
zu Besuch waren.
-61-
Florian war wieder einmal an einem Sonntag bei uns und er war
ziemlich
verkühlt, hatte aber kein Fieber und spielte mit seinem Cousin
Lukas*
und meinem Sohn Tobias. Florian hatte den ganzen Tag Husten, der sich
gegen
Abend verschlimmerte. Er kam schliesslich zu mir in die Küche und
sagte: »Mir tut schon der Hals weh von dem vielen Husten.«
Ich fragte ihn dann, ob er Hustensaft haben wolle, und er sagte ja. Ich
hatte einen homöopathischen Hustensaft zu Hause für die
Kinder,
so sorgte ich für Grippezeiten vor. Auch Pascals* Eltern und seiner
Schwester habe ich mit dem Hustensaft schon öfter geholfen und
alle
waren zufrieden damit. Pascal* bemerkte, dass ich seinem Sohn Hustensaft
gab und stellte mich vor dem Kind auf das Heftigste zur Rede. Er warf
mir
vor, seinem Sohn Drogen zu verabreichen. Ich entgegnete ihm, dass ich
Krankenschwester
sei und mir daher völlig bewusst, welche Medikamente ich Kindern
geben
könne. Ausserdem sei der Hustensaft ein homöopathisches
Produkt;
etwas anderes würde ich niemals einem Kind ohne vorheriger
Absprache
mit dessen Mutter oder mit einem Arzt geben. Ich sagte ihm auch, dass
ich
seiner Familie diesen Hustensaft gegeben hatte. Wir stritten danach
rund
drei Stunden lang vor den Kindern. Pascal* fühlte sich nämlich
dadurch als Scientologe angegriffen, dass seine Eltern diesen
Hustensaft
einnahmen. Er warf mir vor, seine ganze Familie zu
Drogenabhängigen
zu machen. Ich konnte nur den Kopf schütteln, damals verstand ich
noch nicht, woher seine Argumente und seine Reaktion kamen. [11]
Auffallend war - besonders in diesem Zusammenhang - sein
übermässiger
Konsum synthetischer Vitamine [12],
Teilweise nahm er im Lauf eines Tages das vielfache dessen ein, was als
vernünftige Tagesdosis gelten kann. Im Rahmen meiner Ausbildung
zur
Krankenschwester hatte ich über die Gefahren von
Vitaminüberdosierung
gelernt, und so versuchte ich, meinen Mann davon abzuhalten, seine
Gesundheit
zu schädigen, seine Nieren und seine Leber kaputtzumachen.
-62-
Als er mir nicht glauben wollte, bat ich meine Schwester und
ihren
Mann,
die beide praktische Ärzte sind, als Mediziner mit Pascal* zu
sprechen.
Damals wusste ich noch nicht, dass das keinen Sinn hat, einen
Scientologen
zum Arzt zu schicken, es sei denn zu einem scientologischen Arzt. Einer
davon war Thomas K. K. ist nicht nur »Operierender Thetan«
(→ OT) und damit in der Scientology-Hierarchie schon weit
vorangekommen,
er ist auch als →FSM für Scientology tätig. Ein FSM
bringt andere Leute dazu, ihr Geld in Scientology-Kursen und
Büchern
anzulegen. Ihn rief Pascal* öfter an, denn er ist zugleich
Scientologe
und praktischer Arzt. Üblicherweise aber betrachten Scientologen
Mediziner
als Kriminelle. Er hatte die fixe Idee, ich wäre den medizinischen
Lügnern hörig. Damals hatte ich aber noch Vertrauen in die
Freundschaft
zwischen Pascal* und meinem Schwager. Und so hoffte ich, dass dieser ihn
zur Vernunft bringen könnte. Das Ergebnis war gleich Null, er
liess
sich die Vitamine nach wie vor von einer burgenländischen Apotheke
schicken. Der Apotheker ist Alfred S., der einen schwunghaften
Versandhandel
mit scientologischen »Medikamenten« betreibt. Er kaufte
auch
Supradyn in der Piestinger Apotheke. Der Beipacktext empfahl eine
Tablette
täglich, doch schluckte er oft zwei oder drei Tabletten pro Tag.
Ich
hatte frisches Gemüse im Garten, versuchte, ihn mit vitaminreicher
Kost von den synthetischen Vitaminen wegzubringen, es half nichts.
»Der Mensch in den niedrigsten Bereichen ist ganz und
gar
den
Zielen des Körpers selbst gewidmet. Der Körper muss, um zu
existieren,
aus etwas nichts machen. dies ist, als einfachste Illustration, das
Ziel
des Essens. Es mag für das Leben notwendig sein zu essen oder
nicht,
vielleicht ist es nicht einmal für den Körper notwendig zu
essen.
In der Para-Scientology gibt es einen Nachweis, dass der Magen einst
genügend
Lebensenergie produziert hat, um den Körper ohne irgendwelche
weitere
'Nahrung' zu bewegen.« (L. Ron Hubbard: Eine neue Sicht des
Lebens,
S. 85)
-63-
Eines Tages brachte er eine Flasche Wasser, für die er
180
Schilling
(13 Euro) bezahlt hatte, nach Hause mit. Es war Granderwasser, das
angeblich
besonders belebende Wirkung habe und nach seinem Entdecker oder
Erfinder,
Johann Grander, benannt sei. Das sei besonders gesund, sagte er, er
brauche
das Wasser jetzt für seinen Körper, denn es habe eine
besondere
Energie. Er sparte mit diesem Wasser sehr, träufelte immer nur ein
paar Tropfen in den Kaffee oder ins Müsli, so kam er mit dieser
Flasche
ungefähr zwei Monate aus. Dann vergass er, sich neues zu besorgen
- und das Thema Granderwasser war Vergangenheit. Ich wunderte mich
sowohl
über den Preis des Wassers, als auch über Pascals* Glauben an
dessen
besondere Eigenschaften. Wo er mir nie etwas glaube wollte, so glaubte
er anderen Leuten die merkwürdigsten Dinge.
Eine andere Situation, bei der ich mir sein Verhalten nicht
erklären
konnte, war die folgende: Mein Sohn hatte sich einmal an einem
Bücherbord
den Kopf angestossen und kam danach jammernd zu uns. Ich wollte Tobias
in den Arm nehmen und trösten, doch Pascal* nahm ihn an der Hand und
ging mit ihm ins zum Bücherbord. Tobias sagte mir dann, Pascal*
hätte
ihn mit dem Kopf ans Bücherbord gedrückt und gesagt, so gehe
der Schmerz wieder dorthin zurück. Tobias war damals schon
zwölf
Jahre alt und fragte mich, warum der Pascal* so komische Sachen mache.
Ich
konnte es ihm nicht erklären.
Still litt ich unter Pascals* Ablehnung, Kinder zu bekommen. In
seiner
Situation sei es unangebracht, weitere Kinder zu haben, sagte er. Er
schränkte
dies dann ein und sagte, er wolle in ein paar Jahren vielleicht noch
einmal
darüber nachdenken und dann könne ich ja wieder mit ihm
reden.
Ich machte ihn darauf aufmerksam, dass ich bereits 38 sei, zwar
völlig
gesund aber mir mit dem Kinderkriegen doch nicht mehr allzuviel Zeit
lassen
sollte.
-64-
Darauf reagierte er nicht und lehnte es von diesem Zeitpunkt
an
kategorisch
ab, mit mir über dieses Thema noch einmal zu sprechen. Über
diese
Kränkung bin ich bis heute nicht hinweggekommen. Ich weinte damals
sehr oft. Er weigerte sich auch, eine »normale« Eheberatung
zu besuchen, da diese meistens von Psychologen, die Verbrecher seien,
gemacht
würden. Ausserdem passe so eine Beratung nicht in sein Programm,
denn
dadurch würde sein bereits erworbenes Wissen verfälscht. Dazu
kamen dann immer wieder die Vorwürfe, dass ich ja das schon
bezahlte
Eheauditing bei Scientology nicht machen wollte, deshalb sei ich schuld
daran, wenn unsere Ehe nicht mehr funktioniere.
Das waren nicht die einzigen Schuldzuweisungen an mich. Immer
wieder
warf er mir →Gegenabsichten, →Betrachtungen und anderes
aus dem scientologischen Wortschatz vor. Zum Schluss blieben ihm nur
noch
wenige Phrasen im Gespräch mit mir. Nur noch selten war er ein
paar
Augenblicke lang freundlich oder sogar hilfsbereit und liess mit sich
reden.
Zärtlichkeit gab es zwischen uns so gut wie keine mehr - und das
lag
nicht an mir. Um jede Zuwendung musste ich kämpfen, von ihm kam
längst
nichts mehr, so dass ich mich schliesslich in meinem Frausein zutiefst
verletzt fühlte.
Von Beginn unserer Ehe an wollte Pascal* seinen Ehering nicht
tragen,
wochentags mit der Begründung, er störe ihn bei der Arbeit.
Sonntags
mit der Begründung, er störe ihn beim Klettern. Mit einem
seiner
Scientology-Freunde ging er sehr häufig auf verschiedene Berge
klettern.
Er trug den Ehering aber auch zu anderen Gelegenheiten nicht. Das
kränkte
mich, doch er ignorierte meine Gefühle. Befreundete Ehepaare, die
auch Scientologen waren, trugen ihre Eheringe sehr wohl. Er verlegte
seinen
immer wieder, und machte sich über mich und meinen Kummer oft
lustig.
Als ihn dann auch noch Margit als langjährige und von ihm sehr
geschätzte
Freundin in ihrer Funktion als Geistliche seiner »Religion«
ermahnte, den Ring zu tragen, schimpfte er nur mit mir, weil ich wieder
bei Margit getratscht hätte.
-65-
Im September 1998 legte ich ein Sparbuch für seinen Sohn
Florian
an. Ich war in der Postsparkasse in Wien, wo ich schon vor
längerer
Zeit ein Sparbuch für Tobias eröffnet hatte. Ich freute mich
darüber, dass ich so etwas sparen konnte für Tobias, der es
sicher
einmal gut gebrauchen kann. Weil Pascal* es nicht tat und Karin wohl
zuwenig
Geld dafür haben würde, wollte ich auch für Florian
sparen.
Da ich zeichnungsberechtigt auf Pascals* Konten war, veranlasste ich,
dass
per Dauerauftrag monatlich tausend Schilling (73 Euro) von Pascals*
Firmenkonto
auf das neue Sparbuch seines Sohnes überwiesen wurde. Die
Einzahlungen
auf die Sparbücher meines Sohnes kommen von meinem, sowie von dem
Konto meiner Mutter. Tags darauf, am Samstag vormittag, gab ich Pascal*
das
neue Sparbuch und war mir völlig sicher, dass er sich freuen
würde.
Er wurde jedoch wieder einmal zornig. Als ich dann noch sagte, dass das
Sparbuch ein Losungswort habe, begann er sofort mit mir zu streiten. Er
beschuldigte mich, ich hätte das getan, weil ich glaubte, die
Scientologen
würden sonst alles Geld abheben. Aus den einfachsten Dingen, ohne
Hintergedanken, entstanden bei uns immer wieder grosse, unsinnige,
blöde
Streitereien. Wir einigten uns erst nach fast zwei Stunden darauf,
Florians
Sparbuch Pascals* Mutter zur Aufbewahrung zu geben. Sie war damit
einverstanden.
Ich erzählte der Familie von dem Sparbuchstreit und niemand konnte
verstehen, dass man wegen so etwas so wild streiten kann.
Ich erklärte mir den Streit so: Eines Tages fragte ich
Pascal*,
was
seine dicken grünen Scientology-Bücher (Volumes [13])
gekostet hatten, er nannte mir den Betrag von 14.000 Schilling (1.017
Euro).
Ich meinte damals nur, er könne das viele Geld anstatt es zu
Scientology
zu tragen, doch viel besser für seinen Sohn anlegen, zumal Karin
nicht
viel Geld hätte, und für den Kleinen doch einmal etwas da
sein
sollte für die Zukunft.
-66-
Ich warf ihm damals sogar Diebstahl am eigenen Sohn vor, was
vielleicht
zu heftig formuliert war. Er schrie mich nur an, sein Sohn sei sehr
intelligent
- was ich nie in Frage gestellt hatte - und er könne wenn er
erwachsen sei, selbst für sich sorgen. Es sei also unnötig,
für
ihn Sparbücher anzulegen.
»Auf das Kind aufpassen? Unsinn! Es hat vielleicht
ein
besseres
Verständnis von unmittelbar bevorstehenden Situationen als
Sie.«
(L. Ron Hubbard: Eine neue Sicht des Lebens, S. 52)
Viel später erst erfuhr ich von dem Scientologen, der
Pascal* die
Bücher verkauft hatte, dass die dicken grünen
»Volumes«
erheblich teurer sind, als die von Pascal* genannten ÖS 14.000.
Karin
erzählte er, er hätte für Florian das Sparbuch angelegt.
Ich schickte ihr danach eine Kopie des Antragsformulars mit meiner
Unterschrift.
Ich konnte nie verstehen, dass er soviel Geld an diese Sekte
bezahlt
hat, wo er doch jedesmal Schulden dafür machen musste. Seine
Mutter
ist Bürgin für den »Firmengründungskredit«
über
740.000 Schilling (53.780 Euro). Sie hat ihre Eigentumswohnung für
den Kredit belastet und sich nicht einmal das Wohnrecht im
Kreditvertrag
gesichert. Für diese Summe gibt es in Pascals* Unternehmen keinen
entsprechenden
Gegenwert. Die Firmenautos sind geleast, die Büromöbel aus
den
frühen 70er Jahren bekam er geschenkt. Ausrüstung oder
Werkzeug
können diesen Betrag auch nicht rechtfertigen, nicht einmal
annähernd.
der einzige nennenswerte Firmenbesitz sind zwei Spritzanlagen im Wert
von
je 35.000 Schilling (2.540 Euro) und zwei längst veraltete
Computer.
Also wohin ist das viele Geld aus den vielen Krediten verschwunden?
Sicherlich hatte die Firma auch Aufwendungen, die finanziert werden
mussten,
aber den Rest seiner Kreditschulden kann oder will er nicht
erklären.
Pascals* Gesamtverschuldung beläuft sich offiziell auf etwas mehr
als
eineinhalb Millionen Schilling (109.000 Euro).
-67-
Ich habe allerdings einmal an Hand der mir vorliegenden Belege
eine
Summe von rund zwei Millionen Schilling (145.000 Euro) ausgerechnet,
bin
mir aber sicher, dass nie alle Belege zu mir kamen, auch nicht, als ich
noch in Pascals* Büro arbeitete. Somit war es mir schon als seine
Ehefrau
nicht möglich, seine finanzielle Lage zu kennen.
Der scientologisch
geführte
Betrieb
Bei seinem Unternehmen handelt es sich um einen scientologisch
geführten
Betrieb, mit einer scientologischen Grundstruktur in der Form eines
Franchiseunternehmens.
Der Gründer der Remaill-Technik, oder wie im
Gründerland
Kalifornien Miracle Method, Bob Grey, ist ein hochrangiger
Scientologe
in den USA. Die Franchisenehmer verpflichten sich, das vorgesehene
Arbeitsmaterial
aus den USA zu verwenden und auch zehn Prozent des monatlichen Umsatzes
an Bob Grey oder an seine Organisation abzuführen. Die
Remaill-Technik
beschäftigt sich mit der Neubeschichtung von alten, rauh oder
unansehnlich
gewordenen Badewannen und Duschtassen. Auch zur Behebung von
Emailschäden
hat Bob Grey ein Spezialverfahren entwickelt. Hauptkunden sind grosse
Hotels
und Kuranstalten. Ziel der Remaill-Technik in Österreich
ist,
Marktführer auf dem Gebiet der Badezimmerrenovierung zu werden und
alle Konkurrenten mit allen zur Verfügung stehenden
Möglichkeiten
- ganz im Sinne Hubbards - auszuschalten.
Der »Masterfranchiser« in Österreich ist Z.
Seine
Methoden
im Umgang mit der Konkurrenz sind alles andere als fair. Er fiel
mir durch sein flegelhaftes, beleidigendes Benehmen auf, das er selbst
ganz natürlich gut findet. Gern erzählt er bei jeder sich
bietenden
Gelegenheit, wen er gerade »eingeweicht« oder
»ausgetrickst«
habe.
-68-
Pascal* ist sein Franchisenehmer, aber auch sein begeisterter
Anhänger
und Freund. Z. ist Pascals* Vorbild. Das geht soweit, dass Pascal* nicht
nur
die Frisur seines Vorbildes nachahmt, sondern auch dessen Sprechweise
übernimmt.
Ich machte meinen Mann einmal darauf aufmerksam, dass er schon wie das
Abziehbild Z.s wirke. Er reagierte sehr unwillig und wies meine
Bedenken
zurück. Die kämen überhaupt nur daher, weil ich einen
Freund
eben nicht leiden könne.
Auch in den Geschäftspraktiken ahmte er Z. nach, und
wollte
dessen
unfaire Methoden anwenden.
Zwei Tage nach unserer Heirat besuchte uns Pascals* Schwester
Silvia*
mit ihrem kleinen Sohn. Sie erklärte uns, sie wolle die Arbeit in
Pascals* Büro mit Jahresende aufgeben, um mehr Zeit für ihr
Kind
und ihr Haus zu haben. Pascal* suchte nach anfänglicher Verlegenheit
sofort eine Lösung. Da ich vor meiner Schwesternausbildung die
Handelsschule
absolviert habe, was jedoch mehr als 16 Jahre zurücklag,
könnte
ich vorübergehend die Tätigkeiten von Silvia in Pascals*
Büro
übernehmen. Ich stimmte freudig zu, denn ich hatte damit
Gelegenheit,
meinem Mann zur Seite zu stehen. Meinen schon existierenden und bereits
unterschriebenen Dienstvertrag mit dem Krankenhaus Baden löste ich
sofort auf. Dort hätte ich im November als Operationsschwester
meinen
Dienst antreten sollen.
In den darauffolgenden Tagen erklärte mir Silvia alle
Tätigkeiten
in Pascals* Büro. Bald war ich auf mich allein gestellt. Meine
Aufgabe
bestand nun darin, alle ankommenden Anrufe genau zu notieren und
Auskunft
über die Arbeiten und Möglichkeiten der Remaill-Technik
zu geben, die tägliche Post zu bearbeiten, Kontoauszüge zu
öffnen,
die Ausgaben und die Einkünfte in Buchhaltungslisten im Computer
einzutragen,
durchgeführte Arbeiten zu verrechnen und die Kassa zu führen,
die so aufbereiteten Belege nach Datum sortiert in Ordner abzulegen und
für den Steuerberater aufzubereiten, der an Hand der abgelieferten
Belege Saldenlisten und Bilanzen erstellte.
-69-
Am Monatsende musste ich die Produktion unserer zwei Arbeiter
durchrechnen
und die errechneten Daten dem Steuerberater zur Lohnverrechnung per Fax
übermitteln. Dieser errechnete aus Provision und Produktion den
Monatslohn,
den ich dann auszahlen musste, was oft nicht leicht war, da selten
genug
Geld auf den Firmenkonten lag.
Eine wichtige Aufgabe war die Verfassung von Werbebriefen,
teils
nach
vorhandenen Musterbriefen, teils nach eigenen Ideen. Ich gab mir
besondere
Mühe mit den Briefen, da ich ja wollte, dass sich die Menschen
für
die Arbeit meines Mannes interessieren. Zudem übernahm ich die
gewaltige
Aufgabe, das Verzeichnis der Kundenadressen von 2500 auf nahezu 7000 zu
erweitern.
Diese Arbeit erstreckte sich auf einen längeren Zeitraum,
weil
ich meistens erst am Abend nach der aktuellen Geschäftsarbeit Zeit
dafür fand. Auf der Suche nach potentiellen Kunden
telefonierte
ich mit nahezu allen regionalen Fremdenverkehrsbüros in den
Bundesländern
Steiermark, Kärnten Oberösterreich, Teilen von
Niederösterreich
und dem Burgenland. Ebenso kontaktierte ich öffentliche Stellen,
hauptsächlich
die Landesregierungen, um an Adressen von Krankenhäusern,
Pflegeheimen,
Seniorenheimen, Kinder- und Erholungsheimen in den jeweiligen
Bundesländern
heranzukommen.
Ich liess mir die entsprechenden Unterlagen schicken und
konnte nun
erst mit der eigentlichen Arbeit, der Aufnahme der neuen Adressen
potentieller
Kunden beginnen. Jede einzelne neue Hotel-, Krankenhaus- und
Heimadresse
musste von Hand in den Computer eingetippt werden, ebenso die
jeweiligen
Ansprechpersonen und deren Titel. Diese umfangreiche Arbeit erstreckte
sich auf den Zeitraum Oktober 1996 bis Ende März Anfang/April 1997
und konnte meist erst nach Büroschluss erledigt werden.
-70-
In dieser Zeit arbeitete ich etwa drei- bis viermal pro Woche
bis 23
oder sogar 24 Uhr. Mein Mann ging entweder schon früher schlafen
oder
war nach Wien in die →Org gefahren.
Ich erstellte eine neue, aktuelle Unterlagenmappe für das
kleine
Unternehmen meines Mannes. Auf Anfrage konnte ich dann den Kunden
Unterlagen
zusenden. Diese Mappen habe ich am Abend im Wohnzimmer sortiert und
dann
in schöne blaue Klarsichtmappen eingeheftet. Dazu entwarf ich in
Eigenregie
ein neues Logo für das Deckblatt am Computer. Das war die einzige
Arbeit, die nicht von Z. kritisiert wurde. Ansonsten hatte ich keine
Chance,
einmal kreativ etwas Nichtscientologisches in das Firmengeschehen
einzubringen.
Alles was von mir kam, und »normal« zu sein schien, wurde
nicht
akzeptiert.
Zum Beispiel mussten wir den Richtlinien Hubbards folgend auf
jedem
Tisch drei Ablagekörbe haben. Diese hatten links auf dem
Schreibtisch
zu stehen, ob das nun praktisch war oder nicht. Daneben gab es noch ein
»Infocenter«, das aus derselben Anordnung bestehen musste.
Eine andere meiner Tätigkeiten war die Werbung,
hauptsächlich
musste ich unsere Inserate in regionalen Zeitungen unterbringen.
Später
einigte man sich darauf, mit Z. eine gemeinsame Werbelinie zu
entwickeln,
die auf Anregung von Z.s Frau Sonja und mir dann auch entstand.
Über jede geschäftliche Aktivität mussten
peinlich
genaue
Statistiken [14]
erstellt
und geführt werden. Diese statistische Arbeit zählte bis zu
Beginn
des Jahres 1997 zu meinen Tätigkeiten. Jeden Montagvormittag
musste
ich die Wochenstatistik an die Firma Z. in Wien faxen. Mit Beginn 1997
übernahm diese Tätigkeit Pascal* selbst. Damals übergab
ich
ihm den älteren der beiden Firmencomputer. Er führte die
Statistiken
nicht so genau wie ich. Im privaten Bereich war er ebenso unordentlich.
Sachen, die er irgendwohin legte, fand er nicht mehr.
-71-
Den Schlüssel zu seinem Auto suchten wir pro Woche sicher
zwei-
bis dreimal im ganzen Haus. Am Anfang der neuen Arbeitswoche sollte ich
»Conditions« [15]
über meine Arbeit machen. Ich machte diesen Unsinn kein einziges
Mal,
worüber sich Pascal* und Z. immer wieder aufregten. Laut Z. war
diese
Arbeitsverweigerung ein Teil meiner →Gegenabsichten. Er fragte
mich einmal, was für →Betrachtungen ich darüber habe.
Ich sagte keine, ich brauche keine »Conditions« über
meine
Arbeit zu machen, ich bin von sieben Uhr früh bis 18 Uhr abends in
Pascals* Firma anwesend und arbeite fast die ganze Zeit durch.
Dazu arbeitete ich oft am Wochenende im Büro, um
Massenwerbebriefe
zu drucken, wofür während der Arbeitswoche der Firmencomputer
blockiert gewesen wäre. Dazu gehörte auch die Besorgung von
Druckpapier
und Toner für den Laserdrucker in geeigneter Menge. Manchmal
besorgte
diese Dinge auch mein Mann, wenn er einmal Zeit hatte. Aber meistens
war
es mein Job, in meiner Freizeit diese Sachen und auch noch Material
für
die Werkstätte zu holen. Am Samstagvormittag, manchmal auch schon
am Freitagnachmittag besorgte ich mit meinem kleinen PKW Kopierpapier,
Ordner, Briefkuverts, 25-Liter-Kanister mit Azeton und
Nitroverdünnung,
Staubschutzmasken, Klebebänder, Plastikflaschen,
Arbeitshandschuhe,
Arbeitsoveralls, Müllsäcke und Glühbirnen. Ebenso
stellte
ich mich oft genug in meiner wenigen Freizeit in die
»Werkstätte«,
die in Wirklichkeit nur eine alte, schmutzige Garage ist, und begann,
dort
Ordnung zu schaffen. Ich schleppte dabei auch Dinge herum, die für
eine Frau zu schwer sind, wie etwa die 25-Liter-Kanister. Meiner
bereits
seit einigen Jahren angegriffenen Wirbelsäule tat diese Arbeit
nicht
besonders gut. Solche Ordnungsaktionen hatte ich immer mit
anschliessenden
Rückenschmerzen zu bezahlen. Beklagte ich mich einmal
darüber,
so sagte Pascal* immer nur, ich müsste ja diese Dinge nicht tun.
»Wenn Sie anfangen, in irgend etwas Ordnung
hineinzubringen,
dann zeigt sich Unordnung und verschwindet. Bemühungen, Ordnung
-72-
in die Gesellschaft oder irgendeinen Teil der Gesellschaft
hineinzubringen,
werden daher jedesmal eine Zeitlang Unordnung hervorbringen. Der Trick
besteht darin, damit fortzufahren, Ordnung zu schaffen; und bald ist
die
Unordnung verschwunden, und ordentliche Tätigkeit bleibt
übrig.
Aber wenn Sie Unordnung hassen und Unordnung nur bekämpfen,
sollten
Sie niemals versuchen, Ordnung in irgendetwas hineinzubringen; denn die
Unordnung, die dabei entsteht, wird Sie halb verrückt machen. Nur
wenn Sie imstande sind, Unordnung nicht zu beachten, und wenn Sie
dieses
Prinzip verstehen können, können Sie eine funktionierende
Welt
haben.« (L. Ron Hubbard: Eine neue Sicht des Lebens, S. 83)
Er bedankte sich kein einziges Mal dafür. Aber die
»Werkstätte«
in einer solchen Unordnung zu lassen, wenn vielleicht Kunden kamen oder
ein neuer Arbeiter sich vorstellte, das machte in meinen Augen keinen
guten
Eindruck. Pascal* sagte in solch peinlichen Situationen stets, wir
hätten
gerade eine Baustelle, man möge daher diese Unordnung
entschuldigen.
Ich tat alles nur Erdenkliche, um ihm zu helfen und ich tat es, weil
ich
ihn sehr liebte.
Nebenher führte ich unseren wochentags bescheidenen
Haushalt,
während
der Bürozeiten ging ich immer wieder in die Wohnung nebenan, um
die
Waschmaschine oder den Geschirrspüler einzuschalten. Am Abend,
wenn
Pascal* müde von seiner Arbeit heimkam, sorgte ich für eine
behagliche
Atmosphäre. An den meisten Abenden hatte ich eine kleine Mahlzeit
vorbereitet und die Wohnung war stets aufgeräumt. Für
Bügelarbeiten
und grobe Putzarbeiten hatte ich eine Hilfe, Frau Rosa, die immer
pünktlich
und ordentlich war und mich somit wirklich entlastete. Am Wochenende
machte
ich Besorgungen für die Firma und natürlich auch den Einkauf
für den Haushalt, nur Dinge des täglichen Lebens, denn wir
hatten
nicht viel Geld. Am Samstagnachmittag kam immer mein Sohn Tobias und
jeden
zweiten Sonntag auch Pascals* Sohn Florian.
-73-
Für die beiden Buben kochte ich immer gute Sachen, von
denen
ich
wusste, dass sie sie gerne essen, danach gab es dann meistens noch
einen
Kuchen. Ich wollte, dass die beiden gutes Essen bei uns hatten und die
Wohnung sauber und behaglich war, wenn sie bei uns waren. Ich bestand
auch
darauf, dass die Buben bei uns Ordnung in ihren eigenen Dingen hielten.
Wenn Pascal* etwas zur Verschönerung des Wohnbereichs tun
sollte,
gab es immer Probleme. Ich musste sechs Wochen mit ihm streiten, bis er
mit mir Küche, Vorraum und Büro neu anstrich.
Scientology ruft
zu Besprechungen
Es war an einem Samstag, als er endlich doch - nach langem Hin und Her
natürlich - begann, mit mir und seinem Vater, der extra zum Helfen
gekommen war, die Wände zu streichen. Am Nachmittag, mitten in der
Arbeit, erhielt er einen Anruf aus der →Org. Daraufhin liess er alles
liegen und stehen und sagte nur, er hätte mit Doris F. etwas
Persönliches
zu besprechen, das würde ungefähr eine halbe Stunde dauern.
Er
fahre jetzt nur kurz nach Wien und käme gleich nach dem
Gespräch
wieder zurück. Die Fahrzeit von Piesting nach Wien ist länger
als das geplante Gespräch, doch um solche Kleinigkeiten
kümmerte
er sich nie. Die Möbel standen zugedeckt mitten im Raum, ich hatte
nicht einmal die Möglichkeit, mich hinzusetzen, die Wände
waren
entweder noch nass oder noch gar nicht gestrichen - so liess er mich
zurück.
Ich war einfach wütend. Am Abend kam ein Anruf aus Wien. Doris F.
sagte, die Besprechung dauere nun doch länger als vorgesehen und
anschliessend
hätte Pascal* noch auf einem Programm zu arbeiten, er komme
wahrscheinlich
um 22 Uhr nach Hause. Ich war gleich wieder verärgert und
fühlte
mich, wie so oft, wegen Scientology im Stich gelassen.
-74-
Es gehörte zu den Gepflogenheiten meines Mannes, Termine
und
Verabredungen
mit mir hinter alles andere zu reihen und mich regelmässig zu
versetzen,
zu Gunsten anderer Leute oder zu Gunsten von Scientology. Dieses
Gefühl,
für ihn an letzter Stelle zu kommen, das er mir immer wieder gab,
war eine der vielen Demütigungen, die ich ertrug. Vielleicht hatte
es etwas mit dem Wert zu tun, den Scientologen allen anderen Menschen
beimessen.
Nichtscientologen heissen »Wogs« [16]
oder »Raw Meat« [17]
und gelten als »nicht bei vollem Bewusstsein«.
Ich war ihm nicht wichtig, obwohl ich ihm in meinem Leben alle
Priorität
einräumte und mich bemühte, immer dazusein, wenn er mich
brauchte.
Pascal* und sein Fortkommen waren mir sehr wichtig; ich wollte für
ihn
und für mich ein besseres, gemeinsames Leben ohne Schulden in
einer
schönen Umgebung. Doch ihm war sein Fortkommen im Sinne von
Scientology
wichtiger, für meine »Äusserlichkeiten« hatte er
kein Verständnis. Manchmal fragte ich mich, ob er überhaupt
wahrnahm,
wie ich seine Umgebung, seine frühere Junggesellenwohnung,
verändert
hatte. Er sagte einmal, für seinen Erfolg in Scientology wäre
er auch bereit, in einem Wohnwagen zu leben.
»Vielleicht gab es einmal eine Zeit, als Sie daran
dachten,
verheiratet zu sein, ein schönes Heim und eine hübsche,
kleine
Familie zu haben. Alles wäre bestens. Der Ehemann käme nach
Hause,
Sie würden das Abendessen servieren, und jeder wäre mit allem
glücklich, und dann haben Sie geheiratet und möglicherweise
entwickelte
es sich nicht ganz so. [...] Nun gut, was machen wir mit einer
solchen
Situation? Machen wir einfach mit der Ehe Schluss? Oder zünden wir
das Haus an? Oder werfen wir die Kinder in die Mülltonne?«
(L. Ron Hubbard: Eine neue Sicht des Lebens, S. 3)
Die Selbstbauregale, die wir Anfang 1996 für das
Büro
kauften,
habe ich ohne Pascal* an einem Abend zusammengeschraubt und aufgestellt.
Zuvor hatten sie schon eine Woche lang mit der Verpackung im Weg
gelegen.
-75-
Unser damaliger Arbeiter kam nach Feierabend noch einmal bei
uns
vorbei,
um mir Lieferscheine zu bringen. Er war erstaunt, dass ich diese
Arbeit machte und half mir, als er mich beim Zusammenschrauben und
Hämmern
im Büro vorfand. Es war schon nach 20 Uhr und daheim wartete seine
Frau mit einem Baby auf ihn. Mein Mann war nach einem Streit wegen der
Büroregale ganz einfach mit seinem Freund Z. auf ein Bier nach
Wien
gefahren. Anschliessend ging er natürlich noch zu den Scientologen
in die →Org. Er sagte danach nur, ich hätte die Regale nicht
aufstellen müssen. Ich antwortete ihm, dass mich die Ordner, die
jetzt
schon seit über einer Woche am Boden des Wohnzimmers standen,
gestört
hätten und es doch recht mühevoll wäre, alles, was ich
im
Büro brauche, erst lange zu suchen.
Eine andere Arbeit im Haushalt, die er nicht machen wollte,
war die
Verlegung eines Laminatbodens, den wir sehr günstig zum
Aktionspreis
im August 1997 kauften. In der Küche, wo das Linoleum schon
Löcher
hatte, und im Büro wollten wir einen neuen Boden legen. Der
Teppich
im Büro war schon sehr schmutzig und abgetreten und keine
Visitenkarte
für eine erfolgreiche Firma. Immer wieder verschob er den Termin
für
das Bodenverlegen, und Handwerker konnten wir uns nicht leisten. Pascal*
ist gelernter Tischler, hätte also diese Arbeit mit Leichtigkeit
erledigen
können. Nach fünf Monaten Streitereien verlegten wir im
Februar
1998 den neuen Boden in der Küche. Es ging nicht ohne viel Murren
von seiner Seite. Bis zu meinem Auszug am 13. Dezember 1998 wurde der
Boden
im Büro nicht verlegt, die Laminatbretter lagen noch immer in der
»Werkstätte«. Für ihn war Aufräumen und
Ordnung
halten immer eine Belastung. Für den Chef eines kleinen
Unternehmens
wäre aber Ordnung sehr wichtig gewesen. Hubbard hat dem Schaffen
von
Ordnung in allen Lebensbereichen ein ganzes Kapitel gewidmet. Doch
anscheinend
hatte er diese Stelle nie gelesen, statt dessen las er immer wieder
stundenlang
im Ethikbuch (→Ethik).
-76-
Er wurde fuchsteufelswild, als ich ihn einmal fragte, ob er
denn
dieses
Buch nicht längst auswendig hersagen könne. Gab es ein
Problem
mit der Arbeit, legte er sich mit dem Ethikbuch aufs Sofa - das war
seine
Art der Problemlösung.
Ein grosses Thema war das Rauchen. Pascal* rauchte, aber ich war
immer
schon überzeugte Nichtraucherin. Ich lebe sehr gesundheitsbewusst
und achte daher auf das, was ich meinem Körper zuführe, seien
es Lebensmittel oder Medikamente. Am Anfang unserer Ehe rauchte Pascal*
überall
und zu jeder Gelegenheit in der Wohnung, auch wenn die Kinder bei uns
waren.
Lange Diskussionen begannen, bei denen ich darauf aufmerksam machte,
dass
die Kinder und ich nicht eingenebelt werden wollen von seinem
Zigarettenrauch,
weil das nicht gesund ist und dazu noch stinkt. Einsehen, wenn es das
überhaupt
war, gab es erst nach einem Jahr, als sich Pascal* bereit erklärte,
nicht mehr im Wohnbereich zu rauchen.
Wenn unsere Arbeiter in der Werkstätte zu tun hatten, und
den
ganzen
Tag im Betrieb anwesend waren, kochte ich auch für die beiden. Sie
genossen es und fühlten sich gut bei uns aufgenommen. In der
Früh
gab es für die Arbeiter immer Kaffee in unserer Küche. Ich
bemühte
mich um ein gutes Einvernehmen mit ihnen. Sie konnten immer zu mir
kommen,
wenn sie etwas brauchten. Was auch immer es war, ich hatte stets ein
offenes
Ohr für sie. Ich will mich hier nicht über den grünen
Klee
loben, aber in der Zeit, in der ich in Pascals* Firma die Arbeiter
betreute,
hatten wir zweieinhalb Jahre lang dieselben Mitarbeiter, Gerhard* und
Ernst*,
und die ständige Personalfluktuation hatte aufgehört. Es gab
keine Kündigungen mehr, auch keine kostenintensiven
Endauszahlungen.
Wir hatten ganz einfach ein Team, das funktionierte und auf das wir
stolz
sein konnten.
-77-
Urlaub in Amerika
Im Herbst 1996 machten wir gemeinsam mit Urs U. und dessen Tochter Iris
eine Kalifornien-Rundreise. Pascal* hatte gewonnen, als Preis für
die
beste Produktion in der Remaill-Technik
Österreich-Schweiz-Deutschland
für das Jahr 1995. U. ist Schweizer und in gewissem Sinn Pascals*
Vorgesetzter
in der Remaill-Technik, denn er ist der Master-Franchise-Geber, vom dem
Z. die Rechte für Österreich erworben hat. Pascal* wiederum ist
Franchise-Nehmer von Z.
Schon auf dem Flughafen, machte Urs mich auf überhebliche
Weise
darauf aufmerksam, dass die monatlichen »Royalities«,
Lizenzgebühren
die Pascal* als Franchise-Nehmer zu zahlen hatte, diesmal wieder nicht
rechtzeitig
auf seinem Konto eingetroffen waren. Diese Gebühren betrugen zehn
Prozent des Umsatzes unseres kleinen Unternehmens.
Wir flogen von Genf nach Los Angeles. Von dort starteten wir
die
Rundreise
mit dem Auto durch Kalifornien und Nevada. In Los Angeles besuchten wir
natürlich die LRH-Galerie. Die »LRH-Gallery« ist -
auch
wenn der Vergleich jeden braven Muslim erschüttern mag - mehr als
das Mekka der Scientologen; dort wird dem Gründer in unglaublich
übersteigerter
Art gehuldigt. U. und Pascal* stolzierten zwei Gockeln gleich durch die
Ausstellung
über das Leben ihres Religionsstifters L. Ron Hubbard. Ach wie
toll
war doch Ron gewesen, Ron dort und Ron da, Ron hin und Ron her ... Das
allererste →E-Meter durften wir bewundern, ebenso das allererste
→Dianetik-Buch, einen supertollen Film über den noch viel
tolleren Ron: Ron als Familienvater am Herd, auf dem Arm eine Tochter,
Ron als Forscher, Schriftsteller, Ron auf jedem Wissensgebiet zu Hause.
Es hingen unendlich viele Zertifikate, Urkunden und
Anerkennungsschreiben
in protzigen Goldrahmen an den Wänden, ich schätze zwischen
400
und 500 Stück.
Ich erlebte einen Personenkult, wie ich ihn bisher nicht
kannte.
-78-
Unsere Führerin war eine deutschsprachige Schweizerin,
die sehr
ehrfurchtsvoll von Ron erzählte. Viel später erst hörte
ich auch Kritik an Hubbard, las Bücher, die keinesfalls dieses
grossartige
Bild von ihm verbreiteten und erfuhr auch, dass Hubbard ungefähr
300
Jahre hätte leben müssen, um all das zu schaffen, was
Scientology
ihm zuschreibt.
U.s Tochter Iris war 18 Jahre alt und natürlich eine
eingefleischte
Scientologin, sie war Lebensmittelverkäuferin und schien damit
sehr
glücklich zu sein. Eines von Iris' Beinen ist zirka drei
Zentimeter
kürzer als das andere, was ihr bei längeren Gehen und Stehen
Beschwerden machte. Sie fiel manchmal ganz einfach hin, weil sie durch
die Anstrengung, diesen Unterschied ausgleichen zu müssen,
ermüdete
und ihre Beine die Kraft verloren.
Ich fragte Urs, ob er mit Iris schon einmal beim
Orthopäden
war,
da Spezialschuhe diese Differenz ausgleichen könnten. Er wurde
sehr
zornig und sagte, natürlich liesse er sie nicht behandeln, denn
die
Ärzte seien alle Verbrecher. Dann wechselte er übergangslos
das
Thema und kam auf Aids zu sprechen, eine Krankheit, über die er
ganz
genau Bescheid wisse: Woher sie komme und wie man sie besiegen
könne,
wisse er am Besten von allen Menschen auf der ganzen Welt. Ich sagte
nichts
mehr, denn wir waren zu viert in einem Auto unterwegs und der
grösste
Teil unserer Rundreise lag noch vor uns, wir waren gerade in Palm
Springs
eingetroffen. Ich wollte keine Diskussionen, die schliesslich doch nur
zu Streit zwischen Pascal* und mir geführt hätten. Ausserdem
kannte
ich die merkwürdige Einstellung von Scientologen gegenüber
der
Medizin schon.
»Brillen sind ein Symptom der Verminderung des
Bewusstseins.
Jemand braucht eine Stütze für sein Sehvermögen heller
und
klarer aussehen zu lassen. Die Unfähigkeit, sich schnell zu
bewegen,
[...] ist ein Abnehmen des Bewusstseins und der
Fähigkeit.«
(L. Ron Hubbard: Eine neue Sicht des Lebens, S. 56 f.)
-79-
Ich empfand U.s Zornesausbruch als Kränkung im
Zusammenhang mit
meinem Beruf als Diplomkrankenschwester. Immer wieder passierte es,
dass
ich von Scientologen wegen meines Berufes und wegen meiner
Zusammenarbeit
mit Ärzten beschimpft wurde. Ärzte und Krankenschwestern sind
laut Scientology arrogant, Psychiater und Psychologen sogar kriminell.
Ich habe im Rahmen einer Schwesternfortbildung über Aids
und
Aids-Patienten
im Operationssaal einen ausführlichen Bericht geschrieben und auch
vor den Krankenschwestern vorgetragen. Dazu musste ich mir
Informationen
aus der Forschung sowie Arbeitsberichte von Krankenstationen, auf denen
Aids-Patienten lagen, besorgen. Ich hatte damals fast ein Jahr damit
zugebracht,
den Wissensstand über Aids für meine Kolleginnen zu
erarbeiten.
Dabei hatte ich viele Male Gelegenheit, mit Aids-Kranken zu sprechen.
Ich
habe meinen Beruf aus sozialen und moralischen Gründen
gewählt
und war stets darauf bedacht, die Berufsethik und die Interessen der
Kranken
zu beachten. Noch immer bin ich gerne Krankenschwester und werde mich,
solange ich arbeiten kann, für kranke und sozial schwache Menschen
einsetzen. Diese Einstellung konnte ich Pascal* niemals klarmachen. Er
verstand
nie, was ich damit meinte. Er zeigte niemals auch nur so etwas
ähnliches
wie Mitgefühl. Ich tröstete mich immer damit, dass es eines
Tages
ganz sicher besser werden würde.
Das Celebrity-Center in Hollywood hätte auch noch auf dem
scientologischen
Reiseprogramm gestanden, doch ich weigerte mich, es zu besuchen. Statt
dessen besichtigten wir die Universal-Studios. Wir waren in San Diego,
fuhren durch die Wüste nach Palm Springs und nach Las Vegas, wo
wir
auch Kasinos besuchten, weiter ging es ins Death Valley, den Yosemite
National-Park
und schliesslich nach Monteray an den Pazifik. Dort nahm ich das
schönste
Bad, das ich je hatte, im Ozean. Wir fuhren den Highway Number One
weiter
nach San Francisco, diese Stadt mir ihren viktorianischen Häusern
-80-
auf den zahllosen Hügeln gefiel mir viel besser als Los
Angeles,
das teilweise wie eine Barackenstadt aussieht. Natürlich nicht in
Beverly-Hills, dort sah ich die schönsten Häuser, die ich mir
nur vorstellen konnte. In San Francisco besichtigten wir alle
erdenklichen
Sehenswürdigkeiten, assen im Fischereizentrum am Hafen und
spazierten
an einem herrlich schönen Sonnenvormittag über die Golden
Gate
Bridge. Am letzten Tag besuchten wir die Gefängnisinsel Alcatraz.
Bei dieser Reise wollte ich mit Pascal* in entspannter
Atmosphäre
meinen Kinderwunsch besprechen. Ich wollte ganz einfach ein Kind in
unserer
Ehe. Doch er durfte ganz offensichtlich nicht noch ein Kind mit einer
nichtscientologischen
Frau haben. Da zeigte sich wieder einmal die merkwürdige
Einstellung
von Scientology gegenüber Kindern. →siehe
dazu auch: Babies
kriegen verboten?
Scheinbar hat er unsere Kinderdiskussion auf dieser USA-Reise
auch
→auditiert,
ich fand handschriftliche Notizen über eine Diskussion mit einer
mir
unbekannten Brigitte. Mich kränkte es, dass er mit fremden
Menschen
so intime Details aus unserer Ehe besprach. Viel später erst kam
ich
darauf, dass er regelmässig Berichte an Scientology schrieb, in
denen
es um die intimstem Details unserer Beziehung ging.
Die Pflichten einer Ehefrau
Nach und nach ist es mir auch gelungen, trotz meiner bescheidenen
finanziellen
Möglichkeiten, die Wohnung behaglicher zu machen, Pflanzen auf die
Fensterbretter zu stellen, hübsche Vorhänge und Bilder
aufzuhängen.
Wenn kein Geld aus der Firma da war, war es für mich
selbstverständlich,
diese Dinge aus meiner Tasche zu finanzieren.
-81-
Im ersten Jahr unserer Ehe versorgte ich meinen Mann zum
Geburtstag
und zum ersten gemeinsamen Weihnachtsfest mit schöner, modisch
eleganter
aber auch etwas teurerer Bekleidung, damit er, bei Kundenbesuchen
beispielsweise
bei einem Hoteldirektor oder einem Kurverwalter, nicht so ungepflegt
aussieht,
wie es seine Gewohnheit war. Er hat sich über diese Geschenke sehr
gefreut und diese Garderobe gerne getragen. Auch wenn er in die →Org
nach Wien gefahren ist, kleidete er sich nun so.
Auch als ich mit Pascal* verheiratet war, bekam ich ab und zu
Geld von
meiner Mutter. Sie kaufte mir manchmal auch etwas Schönes, wie
beispielsweise
eine Jacke von Chanel. Pascal* wirft mir vor, ausschliesslich
Designerkleidung
zu tragen, was aber nicht stimmt. Wahr ist, dass ich einige
Designerkleidungsstücke
besitze. Doch die hatte ich entweder schon vor unserer Heirat gekauft
oder
von meiner Mutter geschenkt bekommen. Der grössere Teil meiner
Garderobe
ist normale Kaufhauskleidung. Vor meiner Ehe mit Pascal* nähte ich
mir
auch einige schöne Kleider. In der Zeit, in der ich mit Pascal*
zusammen
war, hatte ich kein Geld, um Designerkleidung zu kaufen.
Die Gartenarbeit verrichtete ich fast ausschliesslich alleine,
das
Rasenmähen
übernahm Pascals* Vater. Nur in den seltensten Fällen half
Pascal*
mir. Vor und hinter dem Haus erstreckten sich insgesamt 4000
Quadratmeter
Garten. Die Auffahrt war mehr als siebzig Meter lang, und die Kunden
mussten
dort durchgehen oder durchfahren. Daher war es mir ein besonderes
Anliegen,
Brennesseln und Gestrüpp zu entfernen. Ausserdem liefen im Sommer
unsere Kinder im Garten herum, dort, wo vor meiner Reinigungsaktion
Glassplitter,
rostige Nägel in morschen Brettern, Baugitter und
Metallverschlüsse
von Bierflaschen in rauhen Mengen herumlagen. Es war also auch in
seinem
Interesse, diese Missstände zu beheben und statt Brennesseln
Ringelblumen
und Rosen zu pflanzen. [18]
Ich legte einen kleinen Gemüsegarten an und konnte Tomaten,
Zucchini
und Kräuter ernten.
-82-
Da in Piesting eine verheerende Schneckenplage herrschte und
die
Nacktschnecken
alles kahl zu fressen drohten, kaufte ich in meinem zweiten Ehejahr
türkische
Enten, die diese Schnecken mit Vergnügen frassen und uns so den
Garten
schneckenfrei hielten. Die Enten hiessen Anthony und Daisy. Im letzten
Jahr hatte ich auch eine Graugans, die mir zugeflogen war und sich bei
uns im Garten sehr wohl fühlte.
Pascal* fluchte, als ich ein Biotop anlegen wollte und er mir
beim
Aufhacken
des Bodens helfen sollte. Er meinte, das sei vertane Zeit. Ich wiederum
argumentierte, dass es ja auch für die Kunden schöner sei,
wenn
es rund um den Betrieb kultiviert aussähe.
Doch der nunmehr sehr gepflegte Garten interessierte ihn
nicht. Im
Gegenteil,
bei der Scheidung warf er mir vor, mich zuviel um die Gartenarbeit
gekümmert
zu haben.
Er warf mir in seiner Entgegnung auf meine Scheidungsklage
auch vor,
dass ich oft am Abend vor dem Fernseher sass. Ja, es stimmt, ich habe
mir
am Abend manchmal etwas im Fernsehen angeschaut, aber sein Konsum an
noch
dazu meistens brutalen Filmen war bedeutend grösser. Er hatte eine
Vorliebe für Filme, in denen Menschen nur so dahingeschlachtet
werden.
Er liess sich von einem Elektriker aus dem Nachbarort eine
Satelliten-Antenne
montieren - und sass dann noch viel öfter als zuvor vor dem
Fernseher.
Aus Platzmangel mussten die Buben, wenn sie bei uns
übernachteten,
im Wohnzimmer auf einer Couch schlafen. Er schaltete den Fernseher
nicht
einmal aus, wenn die Kinder schlafen gingen. Sagte ich dann, er solle
die
Flimmerkiste abstellen, war er meistens böse, weil er sich die
brutalen
Filme nicht zu Ende anschauen konnte. Ich machte ihn immer wieder
darauf
aufmerksam, doch nicht in Gegenwart der Kinder solche Filme laufen zu
lassen,
er könne doch etwas anderes auswählen und gemeinsam mit den
Kindern
anschauen. Er meinte dann nur, diese Filme würden den Kindern auch
gefallen.
Meine erzieherischen Bedenken wischte er einfach weg.
-83-
Aber er regte sich auf, wenn ich den Fernseher einschaltete,
weil
ich
nach einem ganzen Tag Büroarbeit und Zahlen, kein Buch mehr lesen
konnte und eine Unterhaltung mit ihm nicht möglich war, da sie
ohnehin
im Streit geendet hätte. Ich sah mir hauptsächlich ruhige
oder
romantische Filme an, aber auch Nachrichtensendungen und
Dokumentationen,
vor allem über medizinische Forschung. Das störte ihn, denn
in
den Nachrichten wurde natürlich auch über negative Dinge
berichtet
und die wollte er nicht →konfrontieren [19]
Als ich einmal sagte, ich sehe mir gerade diese Informationssendung an,
weil u. a. von der Umstellung auf den Euro berichtet wurde und ich
gerne
Informationen hätte, wie es mit den Zinsen und den Entwicklungen
für
den Einzelnen durch die Währungsumstellung aussieht und was sich
für
die Firma dadurch ändern würde, wurde er ganz besonders
zornig.
Er beschuldigte mich, ich würde mich nur deshalb mit diesem Thema
beschäftigen, weil ich mich dann noch mehr über seine
Schulden
freuen könnte. Ich sagte ihm, dass ich mir wie jeder andere auch
Gedanken
über die Währungsumstellung mache und dies absolut nichts
Aussergewöhnliches
sei und schon gar nichts mit seinen Schulden zu tun hätte. Doch es
war sinnlos, er wollte mir einfach nicht glauben.
Mary Sue Hubbard kannte ich damals noch nicht. Sie war eine
von L.
Ron
Hubbards Ehefrauen und beschrieb 1970 die Pflichten des Ehepaares in
der
Broschüre »Marriage Hat« [20]
Den 23 Hauptpflichten der Ehefrau stehen nur 21 des Ehemannes
gegenüber.
zu den Pflichten der Frau gehören: Kochen, waschen, bügeln,
einkaufen,
Kinder erziehen und noch einiges mehr rund um den Haushalt. Aber auch
schön
sein für den Ehemann gehört dazu. Die 15. Pflicht heisst,
sich
keinesfalls mit Gesichtsmaske oder Lockenwicklern vor dem Mann zu
zeigen,
sondern immer sauber und attraktiv zu sein. Ich war also die ideale
scientologische
Ehefrau, obwohl ich diese Vorschriften nicht kannte.
-84-
Mein Mann wusste das nie zu schätzen. Er kannte
anscheinend
seine
Aufgaben nicht. Zu diesen hätte gehört, den Rasen zu
mähen
und kleinere Reparaturen durchzuführen, aber auch, mir
gelegentlich
Blumen und kleine Geschenke mitzubringen.
Ende 1997 konnten nicht mehr alle Arbeiter der Firma bezahlt
werden,
daher wurde einem neuen Mitarbeiter wieder gekündigt. Er hatte
familiäre
Probleme und war zuletzt sehr oft im Krankenstand. Ich schied ebenfalls
offiziell aus der Remaill-Technik aus. Es war ein
glückliches
Zusammentreffen, dass ich gerade in dieser Situation das Angebot bekam,
in einem Wiener Krankenhaus für zwanzig Stunden pro Woche im
Operationssaal
zu arbeiten. Ich hatte dort bereits einige Aushilfsdienste gemacht und
wollte gerne wieder in meinem Beruf arbeiten. Das Schwesternteam dort
ist
sehr gut, was ein zusätzlicher Ansporn für mich war. Den Rest
der Woche, so war es vereinbart, würde ich in Pascals* Büro
arbeiten,
nicht mehr als offizielle Bürokraft, sondern als Ehefrau, die die
Buchhaltung nebenbei macht. Mit dem damaligen Steuerberater wurde
beratschlagt,
in welcher Form ich nun entlohnt werden könnte, und wir einigten
uns
darauf, dass mir Pascal* in Form von Privatentnahmen monatlich 8.000
Schilling
(581 Euro) geben solle. Im Jahr 1998 musste ich oft Monate auf meine
Entlohnung
warten, weil Pascals* Firma kein Geld hatte. Ich war aber auf die 8.000
Schilling
angewiesen, weil ich aus meinem Zwanzig-Stunden-Job nur ungefähr
11.000
Schilling (800 Euro) bekam, aber weiterhin finanzielle Verpflichtungen
hatte (Miete, den Unterhalt für meinen Sohn, Telefon,
Bausparverträge,
Lebensversicherung und Autoversicherung; natürlich brauchte ich
auch
Geld für den Haushalt, denn er gab mir kein regelmässiges
Wirtschaftsgeld).
Auch Pascals* einziger noch verbliebener Mitarbeiter Gerhard
musste
auf
sein Geld warten. Zum Jahresende stellte sich heraus, dass Pascals* Firma
gerade das erste Mal einen Gewinn gemacht hatte, laut Buchhaltung
800.000
Schilling (58.000 Euro). Doch auf dem Konto war kein Geld. Wo war es
geblieben?
-85-
Zurück ins Berufsleben
An den Tagen, an denen ich im Krankenhaus arbeitete, wurde immer wieder
Geld ohne Beleg aus der Kassa entnommen. Natürlich merkte ich,
dass
Geld fehlte, ich fragte Pascal* auch danach. Er sagte dann, er hätte
Z.-Materialrechnungen oder dies oder das bezahlt. Ich sagte, er
müsse
mir das doch bitte aufschreiben, wenn ich nicht da bin und mir auch die
Zahlungsbelege für die entnommenen Summen bringen. Manchen Belegen
bin ich wochen- oder monatelang nachgelaufen. Viele dieser Belege
habe ich nie bekommen, vermutlich weil es sie gar nicht gibt. Ich
musste
dann am Monatsende alle Fehlbeträge als Privatentnahmen buchen.
Das
war bald ein gängiger Trick in der Buchhaltung, denn am Ende des
Monats
müssen in der Kassa die Einnahmen und Ausgaben stimmen. Mit Hilfe
dieses Tricks, zu dem mir die neue Steuerberaterin im Jahr 1998 geraten
hatte, stimmte Pascals* Kassa immer, doch wo war das Geld geblieben?
1998 hatte Pascal* immer wieder auf seinem Firmenkonto bei der
Volksbank
Bankomatabhebungen in der Höhe von 5.000 Schilling (363 Euro). Als
Bearbeiterin seiner Kontoauszüge musste ich ihn fragen, was mit
diesem
Geld finanziert wurde, wenn ich den entsprechenden Beleg nicht bekam.
Er
überraschte mich gewöhnlich damit, dass er vorgab, nicht mehr
zu wissen, wofür er das Geld ausgeben hatte. Diese fehlenden
Beträge
kann ich nicht erklären, denn es gab auch keine Belege
darüber.
Doch Pascal* beschuldigte mich, ungenau gearbeitet zu haben. Wer mich
kennt,
weiss auch, dass ich allergrössten Wert auf Ordnung in allen
Lebensbereichen
lege. Ich habe immer sehr sorgfältig gearbeitet, daher empfinde
ich
es als schwere Beleidigung, wenn mir Unordnung vorgeworfen wird.
-86-
Unordnung gab es wirklich, aber auf Pascals* Schreibtisch. Hatte
ich
die
Jahre zuvor immer wieder nachgesehen, was auf seinem Schreibtisch an
wichtigen
Rechnungen liegengeblieben war, so war es mir nun aufgrund meiner
reduzierten
Arbeitszeit für die Firma unmöglich, sein Durcheinander zu
ordnen.
Es blieben daher immer wieder wichtige Dinge unerledigt. Beispielsweise
lag eine Versicherungspolice für den Firmenwagen, mit dem unser
Arbeiter
fuhr, unerledigt auf dem Schreibtisch. Erst als unser
Versicherungsvertreter
(ein gemeinsamer Freund) anrief und mir sagte, dass am nächsten
Morgen
die Zulassungsbehörde kommen und die Kennzeichen des Firmenautos
abschrauben
werde, hat Pascal* reagiert. Er stapelte alle ungeöffneten Kuverts,
inklusive der eingeschriebenen Mahnungen für diese
Versicherungssumme,
irgendwo auf seinem Schreibtisch und kümmerte sich nicht darum.
Ich hoffte, durch die Drohung, das Auto werde abgeholt,
würde
er
zukünftig doch ordentlicher sein. Aber ich hatte mich
getäuscht
- es ging so sorglos weiter wie bisher. Am 14. Oktober 1998 stand der
Gerichtsvollzieher
vor der Tür. Zuerst erschrak ich sehr, denn bis zu diesem Tag
hatte
ich mit Gerichtsvollziehern und Pfändungen nichts zu tun. Er
sagte,
er müsse 1.800 Schilling (131 Euro) pfänden. Ich könne
den
Betrag aber auch bar bezahlen. Als ich nachfragte, eröffnete er
mir,
mein Mann wurde bereits zwei Wochen zuvor per Gerichtsbrief
verständigt
und müsse daher ja wissen, wofür er bezahlen solle. Ich habe
nie eine Rechnung, eine Mahnung oder einen gerichtlichen Zahlungsbefehl
für diese Summe gesehen. Eigenartigerweise ist die gelbe
Zahlungsbestätigung,
die mir der Gerichtsvollzieher gab, später ebenfalls verschwunden
und nie wieder aufgetaucht.
In der Buchhaltung fand ich nie einen Hinweis auf diesen
Betrag.
-87-
Die Freunde meines Mannes
Ich ärgerte mich immer mehr über seine Fahrten nach Wien,
weil
er dort bis zu vier Abende pro Woche verbrachte und mich allein in
Piesting
zurückliess. Er sagte immer wieder, ich könnte ja mitfahren.
Das tat ich dann, ich liess mich sogar dazu überreden, drei
kleinere
Kurse bei Scientology in Wien zu machen. Die bestanden
hauptsächlich
darin, in kindischer Art und Weise mit Büroklammern, Gummiringen
und
sonstigen Kleinutensilien [21]
erlebte Situationen oder solche aus dem soeben gelesenem Lehrstoff
nachzustellen.
Ich kam mir dabei ausserordentlich dumm vor, fühlte mich auf
Kindergartenniveau
zurückgesetzt. Die Kursüberwacherinnen [22]
waren jedoch mit meinen Leistungen sehr zufrieden und →bestätigten
mich auch dafür. Einmal sagte Christa Z., es gäbe selten
jemanden
wie mich, mit einer so schnellen Auffassungsgabe. Den anschliessenden
Kursabschluss
hatte ich bei Barbara K. zu machen, sie sagte mir, ich sollte die Ringe
von meinen Fingern ziehen und das →E-Meter in die Hand nehmen.
Es sei nur ganz wenig Strom darin und es diene dazu, zu sehen, ob ich
Erfolg
mit meinem Kurs hätte. Ich sagte, das könne ich ihr auch so
sagen,
ich könne mir aufgrund meines Wissens aus der Medizin nicht
vorstellen,
dass es ein Gerät gäbe, mit dem man Erfolg messen kann. Sie
waren
entsetzt, weil ich bei keinem Kursabschluss das E-Meter in die Hand
nahm,
liessen mich aber trotzdem die Kurse machen, die nicht viel kosteten,
nur
rund 800 Schilling (58 Euro) je Kurs. Mein Mann bezahlte für mich.
Das war eine der wenigen Gelegenheiten, für die er Geld für
mich
ausgab. Diese billigen Kurse sind als Einstieg gedacht und sollen dazu
verlocken, wegen der angeblichen Erfolge, weitere und dann
natürlich
teurere Kurse zu machen.
An einem solchen Abend versuchte man, mir einen sogenannten
→Persönlichkeitstest
aufzudrängen, den ich im Nebenraum ausfüllen sollte. Ich las
den Fragebogen, auf dem ein Foto Albert Einsteins war, genau durch und
fand die Fragen viel zu persönlich.
-88-
Einige Fragen beschäftigten sich damit, wann und wie oft
ich
Muskelzuckungen
hätte. Nach ungefähr zehn Minuten gab ich den
»Test«,
unausgefüllt der Kursüberwacherin zurück und sagte, ich
würde nichts ausfüllen, weil mir die Fragen mir zu weit
gingen
und nichts mit meinem Kurserfolg zu tun hätten. Sie reagierte
enttäuscht,
und mein Mann, der sich mit ihr unterhielt, war ziemlich böse.
Ungefähr
eine Woche später fragte mich Doris F., die Leiterin der Wiener
→Org,
ob ich Mitglied bei der IAS [23],
werden wolle, denn so grossartige, lebensbejahende Menschen wie ich es
sei würden für die Errettung des Planeten Erde gebraucht. Ich
sagte, ich wolle keiner anderen Religion beitreten und ausserdem
hätte
ich nicht das nötige Geld dafür. Pascal* wollte den
Mitgliedsbeitrag
für mich bezahlen, doch das lehnte ich ab.
Ich bin katholisch und will es auch bleiben, es ist einfach
der
richtige
Glaube für mich. Pascal* trat 1998 aus der katholischen Kirche aus,
obwohl ich ihn gebeten hatte, es nicht zu tun. Seit diesem Zeitpunkt
war
ich kaum mehr in der →Org in der Schottenfeldgasse.
Ich begleitete ihn 1996 auch zu zwei Abenden bei
»Business
Success«
in Wien. Dort hielt Franz W., einer der Mitbesitzer, vor rund dreissig
Personen einen Vortrag über »Zustände« (→
Ethik).
Am Anfang unserer Ehe war Pascal* noch zusätzlich zu all
seinen
Verpflichtungen
auch im »Charter Comittee Vienna« tätig, jeden
Dienstag
bis 22 Uhr. Seine Aufgabe war es, Streitparteien, die dort →gehandhabt
wurden, anzurufen und Termine für Gespräche zu vereinbaren.
Sein
damaliger Spitzname war »Bulldogge«. Ich beschwerte
mich
bei Pascal*, dass er nicht nur an vielen Abenden sondern auch am
Wochenende
nicht zu Hause war. Er beendete damals die Tätigkeit für das
Charter Comittee, was er mir aber immer wieder bei Streitereien
vorgeworfen
hat. Er behauptet, ich habe ihm damals mit der Scheidung gedroht. Doch
war er es, der das Wort Scheidung immer wieder ins Gespräch
brachte.
-89-
Erst viel später erfuhr ich von einem seiner
Scientology-Freunde,
dass man mit seiner Arbeit nicht ganz zufrieden war und es allen nur
recht
war, dass er von selbst aufgehört hat. Das Büro des Charter
Comittee
Vienna befand sich zum damaligen Zeitpunkt in der Linzerstrasse 32, in
einem Nebenraum des Werbestudios Angelika T., genaugenommen war es ein
Abstellraum. Ich habe es nur einmal gesehen, als wir Sessel und ein
Fax-Gerät
hinbrachten.
Im Dezember 1995 fanden Silvia und ich am Boden unter Pascals*
Schreibtisch
einen kleinen Stapel zusammengelegter Zettel. Offensichtlich waren sie
ihm in seiner Unordnung hinuntergefallen, ohne dass er es merkte.
Silvia
hob sie auf, und auch ich bückte mich, um ihr zu helfen. Da sie
neben
dem Altpapierkübel lagen, konnte man auch meinen, sie wären
beim
Wegwerfen daneben gefallen. Als wir dann nachschauten, was denn das
sei,
entdeckten wir, dass es Rechnungsbelege der Scientology-Church Wien
waren,
aus denen hervorging, dass Pascal* an Scientology schon Beträge von
mindestens 300.000 Schilling (21.800 Euro) bezahlt hatte.
Wir waren beide eine ganze Weile sprachlos und beschlossen
dann,
Pascals*
Eltern, die ohnehin schon jahrelang unter seinen scientologischen
Aktivitäten
gelitten hatten, nichts von diesem Geld zu erzählen. Seit damals
wusste
ich, dass Scientology nicht die Kirche ist, als die sie sich nach
aussen
gibt.
Wie hilflos ich wirklich war, war mir zu dem damaligen
Zeitpunkt
nicht
bewusst, wie aussichtslos alle meine Versuche und Aktivitäten von
Anfang an waren, wird mir erst jetzt klar. Ich musste wieder mit einer
Scheidungsdrohung von Pascal* rechnen, wenn ich neuerlich Opposition
gegen
Scientology machen würde, so versuchte ich es nun auf die sanfte
Weise.
Ich begann ihn zu verwöhnen, ihm zu Hause noch mehr
Geborgenheit
zu geben, ich versuchte, seine Nichtscientology-Freunde dafür zu
gewinnen,
-90-
ihm das Leben ausserhalb diese Sekte schmackhaft zu machen.
Auch
seine
Familie war in diesen Plan eingeweiht und wir versuchten in Piesting
einen
lieben intakten Freundeskreis für Pascal* wiederherzustellen. Ich
probierte
ab und zu, Pascals* Eltern zum sonntäglichen Kaffee oder Essen zu
bitten,
oder umgekehrt arrangierten wir Besuche bei seinen Eltern, seiner
Schwester
und bei Freunden. Ebenso luden wir meine Schwester und ihren Mann,
deren
Kinder und meine Eltern ein, fuhren sie besuchen oder unternahmen etwas
mit ihnen. Ausserdem habe ich sehr gerne Gäste und Freunde um
mich;
sie bereichern das Leben. Wir machten im Sommer Grillfeste, bei denen
wir
ab und zu auch Scientologen einladen mussten, sonst wäre meine
Absicht
zu stark aufgefallen. Grundsätzlich machte ich bei solchen
Gelegenheiten
auch keine Unterschiede zwischen Scientologen und Nichtscientologen, da
auch die meisten von ihnen sehr liebe Freunde von mir geworden sind.
Mittlerweile
sind sie es nicht mehr. Darüber habe ich mich kurz nach der
Scheidung
sehr gewundert. Ich musste damals auch damit rechnen, dass die
Scientologen
noch für geraume Zeit einen Teil unseres Umfeldes darstellen
werden.
Später erfuhr ich, dass ich genauso gehandelt hatte, wie
Sektenberatungsstellen
es in solchen Fällen empfehlen. Doch der Erfolg war nicht von
Dauer.
Die Einkäufe für diese Grillfeste hatte
natürlich
nach
Pascals* Ansicht ich zu machen, wie alle unsere Einkäufe. Als ich
ihn
fragte, ob er mir am Samstag vor dem stattfindenden Grillfest einkaufen
hilft, wenigstens die Mineralwasserkisten und die Bierkisten tragen
würde,
sagte er, er habe vor, am Samstag in die →Org zu fahren und habe
daher keine Zeit. Wieder einmal hatten wir einen Streit, weil ihm die
Scientologen
wichtiger waren, als mir beim Einkaufen zu helfen. Nach längerem
Hin
und Her liess er sich unter Gemurre dazu herab, mir doch zu helfen.
Diesen
Vorfall hielt er mir später immer wieder vor.
-91-
Nach einiger Zeit war ihm diese Situation zu eng und er begann
wieder,
häufiger in die →Org zu fahren. Dem gingen zahllose Anrufe
für Pascal* voraus, oft auch spät in der Nacht.
Hauptsächlich
riefen Frauen an, die sich nicht einmal vorstellten und mich noch dazu
duzten, obwohl ich sie nicht kannte. Es waren dreissig verschiedene
Anruferinnen
oder auch mehr, eines Tages habe ich aufgehört mitzuzählen.
Ich
beschwerte mich bei Pascal* über diese Anrufe und auch über
deren
Form immer wieder und fragte ihn, was denn diese Frauen von ihm wollen.
Einmal rief ich dann in der →Org in Wien an und beschwerte mich
über diese Anrufe. Ich sagte, dass Pascal* jetzt verheiratet ist und
ich nicht immer diese Anrufe, noch dazu zu später Stunde haben
will.
Ganz bestimmt war ich auch eifersüchtig.
»Eifersucht ist der grösste Faktor beim
Auseinanderbrechen
von Ehen. Eifersucht entsteht aufgrund einer Unsicherheit der
eifersüchtigen
Person; die Eifersucht mag begründet sein oder auch nicht. Diese
Person
hat Angst vor versteckten Kommunikationslinien und würde alles
tun,
in dem Versuch, sie aufzudecken. Das wirkt sich auf den anderen Partner
so aus, dass er das Gefühl bekommt, seine Kommunikationslinien
wären
abgeschnitten, denn er fühlt sich berechtigt, offene
Kommunikationslinien
zu haben, während sein Ehepartner darauf besteht, dass er viele
von
ihnen schliesst.« (L. Ron Hubbard: Eine neue Sicht des
Lebens,
S. 56)
In unserer ganzen gemeinsamen Zeit haben für mich nur
zwei
Männer
angerufen, zwei Freunde aus alten Zeiten, die auch ihren Namen nannten.
Aufgehört haben die Anrufe von Pascals* »Freundinnen«
nie.
Nicht einmal am Nachmittag des Muttertages, als wir unsere Mütter
auf meine Initiative hin zu Kaffee und Kuchen eingeladen hatten, war
Ruhe.
Auch da rief zweimal hintereinander jemand von der →Org in Wien
an. Es half alles nichts, es war ganz einfach keine Ruhe zu bekommen.
Damals
wusste ich natürlich noch nicht, dass ständiges Anrufen zu
den
üblichen scientologischen Praktiken gehört, wenn die
Vermutung
aufkommt, ein Mitglied könnte austreten wollen.
-92-
Systematisch bekam Pascal* einen neuen Zeitplan verpasst, er
sollte
keine
Zeit mehr haben für Frau, Familie und Freunde, keine Zeit mehr
für
Gespräche mit diesen Menschen.
»Kommunikation ist die Wurzel des ehelichen Erfolgs,
aus
welcher
eine starke Einheit erwachsen kann, und Nicht-Kommunikation ist der
Felsen,
an dem das Eheschiff seinen Kiel zerschmettern wird.« (L. Ron
Hubbard: Eine neue Sicht des Lebens, S. 54)
Statt mit mir etwas zu unternehmen, hatte er immer mehr
Kontakt zu
seinen
scientologischen Freunden, zu seinen →Auditoren, die als eine
Art Gedankenpolizei fungieren und das Leben der Mitglieder total
ausleuchten,
die Gedankenwelt verändern und schliesslich einen Menschen
komplett
beherrschen können - ein Prozess, der über Jahre fortdauern
kann.
Die finanzielle Entwicklung in Pascals* Firma wurde immer
dramatischer.
Doch Ende 1996 stellte Pascal* auf Zureden von Z. und trotz meines
Abratens
einen dritten Arbeiter ein, den wir eigentlich nicht bezahlen konnten.
Die Kosten für die beiden anderen Arbeiter und für mein
Gehalt
betrugen mit dem Weihnachtsgeld im Dezember 1996 ungefähr 150.000
Schilling (10.900 Euro). Das war nicht mehr finanzierbar, und so
versuchte
ich zum x-ten Mal, mit Pascal* ein realistisches Gespräch über
seine Firma und seine immer grösser werdenden Schulden zu
führen.
Auch die Rentabilität der Firma sprach ich an. Es brachte absolut
nichts, er sagte mir nur immer wieder, ich hätte →Gegenabsichten
und würde mich an den negativen Zahlen doch nur erfreuen. Meine
allergrösste
Freude wäre es, wenn er mit seiner Firma untergehen würde.
Ich
war erstaunt, dass mein Mann, von mir, seiner Ehefrau, eine solche
Meinung
haben konnte. Ich versicherte ihm immer wieder, dass ich ihn liebe und
es mir wirklich am Herzen läge, dass er endlich Schluss mit seinen
unsinnigen Schulden und mit seiner Firma machen würde
-93-
Pascal* hat einen guten Beruf erlernt und mit einigen
Nachschulungskursen
könnte er als guter Handwerker, gerade in dieser Zeit, in der
viele
Menschen Wert auf die Qualität des Handwerks legen, sicher gut
verdienen.
Er hat das Tischlerhandwerk in der HTL in Mödling gelernt.
Als ich nicht mehr weiter wusste, bat ich Silvia, die die
finanzielle
Situation der Firma ebenso gut kannte wie ich, mir doch zu helfen, ihn
von einer vernünftigen Lösung zu überzeugen. Wir
sprachen
mit ihm fast vier Stunden lang, danach waren wir müde und hatten nichts
erreicht. Zu stark war der Einfluss von Z., der ihm wieder und wieder
sagte,
dass ich →Gegenabsichten und →Betrachtungen hätte
und so wie früher Karin alles nur →dramatisiere.
Trotz aller Probleme im Betrieb hatte Pascal* für Margit
M.s Bad
sehr bald Zeit, als sie ihn fragte, ob er es renovieren könne. Ich
half ihm dabei, es war in der Weihnachtszeit 1996. Als Gegenleistung
bot
sie mir ihre Schlankheitsbandagen an. Ich war neugierig darauf und
dachte,
es könnte mir nicht schaden, ein paar Kilo abzunehmen, obwohl
meine
Bekannten immer sagen, ich hätte eine gute Figur. Margits Methode
heisst »Victoria Morton Body Wrap« oder »Victoria
Morton
Ganzkörperwickel« und kommt aus den USA. Sie hat es dort bei
Victoria Morton gelernt, die auch eine Scientologin ist und in
Clearwater,
Florida, am Hauptsitz von Scientology lebt. Angeblich ist diese Methode
schon vierzig Jahre alt und geht auf die alten Ägypter
zurück.
Fünf bis zehn Ganzkörperwickel sollen eine deutliche
Reduktion
des Umfangs bringen, das Gewicht müsse dabei nicht unbedingt
weniger
werden, erklärte Margit mir. Sie bandagierte mich meist
persönlich,
zwei oder dreimal wurde sie von ihrer Mitarbeiterin Johanna vertreten.
Margit nutzte die Gelegenheit immer für ein Gespräch
über
Scientology, gab nicht auf, mich bekehren zu wollen. Sie sagte einmal,
Pascals* Ziel sei es, →Clear zu werden, wenn ich ihm dabei im Weg
stünde, würde er sich von mir trennen.
-94-
»Clear: Eine Person, die durch Scientology-Prozessing
die
Gewissheit
ihrer eigenen Identität als Wesen erreicht hat und getrennt von
der
Identität des Körpers ist. Die Begriffe Clear, Clearing
(klären)
usw. kamen ursprünglich durch Vergleich mit einer Addiermaschine
in
Verwendung. Wenn einige Zahlen in der Maschine heruntergehalten werden,
kommt man bei der Addition einer Reihe von Zahlen zu falschen
Lösungen.
Wenn die heruntergehaltenen Zahlen dann geklärt (gelöscht,
engl.
cleared) werden, kommt man zu richtigen Lösungen.« (L.
Ron
Hubbard: Eine neue Sicht des Lebens, S. 25)
Sie begann mich von den Beinen hinauf über Becken, Bauch,
Oberkörper,
Arme bis zum Schluss Kopf einzubandagieren. Ziemlich straff, damit das
Wasser aus dem Gewebe herausgepresst würde. Dazu benutzt sie
elastische
Binden, die in einem grossen Topf in Wasser eingelegt waren. Doch
dieses
Wasser was etwas besonderes, nämlich »Goldwasser« nach
der geheimen Formel Victoria Mortons. Waren Kopf und Körper fertig
gewickelt, bekam ich an Füssen und Händen Plastiksäcke
übergestülpt,
die mit Gummiringen befestigt wurden, in denen sich das Gewebswasser
sammeln
sollte. Es sammelte sich auch immer wieder trübes Wasser, aber das
war wohl aus den nassen Bandagen. Über den Oberkörper bekam
ich
einen gelben Poncho, wie die Kinder ihn bei Regen auf dem Schulweg
tragen,
und darüber noch einen warmen Schlafrock. Dann musste ich eine
Stunde
im Studio bei Musik hüpfen und tanzen. Danach wurde ich, ebenso
wie
vor dem Wickeln, an zehn Stellen von Oberschenkel bis Hals gemessen.
Die
weggewickelten Zentimeter wurden zusammengezählt notiert. Ich
hatte
immer den Eindruck, dass Margit vor der Prozedur das Massband viel
lockerer
um mich legte, als danach. Zwei Tage nicht duschen, damit das
Goldwasser
in die Haut einwirken kann, lautete ihr abschliessender Auftrag.
-95-
Ich hielt mich nie daran. Zu Hause duschte ich sofort. Pascal*
war
empört
darüber, denn er meinte, ich mache Margits Werk kaputt.
Wie die Remaill-Technik ist auch »Victoria
Morton Body
Wrap« und Günther S.s Firma »Tock« als
Franchise-System
aufgebaut. Margit war wohl Master-Franchiser in Österreich, denn
sie
bot mir an, einen Teil von Wien zu übernehmen und dafür von
ihr
Lizenz und Know-how zu kaufen.
Ich lerne
die »Wissenschaft
über Scientology«
Wiederholt war ich den Werbeversuchen durch Margit und ihre Freundinnen
ausgesetzt. immer deutlicher redeten sie davon, dass Pascal* mich
verlassen
würde, sollte ich mich noch länger weigern, Scientologin zu
werden.
Damit begann wieder einmal ein problematischer Abschnitt
unserer Ehe
und ich begriff allmählich, dass ich mich ins Lager der Feinde
begeben
müsse, um meinen Mann zu verstehen.
Eine gute Freundin Margit M.s erklärte sich bereit, mir
die
Grundlagen
der »Wissenschaft über Scientology« zu erläutern.
Sie ist wirklich sehr nett, wie alle Scientologen, die ich
kennenlernte,
immer höflich und zuvorkommend, wenigstens am Anfang. Sie hatte
stets
ein Lächeln im Gesicht. Stundenlang las ich mit ihr in den
Büchern
von Scientology. Ich musste dabei immer laut vorlesen wie in der
Volksschule.
Machte ich beim Lesen einmal einen Fehler, so musste ich den ganzen
Satz
wiederholen. Kam es vor, dass ich mich wegen meiner Müdigkeit -
diese
Sitzungen waren immer am Abend nach einem Tag voll Arbeit - öfter
verlesen hatte, musste ich manchmal sogar den ganzen Absatz nochmals
lesen.
Sinnvolle Erklärungen warum, gab man mir nicht, oder man versuchte
mir einzureden, ich verlese mich nur dann, wenn ich ein Wort im Text
nicht
verstanden hätte.
-96-
Anschliessend machten wir »Wortklären«, das
heisst,
ich lernte Begriffe aus Scientology kennen, musste die Erklärung
des
jeweiligen Wortes vorlesen, anschliessend die Erklärung des Wortes
mit meinen Worten definieren und mit den schon bekannten
Kleinutensilien
darstellen.
Nach insgesamt vier Wochen war dieser Zauber vorbei und
für
einige
Monate war wieder Friede in der Ehe Pascal* und Ilse eingekehrt.
Auf immer wiederkehrendes Befragen, was ich denn gegen
Scientology
habe,
antwortete ich stets mit zwei Standardsätzen: Erstens kostet es
zuviel
Geld. Geld, welches Pascal* und ich nicht hatten und auch nicht so
schnell
haben würden, und zweitens störte mich der enorme
Zeitaufwand,
Zeit, die mir als Ehepartnerin vorenthalten wurde, Zeit die auch der
Familie
fehlte.
Ich sprach - aus taktischen Gründen - nie aus, was mich
am
meisten
störte, nämlich die Verhaltensänderung meines Mannes
mitansehen
zu müssen. Diese Veränderung Pascals* versuchte ich
selbst
zu stoppen oder zu mildern, indem ich immer wieder versuchte, mich mit
ihm darüber zu unterhalten.
»Eine Unterhaltung ist der Vorgang von abwechselnd
ausströmender
und einströmender Kommunikation [...]. Es gibt eine
Grundregel:
Die
Person, die ausströmen möchte, muss ebenfalls einströmen
- jemand, der einströmen möchte, muss ebenfalls
ausströmen.
wenn wir feststellen, dass diese Regel nach einer der beiden Richtungen
hin ihr Gleichgewicht verloren hat, entdecken wir
Schwierigkeiten.« (L.
Ron Hubbard: Eine neue Sicht des Lebens, S. 143)
Nahezu alle diese gutgemeinten und gut begonnen Gespräche
endeten
in stupiden Streitereien. Es ging dabei immer wieder darum, wessen
Wahrheit
nun wahr ist: Meine Wahrheit ist mehr wahr als deine, es kann nicht
sein,
dass deine Wahrheit mehr wahr ist als meine.
-97-
Ich redete mir immer wieder zu, ich darf die Hoffnung, einen
Weg zu
Pascals* Ich zu finden, niemals aufgeben, denn dann ist die Ehe und unser
gemeinsames Leben kaputt. So aber kamen wir nicht weiter.
Anfang 1997 hatten wir im Büro keinen Platz mehr für
die
Ordner
des neuen Jahres, wir mussten also umorganisieren und entscheiden,
welche
Ordner wir im Keller unterbringen könnten. Ich musste eine ganze
Reihe
von neuen Ordnern anlegen, was ich eigentlich sehr gern tat, damit die
Übersicht gewahrt würde. Damit war ein Besuch im
Büromarkt
fällig, um Ordner, Trennblätter, ABC-Unterteilungen, Basketts
etc. zu besorgen. Mit einem Wort: ein ziemlich umfangreicher Einkauf.
Wir
hatten ausgemacht, diese Einkaufsfahrt, die mit einer ziemlichen
Schlepperei
verbunden war, gemeinsam am Samstagvormittag zu erledigen. Als wir
losfahren
wollten - ich zog mir gerade die Schuhe an - rief Pascal* A., Scientologe
und Bergsteigerkollege Pascals*, an und fragte, ob Pascal* Zeit hätte,
ein bisschen in die Berge klettern zu gehen, das Wetter wäre
für
den Jänner doch so schön und ungewöhnlich warm. Pascal*
sagte
dann in meinem Beisein zu, er hätte sofort Zeit, A. solle um elf
Uhr
am Bahnhof in Wiener Neustadt sein, man gehe anschliessend klettern.
Ich ärgerte mich furchtbar und wies Pascal* zurecht, dass
wir
doch
vereinbart hätten, die Bürosachen für seinen Betrieb
gemeinsam
zu kaufen. Er meinte nur, ich könne ja die Dinge allein holen, er
wolle jetzt eben mit seinem Freund klettern gehen. Ich wies ihn
nochmals
daraufhin, dass wir diesen Termin schon vor fast einer Woche ausgemacht
hätten, und ich nicht schon wieder die Dumme sein will, die alles
besorgt und trägt, während er sein Freizeitvergnügen
haben
kann. Das sei für mich überhaupt nicht in Ordnung. Er regte
sich
fürchterlich auf und sagte, ich könnte seine Freunde nicht
leiden,
besonders die Scientologen.
Doch im Gegenteil: manche seiner Freunde mochte ich sehr gern,
was
mich
ärgerte war, dass er immer wieder zu Gunsten seiner Freunde mich
und
meine Anliegen und Interessen hinten anstellte.
-98-
Das hatte ich mir als Ehefrau, die die Interessen ihres Mannes
immer
voranstellte nicht erwartet. Er fand niemals etwas falsch daran, so mit
mir zu verfahren. Ich hatte immer die Schuld, wenn ich mit der
Situation
nicht zurechtkam, er niemals.
Manche seiner nicht-scientologischen Freunde waren nur noch
böse
auf ihn, weil er Dinge, die er für sie tun sollte, ganz einfach
nicht
wichtig nahm. Was er für einen Scientologen tun sollte, ging immer
vor. Arbeiten für sie wurden zuerst erledigt, dann erst
kamen
- vielleicht - seine alten Freunde an die Reihe. Mit der Renovierung
eines
Waschbeckens für seinen Freund, unseren Hausherrn, hat er meines
Wissens
nie begonnen, obwohl der es für eine Ausstellung gebraucht
hätte.
Seinem »Freund« Z. dagegen zimmerte er an einem Wochenende
ein Kästchen, an der Vorderfläche verfliesst, noch dazu mit
den
Fliesen, die er schon im Voraus als Gegenleistung für das
Waschbecken
bekommen hatte. Ich machte Pascal* darauf aufmerksam, dass er seine
Freunde
nicht gleich behandelt und den einen wichtiger nimmt als den anderen.
Das
konnte er nicht →konfrontieren, dabei bekam er dann auch seine
Wutausbrüche, beschimpfte und kränkte mich. Niemals zeigte er
Reue, wenn er mich gekränkt hatte. Nein, er gab immer mir die
Schuld,
denn ich hätte kein Verständnis für ihn und seine
Freunde.
Aber auch seine Kunden behandelte er manchmal recht
merkwürdig.
So hatte er einmal den Auftrag bekommen, für einen grossen
pharmazeutischen
Betrieb Labortüren zu beschichten. Diese Türen sollten zu den
sterilen Räumen führen und hätten deshalb besonders
sorgfältig
behandelt werden müssen. Aber sie lagen einfach in der
unaufgeräumten
Werkstätte herum. Eines Tages kam unangemeldet der Architekt des
Pharmabetriebes,
um nachzufragen, wann denn die Türen endlich fertig sein
würden.
Dabei sah er sie herumliegen, stellte fest, dass die Werkstätte
nur
eine alte Garage ohne spezielle Spritzlackierkammer war und regte sich
daher furchtbar auf.
-99-
Die Türen konnten mit dem Remaill-Technik-Verfahren
überhaupt
nicht beschichtet werden, denn sie waren aus Holz und nicht aus Email,
daher hätte die Lackierung Bläschen und Unebenheiten
hervorgerufen.
Sie wurden kurz nach dem Besuch des Architekten unrepariert abgeholt.
Im Mai 1997 hatten wir einen fürchterlichen Streit, der
damit
begann,
dass ich sagte, die Wahrheit, die er bei Scientology und seinen
Freunden
zu finden glaubte, sei ziemlich teuer, teuer in finanzieller Hinsicht,
aber auch teuer, was den Verlust der familiären Einheit und des
Vertrauens
betrifft. Pascal* wurde im Verlauf dieser Streiterei zunehmend
aggressiver
und schleuderte zwei volle Bierflaschen in der Küche auf den
Boden.
Danach nahm er die Dartscheibe meines Sohnes und zertrümmerte sie.
Es sah furchtbar aus bei uns. Noch furchtbarer war aber, die
Hilflosigkeit
meines Mannes mitanzusehen, wenn er nicht mehr argumentieren konnte und
die Wahrheit über die Machenschaften seiner »Freunde«
weder entkräften noch ertragen konnte.
Die Bierflaschen waren entweder Überbleibsel von einem
der
Grillfeste
oder aus einer Bierkiste, die ich meinem Schwiegervater immer auf der
Kellerstiege
bereitstellte, damit er nach dem Rasenmähen ein kühles
Getränk
hatte als kleine Belohnung.
Pascal* trank sehr selten Alkohol und immer nur mit schlechtem
Gewissen.
Wenn er vorhatte, am nächsten Tag in die →Org zu fahren,
trank er natürlich keinen Alkohol.
Ich hätte manchmal gerne am Abend, wenn es zum Essen
passte,
ein
Bier mit ihm geteilt, denn ein ganzes ist zuviel für mich. Mit mir
hat er nie Alkohol getrunken, nur mit seinen Freunden. Einmal war sein
Freund, der Scientologe Helmut P. zu Besuch. Er hatte einen Doppelliter
Weisswein vom Neusiedler See mitgebracht. Die beiden spielten Gitarre
und
tranken dazu den ganzen Wein. Ich trinke keinen Weisswein, daher haben
sie mich auch nicht eingeladen.
-100-
Pascal* erzählte mir einmal, als wir ganz frisch
verheiratet
waren,
dass er als sechzehnjähriger Bursche mit anderen Burschen
herumgezogen
sei und sich oft betrunken habe, aber seit er bei Scientology sei,
mache
er das nicht mehr. Dort hätte man ihn vor seinem Ruin bewahrt, er
wäre sonst Alkoholiker geworden. [24]
Die Geschichte ist meiner Meinung nach lächerlich,
scientologisch
formuliert und überzeichnet. Seine Mutter, die eigentlich immer
sehr
offen zu mir war, hat mir nie etwas darüber erzählt.
Wahrscheinlich
wurde ihm das eingeredet, wieder ein Grund für ein →Auditing.
Pascal* war ganz einfach nicht mehr in der Lage, realitätsbezogen zu
denken.
Nach diesem Aggressionsausbruch machte ich mir zum ersten Mal
Sorgen
um mich. Was, wenn seine Aggressionen sich nicht mehr nur auf das
Zertrümmern
von Gegenständen beschränken, wenn er eines Tages auf mich
losgehen
würde? Ich hatte Angst, was musste denn noch alles passieren, dass
er begreifen würde, was seine »Religion« und seine
Freunde
aus ihm gemacht hatten.
Ich erzählte damals niemandem von dem Vorfall. Doch Pascal*
konnte
sich nicht zurückhalten und erzählte seiner Schwester sofort,
als ich ein einziges Mal eine Haarspraydose vor Wut auf den Boden warf,
von dem Vorfall. Zu einem anderen Zeitpunkt warf er in der
Werkstätte
ein Glas mit Schrauben und Nägeln an die Wand. Die Scherben und
die
Schrauben liess er liegen. Unser Mitarbeiter Gerhard fragte mich am
Morgen
danach, was da passiert sei und ich erzählte ihm die Wahrheit.
Immer
häufiger flogen bei uns Gegenstände durch die Luft, einmal
war
es beispielsweise eine Kaffeetasse an die Fliesenwände der
Küche,
ein anders Mal war es ein Buch.
Als wir uns im Juni 1997 einmal heftig stritten, kam Pascal* am
nächsten
Tag mit der Idee nach Hause bei Scientology ein
»Ehehandling«
zu machen. Hinter diesem Begriff verbarg sich eine Art Seminar für
Eheleute, ähnlich einer psychologischen Eheberatung, die Pascal*
natürlich
abgelehnt hätte.
-101-
Ich wollte nicht schon wieder dagegen sein und willigte also
ein.
Nach
ein paar Tagen, als wir am Abend Zeit hatten, fuhren wir in die →Org
nach Wien. Doris F., die Leiterin, sagte, wir können so ein
Eheseminar
oder →Auditing in Hamburg bekommen. Es koste nur 37.000 Schilling
(2.690 Euro). Wir sollten uns doch in den Nachtzug nach Hamburg setzen,
am nächsten Tag das Eheseminar machen und am Abend den Nachtzug
nach
Wien nehmen. So würden wir am wenigsten Zeit verlieren. Ich sagte
sofort, dass mir das zu teuer sei und angesichts unserer finanziellen
Situation
könnten wir und das nicht leisten. Daraufhin schauten mich die
beiden
ganz böse an, keine Ahnung warum, ich hatte doch nur die Wahrheit
gesagt. F. meinte dann noch, wir könnten uns doch nach einem
»Geldfluss«
in der Familie umsehen, das heisst, wir sollten uns von Verwandten Geld
ausborgen. Das lehnte ich aus moralischen Gründen ab.
Zwei Tage später rief mich Margit M. an und sagte mir,
wir
könnten
das Eheseminar auch in Wien machen, 2.500 Schilling (182 Euro). Ich
fragte
sie, wie sich dieser Preisunterschied erklären liesse. Sie
antwortete,
in Hamburg hätte ein »hochtrainierter« Auditor das
Eheseminar
abgehalten, in Wien könnten wir es mit einem Geistlichen der
Scientology-Church
in der sogenannten Öffentlichkeitsabteilung machen. Aha, sagte ich
mir, diese Fantasiepreise müssen also doch nicht sein. Wenn man
sich
nur dagegen wehrt, finden sie schon eine Möglichkeit, wie sie
einen
dazu kriegen, doch bei Scientology mitzumachen.
Es scheiterte dann an einer ganz anderen Sache: Ich weigerte
mich
bei
der Sitzung wieder einmal, das →E-Meter in die Hand zu nehmen.
Zum einen hatte ich Angst vor Strom (ich hatte mich als Kind einmal
elektrisiert)
und zum anderen fand ich das Ding ganz einfach grotesk lächerlich.
Alfred W., unser »geistlicher Auditor« erklärte dann
sofort,
er könne kein Eheauditing machen, wenn ich nicht daran glaube,
dass
das E-Meter einen Sinn habe.
-102-
Er könne so auch nicht erkennen, wo ich eine
»Ladung«
hätte. »Ladung« verstand ich als ein Problem, das er
bei
mir finden wollte. Ich blieb dabei, Eheauditing ja, →E-Meter nein.
Mein Mann bemühte sich dann noch in einem Nebenraum, mir mein
→Engramm
mit dem Strom zu nehmen, und mich dazu zu bewegen, das E-Meter
wenigstens
in abgeschaltetem Zustand anzugreifen. Das tat ich dann auch, weshalb
er
meinte, einen grossen Erfolg für sich verbuchen zu können.
»Erfolg beruht auf der Fähigkeit, nicht nur die
eigenen
Berufswerkzeuge, sondern auch die Leute, die einen umgeben, zu
→handhaben
und zu kontrollieren.« (L. Ron Hubbard: Eine neue Sicht des
Lebens,
S. 57)
Das Eheseminar in Wien machten wir schliesslich nie, obwohl
Pascal* es
bezahlte. Er warf mir nach meiner Weigerung, das →E-Meter zu benutzen,
bei jedem Streit vor, dass es meine Schuld sei, dass das Eheseminar
für
uns nicht stattgefunden habe.
In diesem Sommer gab es einen »Event« [25]
bei dem es darum gehen sollte, wieviele Verbrechen man den Psychiatern
und Psychologen noch zusätzlich zu den angeblich bisher entdeckten
anlasten könnte. Für mich waren diese Ereignisse immer
furchtbar,
da ich dabei auch in meiner Integrität als Diplomkrankenschwester
angegriffen wurde. Pascal* versuchte, mich über die Dinge, die ich
im
Lauf meiner Ausbildung und meiner Berufslaufbahn gesehen habe,
auszufragen:
Immer wieder begann er mit solchen Fragen, immer wieder versuchte ich
ihm
zu erklären, dass Mediziner keine Verbrecher seien. Er glaubte mir
natürlich nie, zu stark war das »Wissen«, welches er
von
Scientology vermittelt bekommen hatte. Das war seine Wahrheit. Ich bat
ihn, doch bitte nicht zu diesem »Event« zu fahren: Er fuhr
natürlich trotzdem.
Veranstaltet wurden damals und werden auch heute diese
»Events«
von der CCHR (Citizens Commission on Human Rights), auch KVPM
(Kommission
für Verstösse der Psychiatrie gegen Menschenrechte) genannt,
obwohl dieser Name kaum noch verwendet wird.
-103-
Diese Organisation wurde von Scientology gegründet und
beschäftigt
sich fast ausschliesslich mit Psychiatrie-Kritik. Im Grunde genommen
ist
die CCHR nichts weiter als eine Werbeorganisation für Scientology.
Ein Vortrag hat ungefähr den folgenden Inhalt:
Die Psychiater haben sich am Anfang des 20. Jahrhunderts
zuerst
selbst
erfunden und dann den Holocaust, der ohne sie gar nicht möglich
gewesen
wäre, denn sie hätten die Gaskammern erfunden. Psychiater
seien
wahre Sexmonster mit vielen ausserehelichen Beziehungen zu
Patientinnen,
häufig mit mehreren gleichzeitig - und dafür liessen sie sich
auch noch bezahlen, weil diese Sexabenteuer in ihrer Arbeitszeit
stattfänden.
Psychiatrie sei keine Wissenschaft und habe sich deshalb die
Unterstützung
durch Psychologie, Chiropraktik und andere Nichtwissenschaften
organisiert.
Psychiater und ihre Helfershelfer würden den ganzen Menschen oder
zumindest einzelne Organe zerstören, entweder durch Psychopharmaka
oder durch chirurgische Eingriffe. Unter den Vortragenden bei der CCHR
gibt es auch Ärzte. Ich fragte mich, wie ein Arzt seine Kollegen
so
in Misskredit bringen konnte.
Die Finanzkrise
Manchmal wusste ich nicht weiter, nur die Liebe, die Pascal* immer wieder
ins Lächerliche zog, bewog mich noch immer, für eine bessere
Zukunft zu kämpfen und auf den Tag zu warten, an dem er einsehen
würde,
was ich wirklich für ihn wollte
Im Sommer 1997 wollte Pascal* die Produktlinie der Firma
»Quorum«
als Nebenverdienst in sein Unternehmen einbringen. Er fuhr mit Z. zu
einer
Veranstaltung, bei der man die Produkte des Strukturvertriebes Quorum
kennenlernen
konnte.
-104-
An diesem Abend kam er völlig euphorisch nach Hause und
erklärte
mir, wie grossartig die Sachen seien, die er ab nun verkaufen wolle und
vor allem könne er ja mit dem vielen Geld, welches er ab jetzt
verdienen
werde, seine Schulden →handhaben. Natürlich wusste ich damals
noch nicht, was ein Strukturvertrieb - oder mit anderem Namen, ein
Multilevelmarketing
- ist und wie so etwas funktioniert. Wie vieles andere auch, habe ich
das
erst nach der Scheidung erfahren.
Die Grundidee des Strukturvertriebs ist, dass man immer neue
Leute
wirbt,
die auch das wunderbare Produkt verkaufen. Vom Verkaufserlös
dieser
Leute bekommt man als Werber einen gewissen Prozentsatz. Wer also genug
Leute geworben hat, kann sich zurücklehnen und auf das Geld
warten.
Ich habe auch erfahren, dass Scientologen eine besondere Vorliebe
für
Multilevelmarketing haben, weil es offenbar ihrer Vorstellung vom
»Geld
machen« (vgl. S. 21) entspricht.
Einige Tage nach dem Abend bei Quorum kam völlig
überraschend
eine von Pascals* scientologischen Freundinnen, Athea, zu Besuch. Sie
liess
eine Selbstbau-Alarmanlage samt Zubehör sowie die
dazugehörigen
Beschreibungen für die Montage bei uns. Pascal* sollte versuchen,
diese
Alarmanlage zu verkaufen. Das gelang ihm aber nicht, denn niemand von
unseren
Bekannten wollte von diesen Produkten ohne Markennamen etwas wissen.
»Quorum«
ist ein Strukturvertrieb, aufgebaut wie ein Pyramidenspiel. Jeder
Mitarbeiter
ist ein selbstständiger Unternehmer und muss die Ware kaufen - und
zwar eine bestimmte Menge pro Monat. Bei den Produkten der Firma Quorum
handelt es sich um Sicherheits- und Unterhaltungselektronik sowie
Kosmetika.
Es gelang mir damals mit den schon dazugehörigen Debatten, Pascal*
davon
zu überzeugen, das er nicht genug Geld für zehn Fernseher und
zehn Alarmanlagen habe, um dieses Zeug in der Garage zu lagern. Wer
sollte
es ausserdem kaufen?
-105-
Sollten wir vielleicht aus der Garage ein Verkaufslokal
machen? Was
würde eigentlich bei Reklamationen passieren? Wer wäre dann
verantwortlich?
Wer würde ein Fernsehgerät oder eine Alarmanlage reparieren?
Wieder einmal war er sehr wütend. Weil ihm sonst kein
Argument
einfiel, machte er mir den Vorwurf, seine »Freundin« Athea
nicht zu mögen, ja ich sei sogar eifersüchtig auf sie und
habe
deshalb →Gegenabsichten. Ausserdem sei ich ein →Unterdrücker.
Ich liess aber nicht locker und die Episode Quorum ging Gott sei Dank
an
uns vorbei. Vorwürfe deswegen hörte ich noch lange, hatte
aber
längst damit leben gelernt, ein Unterdrücker mit
→Gegenabsichten
zu sein. Er konnte mich damals kränken, wie er wollte, schimpfen
und
toben, soviel er wollte, ich hatte mir vorgenommen, stark zu bleiben
für
uns und die Familie.
Im August 1997 war das Firmenkonto bei der Volksbank mit etwa
700.000
Schilling (50.900 Euro) im Minus, doch die Bank gewährte ihm
abermals
einen Kredit von 400.000 Schilling (29.000 Euro) und zusätzlich
einen
Überziehungsrahmen von 300.000 Schilling (21.800 Euro),
eigenartigerweise
ohne Bürgen oder andere Sicherheiten.
Ein Teil der finanziellen Schwierigkeiten, die wir im Sommer
1997
hatten,
ergab sich daraus, dass wir einem Arbeiter im Mai gekündigt
hatten,
da er einfach keine Arbeitslust mehr hatte und nur noch
unzuverlässig
arbeitete. Die Reklamationen im Zeitraum Februar bis Mai 1997 hatten
sprunghaft
zugenommen. Die Zeit, die mit den Reklamationsarbeiten zugebracht
werden
musste, fehlte natürlich bei der Produktion
Da ich zu diesem Zeitpunkt absolut keinen vernünftigen
Zugang
mehr
zu Pascals* Gedankenwelt hatte, bat ich eine ihm sehr vertraute
Scientologin,
Gabriela P., auf die er in vielen Dingen hört, mit uns eine
Gespräch
zu führen. Sie hatte - angeblich - rein zufällig angerufen,
eine
Gelegenheit, die ich nutzte. Schon am nächsten Tag kam sie zu uns
und nahm sich fünf Stunden Zeit für das Gespräch.
-106-
Sie kam mir sehr vernünftig vor und sagte einiges, das
für
uns durchaus sehr brauchbar klang. Jedenfalls hörte Pascal* auf sie.
Bei diesem und einem darauffolgenden Gespräch kamen wir
überein,
Sparmassnahmen zu erarbeiten. Ich sollte für die Finanzen
verantwortlich
sein und nun sagen können, was ausgegeben werden kann und was
nicht.
Daran hielt er sich jedoch nie, auch nicht an die
Vereinbarung, ab
sofort
einmal in der Woche eine »Finanzbesprechung« zu machen. Bis
ich am 20. Oktober 1998 aus dem Büro hinausgeworfen wurde, hatten
wir diese »Finanzbesprechung« nur dreimal durchgeführt
- vereinbart war sie jedoch als wöchentlicher Fixtermin.
Ein Beispiel für seine Missachtung der Vereinbarung, dass
ich
die
Finanzen der Firma verwalten und für die Ausgaben verantwortlich
sein
sollte: Z. wollte Firmenbriefpapier drucken lassen, brauchte dazu aber
eine Mindestbestellzahl, damit der Preis pro Stück auf 80 Groschen
(0,6 Euro) pro Briefbogen festgesetzt werden konnte und nicht wie
üblich
fast das Doppelte kostete. Deshalb mussten alle österreichischen
Franchisenehmer
auch bestellen, ob sie nun Bedarf an Briefpapier hatten oder nicht. Da
ich in unserem Büro für diese Bestellung verantwortlich war,
sagte ich zu Z.s Frau Sonja, natürlich auch Scientologin, ich
hätte
noch an die 4000 Bogen Firmenbriefpapier auf Lager und käme damit
locker die nächsten zwei Jahre aus. Wir hätten daher keinen
Bedarf
und würden daher jetzt auch nicht bestellen. Daraufhin rief Z.
Pascal*,
der bei Kunden war, am Handy an und sagte, er könne das der Remaill-Technik-Vereinigung
nicht antun, alle haben bei der Briefpapierbestellung mitzumachen, so
auch
er und er solle doch seine Frau →handhaben. In der darauffolgenden
Woche wurden uns 16.500 Bogen Remaill-Technik-Briefpapier von
schlechter
Qualität geliefert, zu einem Zeitpunkt, zu dem das Firmenkonto
völlig
im Minus war.
-107-
Pascals* Vater sagte einmal, dass er Z. für einen
Betrüger
halte,
weil er Pascal* bei der Firmentrennung 1992 um sehr viel Geld betrogen
habe.
Er könne nicht verstehen, dass sein Sohn sich noch immer mit dem
Z.
abgebe. 1992 machte Pascal* sich selbständig, nachdem zuvor die Remaill-Technik
allein Z.s Betrieb war.
Doch noch immer mischte Z. sich in alles ein. Seine
Anweisungen
kamen
meistens telefonisch oder per Fax. Persönlich kam er nur ganz
selten,
wenn es ganz besonders wichtig war, beispielsweise als er 1998 Pascals*
Mutter
überreden wollte, noch einmal für einen Kredit zu
bürgen.
Sie selbst war bei dem Gespräch nicht anwesend, denn sie mochte Z.
nicht und hätte sich nie an einen Tisch mit ihm gesetzt.
Z. hatte wohl immer Angst, die Familie könnte den Kampf
um
Pascal*
gewinnen. Doch Pascal* kommt niemals aus den Fängen von Scientology,
solange er zulässt, dass Z. sich in sein Leben einmischt. Er
behandelt
Pascal* wie es ihm gerade passt, und Pascal*, der sich sonst immer wehrt,
sagt
keine Silbe. Er lässt sich von diesem »Freund« alles
gefallen
und sieht nicht, oder will nicht sehen, wie er von ihm manipuliert
wird.
Der ständige Kampf um Pascal* zwischen Z. auf der einen
Seite und
Pascals* Eltern, Karin und mir auf der anderen Seite kann von uns nicht
gewonnen
werden, denn er wird von Z. mit unfairen Mitteln ausgetragen. Zu diesen
Mitteln gehören ständige Beeinflussung und das Erwecken
falscher
Hoffnung, alles werde sich bessern, wenn Pascal* sich nur von den
jeweiligen
→unterdrückerischen Personen in seiner Umgebung trennen
würde.
Nur so könne er die völlige Freiheit erlangen. Scientology
vertritt
die These, jeder Mensch hat sein Spiele im Leben und liebt es, diese
Spiele
zu spielen, in einem dieser Spiele geht es nur darum, das
Familienumfeld
von Pascal*, aus dem Kritik an Scientology kommt, auszuschalten - und
zwar
ein für alle Mal.
-108-
Der Anfang vom Ende
Am 20. Oktober 1998 wurde mir die Buchhaltungsarbeit weggenommen. Vater
und Sohn Z. hatten Pascal* dazu geraten, weil ich überaus
unordentlich
sei, keine Rechnungen bezahlt hätte, und auch zu wenig Zeit im
Büro
verbringen würde. Innerhalb von zwei Stunden, während ich
unsere
üblichen Einkäufe in Wiener Neustadt erledigte, wurden alle
Buchhaltungsordner
des Jahres 1998, die Kassabücher sowie die Kassa selbst in das
Unternehmen
von Z. (junior) gebracht. Mir erklärten die beiden Z., ihre Firma
mache ab sofort die Buchhaltung für Pascals* Firma - und zwar
kostenlos.
Erst nachdem ich Pascal* darauf aufmerksam machte, dass ich auf meine
Einkünfte
aus seiner Firma angewiesen sei, sagte er, ich könne mein Geld
auch
weiterhin haben. Doch seit dem 20. Oktober 1998 habe ich von Pascal*
keinen
Schilling mehr bekommen, auch kein Haushaltsgeld. Nur wenn ich ihm
ausdrücklich
sagte, dass wieder einmal ein grösserer Lebensmitteleinkauf
notwendig
sei, warf er mir einen Geldschein hin, meistens waren es 1000
Schilling.
Wenn Kunden bar bezahlten, brachte er bei seinen Fahrten zu Z., die er
gewöhnlich zweimal in der Woche unternahm, das Geld in einer
Küchenbox
aus Kunststoff dort hin. Z. teilte für ihn das Geld ein. Im ersten
von Z. bearbeiteten Buchhaltungsmonat gab es Privatentnahmen von 40.000
Schilling (2900 Euro). So hohe Beträge waren während meiner
Zeit
als Buchhalterin nie entnommen worden.
Wir stritten nun mehr denn je, natürlich auch wegen
dieser
verschwundenen
Gelder. Er schrie mich an, wenn ich nach dem Verbleib des Geldes fragte
und sagte, die Buchhaltung gehe mich nichts mehr an, dieser Zug sei
für
mich abgefahren. Er wolle sich jetzt endlich von mir befreien und sich
scheiden lassen. Ich machte ihn darauf aufmerksam, dass für mich
die
Scheidung keine Lösung sei. Ich fühlte mich an unsere
Trauungsversprechen,
auch in schlechten Tagen zusammen zu bleiben, noch immer gebunden.
-109-
Er brüllte nur noch, er wolle sich scheiden lassen. Ab
dem 20.
Oktober kam von ihm kein nettes Wort mehr. Wenn ich versuchte, ihn zu
beruhigen
und ihm eine Versöhnung anbot, blockte er ab, wenn ich nicht
sofort
nachgab, schrie er mich nur noch an.
Er schlief ab dem 20. Oktober nicht mehr im Ehebett sondern
auf dem
blauen Sofa im Wohnzimmer. Zweimal in dieser Zeit hat er dann doch im
Ehebett
geschlafen, vermutlich aber nur, weil ihm das Wohnzimmer zu kalt war.
Einmal
wollte ich ihn an der Schulter berühren und ihm mit dieser Geste
zeigen,
dass ich doch seine Frau bin, die zu ihm hält und die ihn noch
immer
lieb hat. Er stiess mich einfach weg. Ich fragte ihn dann nach einiger
Zeit - weil er die Scheidung noch immer nicht eingereicht hatte -,
warum
er es denn nicht mache, wo es doch anscheinend sein Wunsch sei. Er
sagte,
dafür habe er jetzt keine Zeit.
Er bezichtigte mich immer wieder, ich würde lügen
und nur
im Sinn haben, ihn zu zerstören und ihm seine Freunde zu nehmen.
Er
nannte mich dabei eine →unterdrückerische Person, die seine
Finanzen und sein Leben →dramatisieren würde, er könne
es mit mir nicht mehr aushalten.
Bei unseren gemeinsamen Freunden suchte ich Rat und Hilfe. Ich
ging
zu Margit und zu Gabriela, die uns beide ihre Hilfe anboten, doch er
wollte
davon nichts wissen. Beide sind natürlich Scientologinnen, denn
andere
gemeinsame Bekannte hatten wir nicht mehr. Heute würde ich mich
hüten,
sie um Hilfe zu bitten, doch damals glaubte ich noch, dass eine Rettung
unserer Ehe möglich wäre.
Ich suchte auch bei Pascals* Eltern und bei seiner Schwester
Unterstützung.
Sie waren zwar bereit, mir zu helfen, doch es wurde ihnen bald zuviel.
Sie verstanden viele unserer Eheprobleme nicht - wie sollten sie auch.
Heute sind sie gegen mich und stehen auf Pascals* Seite, was ich verstehe
und respektiere. Sie haben wahrscheinlich gar nicht glauben
können,
was ich ihnen alles erzählte, als ich bei Pascals* Eltern viele Male
weinte.
-110-
Womöglich haben sie nicht begriffen, was ich meinte,
vielleicht
haben sie alles, was ich sagte, für total übertrieben
gehalten.
Pascal* sagte nur, ich sei verrückt und gab seinen Eltern
gegenüber
natürlich mir die Schuld am Zerbrechen unserer Ehe habe. Ich kann
verstehen, dass man solche Vorkommnisse in normalen Familien, die mit
Scientology
nichts zu tun haben, nicht findet und nicht versteht. So manches an
meinen
Erzählungen mag ihnen unrealistisch geklungen haben. Aber ich habe
meine Schwiegereltern nicht belogen. Ich will mich nicht mehr in die
Familie
drängen, die ohnehin mit Scientology und deren Auswirkungen auf
das
Zusammenleben, schon genug gelitten hat, deshalb habe ich zu meinen
Schwiegereltern
und meiner Schwägerin keinen Kontakt mehr. Doch tut mir der
Abbruch
der Beziehungen sehr leid.
Meine Bedenken und Beschuldigungen gegen Z. werde ich nicht
zurücknehmen.
Auf Z.s Firmenbriefpapier erhielt Pascal* den Scheidungsbefehl. Z. war
immer
der Dritte in unserer Ehe. Es war, als sei er immer anwesend, als
flüstere
er Pascal* immer das nächste Wort zu.
Am Abend des 30. November 1998, als wir wieder einmal heftig
stritten,
spuckte Pascal* mir Zahnputzwasser ins Gesicht und in die Augen. Zwei
Tage
zuvor hatte er mir vor Zorn eine Zeitung ins Gesicht geschleudert. Ein
anderes Mal versuchte er, meinen schwarzen Schal um meinen Hals
zuzuziehen.
Diese Vorfälle meldete ich mit meiner Anwältin bei der
Gendarmerie
Wöllersdorf. Ich wurde dort gefragt, ob ich Anzeige gegen meinen
Mann
erstatten möchte. Ich tat es nicht, weil ich meinen Mann liebte.
Am 1. Dezember 1998 reichte ich die Scheidungsklage ein. Als
Gründe
gab ich an, dass er Mitglied bei Scientology ist und sein Geld nur
dafür
verwendet und - für mich ein sehr schwerwiegender Grund - die
Weigerung,
ein Kind mit mir zu haben.
-111-
Pascal* beschuldigte mich nach der Scheidung, ich hätte mir
meine
Anwältin nur ausgesucht, um ihn endgültig zu vernichten, denn
sie habe Scientology schon früher sehr geschadet. Es stimmt
tatsächlich,
dass sie mir empfohlen wurde, weil sie bereits gegen Scientology
erfolgreich
prozessiert hatte.
Er hat Angst vor der Veröffentlichung unserer
Scheidungsgeschichte
und wirft mir vor, ihm gedroht zu haben, die Geschichte in einem
grossen
Nachrichtenmagazin abdrucken zu lassen. Er befürchtet, durch eine
Veröffentlichung bekäme er Schwierigkeiten mit Scientology.
Das
führt dazu, dass er mit Beschuldigungen gegen mich wahllos
herumwirft.
Manchmal, denke ich, er weiss gar nicht mehr um den Sinn der Dinge, die
er sagt. Es sind nicht seine eigenen Aussagen und seine eigenen
Gedanken,
immer spricht Scientology aus ihm. Ich habe ihm nie gedroht, doch er
legt
alles, was ich im Scheidungsverfahren gesagt habe, als Drohung aus. Es
wundert mich immer aufs Neue, wie im Handumdrehen ein Satz komplett
anders
verstanden werden kann und wie diese Neufassung dann verbreitet wird.
Da sind Scientologen wahrlich Meister ihres Faches;
»schwarze
Propaganda«, die Diffamierung →unterdrückerischer Personen,
gehört zum Handwerkzeug.
Am 13. Dezember 1998 zog ich aus der ehelichen Wohnung in
Markt
Piesting
aus und übersiedelte zu meiner Mutter, die damit einverstanden
war.
Mein Auszug konnte Pascal* nicht schnell genug gehen. Er half mir sogar,
die Übersiedlungskisten wegzubringen.
Von meinen Schwiegereltern konnte ich mich leider nicht
verabschieden.
Ich wusste nicht, ob man mir dort überhaupt noch die Tür
aufmachen
würde. Mir tut es weh, dass diese ehrlichen, anständigen
Leute
so unter den Auswirkungen dieser Wirtschaftssekte leiden müssen.
Sie
hätten sich im Alter Frieden und ein schönes Leben verdient
und
nicht ständige Sorgen und Ängste um ihren Sohn und seine
immer
grösser werdenden finanziellen Probleme.
-112-
An Tag meiner Übersiedlung habe ich meinem Mann zum
Abschied
gesagt,
dass all meine Versuche, ihm seinen Weg zurück zu seinem
ursprünglichen
Ich, zurück zu dem Pascal*, den seine Familie und seine Freunde
einst
mochten, zu ermöglichen, fehlgeschlagen sind. Ich habe oft und oft
den Versuch gemacht, ihm einen anderen Weg zu zeigen, ich habe mich in
Liebe um ihn bemüht, habe in unseren zahlreichen
Streitdiskussionen
nach Argumenten gesucht - aber es war vergebens. Pascal* lebt ein
programmiertes
Leben für eine ganz neue Welt mit eigenen Regeln, für ein
angebliches
freies ICH, irgendwann in der Zukunft.
»Es gibt eine Grundregel, dass eine psychotische
Person mit
der Vergangenheit beschäftigt ist, dass eine neurotische Person
kaum
imstande ist, mit der Gegenwart fertig zu werden, und eine geistig
gesunde
Person mit der Zukunft beschäftigt ist.« (L. Ron
Hubbard:
Eine neue Sicht des Lebens, S. 91)
Seine Denkweise macht es ihm aber immer schwerer, sich mit der
realen
Welt zu verständigen und eigenbestimmt zu denken. Eine unsichtbare
Mauer hat sich zwischen ihm und der Realität aufgetürmt. Die
fatale Folge dieses von Scientology vorprogrammierten Lebens mit den
Regeln,
die er unter allen Umständen einzuhalten hat und auch einhalten
wird,
hat ihn von den Menschen entfernt, die ihn wirklich liebten und noch
immer
lieben. In diesem Zustand wird er von seiner »Religion«
festgehalten
und versiegelt. Der neue Mensch Pascal* soll geboren werden durch eine
komplette
Persönlichkeitsveränderung und dem damit verbundenen
radikalen
Bruch mit der Vergangenheit. Aus dem Wortschatz dieses neuen Menschen
hat
Scientology die Wörter Liebe, Verständnis, Geborgenheit und
Wahrheit
entweder verbannt oder mit anderen Inhalten gefüllt. Menschen
gelten
als Wegwerfartikel. Der Mensch Pascal*, wie ich ihn am Ende unserer Ehe
erlebte,
konnte nicht mehr lachen, nur noch das scientologische
Dauerlächeln
aufsetzen, nicht mehr lieben - und sich auch nicht mehr vorstellen,
dass
er geliebt wurde.
-113-
Der Schlussstrich
Ich begann, mir in Eigenregie Hilfe zu besorgen, kaufte mir Bücher
über Sekten, über Scientology, über alles, was ich
für
sinnvoll hielt. Ich hatte niemanden, den ich über
Hintergründe
fragen konnte, niemanden, der meine Lage verstehen konnte. Die
Schwiegereltern
waren zwar nett, aber sie hatten natürlich auch nicht das
Fachwissen,
das ich so dringend gebraucht hätte.
Bücher über Scientology musste ich bei Freunden
verstecken.
Aus einem dieser Bücher erfuhr ich die Adresse der Sektenstelle
der
Erzdiözese Wien. Ich vereinbarte dort einen Termin und erfuhr, was
ich von der Zukunft meiner Ehe erwarten konnte. Als ich mich
verabschiedete,
hatte ich den Satz im Ohr: »Frau Hruby, gehen Sie, solange Sie
dazu
noch imstande sind«.
Ich suchte später noch andere Beratungsstellen auf und
machte
mit
ihnen teilweise enttäuschende, teilweise aber auch sehr gute
Erfahrungen.
Pascal* wurde für mich immer unzugänglicher, immer
kälter,
er konnte sich von einer Sekunde zur anderen mit einer
»Steinoberfläche«
überziehen und somit war es unmöglich, weiter mit ihm zu
sprechen.
Jeder Versuch in dieser Situation war sinnlos, er hörte nicht mehr
zu. Wenn er mit Z. telefonierte, bediente er sich einer Art
Kunstsprache,
damit ich nicht verstehen konnte, worum es ging. Ich weiss ganz genau,
dass mich Z. bei Pascal* oft angeschwärzt hat. So schimpfte Z. zum
Beispiel
bei einem Meeting in Berlin vor versammelter Menge über mich.
Heute
sagt er, er hätte von sich gesprochen. Kaum zu glauben von einem
Wesen,
dass sich selbst für so gut, für den Grössten hält.
-114-
Wenn Pascal* einmal →Clear sein sollte, wird man ihm sagen:
»Du
hast den Durchbruch geschafft. Mach weiter so, Du bist einer der
erwählten
Menschen, die den Planeten Erde retten und einen 'Clear-Planeten'
machen
können. Du bist der erwählte Thetan (→OT), der uns noch
gefehlt hat, das Universum wartet auf Dich. Für Dich beginnt jetzt
die Brücke zur völligen geistigen Freiheit. Da wäre aber
vorher noch eine Kleinigkeit, wir hätten gerne den Inhalt Deiner
Geldbörse,
das ist Dir doch recht, hast Du Ersparnisse auf der Bank, es ist noch
besser
für Dich, wenn Du uns die zukommen lässt. Ausserdem
könntest
Du ja noch bei der Bank einen Kredit aufnehmen, es ist doch für
die
Errettung des Planeten - für unsere Sache - das verstehst Du
doch!!!«
Wissen wir Aussenstehenden, ob es nicht tatsächlich so
ist und
wir zu den Nichterretteten gehören? Verzichten wir
möglicherweise
auf
eine neue Zukunft in unseren künftigen Leben auf einem
»Clear-Planeten
Erde« und auf eine Existenz in einem Universum, in dem es keine
Kriege,
keine Drogen, keine Kriminellen und keine Atombomben und keine
Psychiater
mehr gibt? Was entgeht uns wirklich, wenn wir auf ein Leben ohne
→reaktiven
Mind verzichten? Wollen wir nicht auch Menschen werden, die frei sind
von
somatischen Beschwerden? Ist es nicht doch möglich, dass wir den
einzigen
Retter der Menschheit Mr. L. Ron Hubbard zu Unrecht verurteilen, sowie
vor 2000 Jahren die Menschen nichts von dem Messias wissen wollten?
Begehen
wir diesen Fehler bereits zum zweiten Mal?
Diese Fragen habe ich mir ernsthaft gestellt, habe mich Pascal*
zuliebe
mit dem scientologischen Denken auseinander gesetzt und auch drei
kleinere
Kurse besucht. Doch nach all dem, was ich mit ihm, dem Mann, den ich so
sehr geliebt habe, erleben musste, kann ich diese Dinge nicht mehr
glauben.
An dieser Stelle wird sich vielleicht so mancher fragen, warum
ich
solange
geschwiegen habe.
-115-
Ich schwieg aus einer von mir falsch verstandenen
Loyalität zu
meinem damaligen Ehemann. Wenn ich zu einem früheren Zeitpunkt
über
die Wahrheit der gesellschaftlichen Ziele dieser Organisation
gesprochen
hätte, dann wären die ohnehin schon äusserst geringen
Chancen,
meinen Mann, den ich immer sehr liebte, dort herauszubekommen,
gänzlich
dahin gewesen. Sich die Situation vorstellen zu müssen, gegen ein
besseres Wissen zu schweigen, ist sicherlich für viele Menschen
schwierig.
Es war damals meine einzige Chance, auch zu meinem eigenen Schutz.
Ich musste in dem Bewusstsein von meinem Mann weggehen, keinen
Funken
an Einsicht bei ihm hervorgerufen zu haben, Einsicht in die Tatsache,
dass
sein nunmehriges Ich ein Produkt seiner jetzigen Freunde ist und nicht
mehr sein eigenbestimmtes Ich.
Seine Freunde, speziell Z., haben die Trennung von Pascal* und
Ilse
forciert.
Z. ist bestätigten Aussagen zufolge bereits am Zerbrechen der
ersten
Beziehung Pascals* Schuld. Hier werfe ich ihm öffentlich vor, dass
ich
nicht mehr mit meinem Mann Pascal* zusammen bin, der mich nach seinen
eigenen
Aussagen auch noch lieb hat, genauso wie ich noch nicht aufgehört
habe, ihn lieb zu haben.
Ein Umdenken bei Pascal* hervorzurufen, ist für mich und
alle
Personen,
die sich um ihn bemüht haben, bisher immer unmöglich gewesen.
Geblieben sind mir Selbstvorwürfe, zuwenig Geduld gehabt zu haben,
zu früh von meinem Mann weggegangen zu sein und eine komplette
Familie
im Leid zurückgelassen zu haben. Doch ich kann nicht jemandem
helfen,
der nicht will, dass ihm geholfen wird.
Mein Mann war nie an einem gemeinsamen Weg interessiert - nur
sein
Weg
war ihm wirklich wichtig, er wollte mich nur für seine Interessen
benutzen.
Heute wage ich aufgrund vorliegender schriftlicher Beweise, zu
behaupten,
die Eheschliessung Pascal* und Ilse Hruby 1995 war ebenso konstruiert wie
die Scheidung Hruby/Hruby 1999.
-116-
Ich bin ich davon überzeugt, dass die Auflösung
unserer
Ehe
von langer Hand geplant war, geplant von einem völlig
undemokratisch
agierenden Regime, das unsere Gesellschaft aus falsch verstandener
Toleranz
duldet. Mitgewirkt haben all jene, denen es nicht passte, dass an der
Seite
meines Mannes ein Mensch war, der, egal was auch immer kommen mochte,
absolut
nicht bereit war, sich dieser totalitären Weltanschauung der
Scientologen
anzuschliessen.
Ich bin heute stolz darauf, dass ich mein Ich und mein eigenbestimmtes
Denken behalten konnte.
Im Sommer 2000 Ilse Hruby
-117-
Anmerkungen
[1]
Im »Handbuch
des
ehrenamtlichen
Geistlichen« empfiehlt LRH (beliebte Abkürzung für L.
Ron
Hubbard) seinen Anhängern ausdrücklich, in öffentliche
Krankenhäuser
zu gehen: »Während Sie einfach durch das Krankenhaus gehen,
werden Sie hier und dort in den Zimmern einige Leute sehen, die in
schlechter
Verfassung sind. Sie können bei jedem einzelnen stehen bleiben und
ihm einige Minuten lang einen Assist (=eine Art Notbeistand)
geben.«
(S. 119) Im selben Kapitel heisst es »Wenn Sie jemandem ... einen
Assist geben, ohne ihm eine Visitenkarte in die Tasche zu stecken,
begehen
Sie einen Fehler.« und: »Fragen Sie die Leute nicht um
Erlaubnis.
Tun Sie es einfach.« (S. 95) Über die Rolle des
ehrenamtlichen
Geistlichen heisst es u.a.: »Bei Besuchen im Krankenhaus
erhöht
er die Hoffnung der Patienten, indem er ihnen den Weg zu voller
Genesung
über Beratung und Studium in der Scientology zeigt.« (S.
LII)
[2]
Die
Arbeitszeiten
der bezahlten
Mitarbeiter, sogenannter Staffs, sind, den Angaben in der
»Brücke«
(Wiener Scientology-Zeitschrift) folgend 9 bis 22 Uhr mit je einer
Stunde
Pause mittags und abends; Samstag ist am Nachmittag Schluss.
[3]
Ruth
Minshull
ist
eine scientologische Autorin, die wesentliche Aspekte der Lehre
Hubbards
in auch für Nichtscientologen leicht verständlichen
Büchern
und Broschüren dargestellt hat.
[4]
Dieser Vergleich
mit
dem
Buddhismus (gelegentlich auch mit dem Hinduismus oder dem Taoismus)
ist,
so häufig er auch verwendet wird, ein weiteres Indiz für die
am Anfang des Buches aufgestellte Behauptung, Scientology sei vom
Hintergrund
ihrer Entstehung im Wirtschaftswunder-Amerika nicht zu lösen. Wer
kannte sich denn damals schon so genau mit diesen fernöstlichen
Religionen
aus? Wem würde es schon auffallen, wenn Hubbard zentrale Begriffe
wie etwa Tao falsch übersetzte (vgl. Stephen Kent: Scientology und
östliche religiöse Traditionen In: Berliner Dialog 1/97) oder
seine Postulate (»Mach Geld« etc.) im krassen Widerspruch
zu
zentralen Punkten der von ihm vereinnahmten Lehre stehen.
[5]
Die
Vorgangsweise,
Kredit
aufzunehmen, widerspricht der Hubbard-Schrift »Wie man mit Geld
umgeht«.
Dort wird gefordert, keine Schulden zu machen. Andererseits sind
Investitionen
in die Zukunft - und als solche müssen die Kurse betrachtet werden
- erlaubt.
[6]
Umgangssprachlicher
Ausdruck
für das Buch »Dianetik«.
[7]
Sea-Org:
Eliteeinheit der Scientology mit dem Zweck »Ethik (natürlich
Scientology-Ethik Anm. D. Verf.) auf dem Planeten und im ganzen
Universum
herzustellen.« Zwecks besserer »Beweglichkeit« soll
sie
mit einer Schiffsflotte operieren; daher der Name. (vgl. FWS S. 88)
[8]
Jemand, der
durch
falsche
Berichte Ärger zwischen zwei Personen, einer Person und einer
Gruppe
oder zwischen zwei Gruppen schafft. (Handbuch des ehrenamtlichen
Geistlichen
S. 753) – Eine wichtige Rolle in der Scientology-Theorie, denn
»in
jedem Streit muss eine dritte Partei unerkannt gegenwärtig sein,
damit
es überhaupt einen Konflikt gibt« (Dianetics and
Scientology.
Technical Dictionary S. 434) – Wenn’s nur so einfach wär!
-118-
[9]
Das bedeutet
natürlich
auch, dass das scientologische Kinderbild die Grundlage aller Theorie
und
Praxis bildet: Kinder »sind - und wir dürfen diese Tatsache
nicht übersehen - Männer und Frauen. Ein Kind ist keine
besondere
Tierart, die sich vom Menschen unterscheidet. Ein Kind ist ein Mann
oder
eine Frau, nur noch nicht zur vollen Grösse herangewachsen. Jedes
Gesetz, das für das Verhalten von Männern und Frauen gilt,
gilt
auch für Kinder.« (Scientology. »Eine neue Sicht des
Lebens«
S. 74) →siehe dazu auch: "Kinder
in der Scientology Organisation"
[10]
Ein
Scientologe
muss
diese Berichte nicht nur über andere Scientologen verfassen,
sondern
auch über sich selbst, bzw. mit ihm in Verbindung stehende
Personen,
wenn er irgend welche Probleme hat.
[11]
Es gibt in
Scientology
verschiedene Verfahren (Beistände genannt), die das Befinden einer
Person akut bessern sollen; das Genannte Verfahren ist ein sogenannter
»Kontakt assist«, der mögliche zukünftige Folgen
der Verletzung sofort abfangen soll.
[12]
Zur Dosierung
von
Vitaminen
vgl. Kap. Probleme des Auditing, FN 14.
[13]
Volumes: In
den
sogenannten
grünen und roten Volumes sind die Richtlinienbriefe Hubbards
gesammelt;
alles in allem sind das mehrere Meter Hubbard-Texte; Pascal* hat wohl nur
einen kleinen Teil derselben erstanden.
[14]
Statistik:
vgl.
dazu S.30
(Kapitel: Ethik und Werte in der Scientology-Leistungsgesellschaft)
[15]
Conditions.
vgl.
Ethik
[16]
Wog:
»Scientologyslang
für jeden Nichtscientologen. Herleitung des Ausdrucks: Er stammt
aus
dem britischen Slang, in dem er eine nichtbritische Person in einer der
englischen Kolonien bezeichnete.« »abgekürzt für
»worthy oriental gentleman« « (FWS S. 112)
[17]
Raw Meat:
»Jemand
der noch nie Scientology-Verfahren bekommen hat.« (Dianetic and
Scientology.
Technical Dictinary S. 335; Übers. d. Verf.)
[18]
Während
der
bessere
Eindruck auf die Kunden für Pascal* vermutlich noch ein Argument
gewesen
sein könnte (Auch Hubbard weist auf die Wichtigkeit guter
Aussenwirkung
hin), waren die Kinder vermutlich keines; denn sie gelten ja für
Scientologen
als kleine Erwachsene. →siehe dazu
auch: "Kinder
in der Scientology Organisation"
[19]
Etwas
konfrontieren:
Sich damit auseinandersetzen; ein Hindernis beseitigen. Das Verbreiten
schlechter Nachrichten gilt als →unterdrückerisch; da sich
kein Scientologe leichtfertig in den Einflussbereich eines
Unterdrückers
begeben darf um nicht zum »Möglichen
Ärgernisverursacher«
zu werden, schauen normale Scientologen auch keine Nachrichtensendungen
an. Die Frage wie weit diese Richtlinie nicht auch (oder vor allem)
dazu
dient, Scientologen von der Aussenwelt (und v.a. von kritischen
Medienberichten)
zu isolieren, kann jeder für sich selbst beantworten.
-119-
[20]
Hat –
»Slang für
den Titel und die Arbeit eines Postens in der
Scientology-Kirche.«
abgeleitet von den »Dienstmützen« verschiedener Berufe
(FWS S. 47)
[21]
Nach
Hubbards
»Lerntheorie” gibt es drei grundlegende Lernhindernisse: man hat
ein Wort nicht oder falsch verstanden, es fehlen wichtige Grundlagen
oder
man kann sich das Ganze nicht so recht plastisch vorstellen. Das Ganze
wird mit scientologischem Fachvokabular bezeichnet und detailliert
ausgeführt.
Die genannten Kleinutensilien sind ein sogenanntes
»Demo-Kit«
(Demonstrationswerkzeug), das dem letztgenannten Mangel abhelfen soll.
Jeder Scientologe muss sich eines zusammenstellen und eifrig verwenden.
In der Statistik gibt es für jede Verwendung Extrapunkte.
[22]
Die
Kursüberwachung
erfolgt durch Personen, die einen Kurs für Kursüberwachung
absolviert
haben müssen; es soll aber schon vorgekommen sein, dass sie die
Materialien,
an denen die »Studenten« arbeiteten und die sie auch
prüfen
mussten, vorher nicht gekannt haben.
[23]
IAS:
International Association
of Scientologists.
[24]
Nach Aussagen
ehemaliger
Mitglieder wurden viele davon überzeugt, sie wären ohne
Scientology
zu Grunde gegangen (besonders häufig an Alkohol).
[25]
Event
bezeichnet
hier
einfach einen Vortrag; mit diesem Wort könnte auch ein Fest
gemeint
sein. Die Vorliebe für englische Begriffe ist eines der Merkmale
des
scientologischen Sprachgebrauchs.
-120-
Glossar
Es existiert ein umfangreicher scientologischer Wortbestand, der auch
in
einem eigenen Wörterbuch (Ausgabe 1975: 577 Seiten), der
Fachwortsammlung
(FWS), niedergelegt ist. Er umfasst sowohl völlig neue
Ausdrücke,
als auch vertraute Vokabeln, die für Scientology neu definiert
wurden.
z.B. bezeichnet das Wort Bank kein Sitzmöbel und auch kein
Geldinstitut,
sondern eine »Ansammlung an geistigen Eindrucksbildern, deren
Beseitigung
das Ziel der Scientology-Verfahren [ist], da sie nur eine Belastung
für
jemanden ist und es ihm ohne Bank viel besser geht.«
Ausserdem gehören eine Reihe von Abkürzungen dazu, die zu
eigenen Termini werden; oft sind diese Abkürzungen gleichzeitig
ein
(meist positiv besetztes) Wort aus der Alltagssprache (z.B. WISE =
World
Institute of Scientology Enterprises); die (programmierte?) Verwirrung
ist perfekt!
Aberriert:
ist jeder, der noch nicht von den unbewussten negativen Erlebnissen
in seiner Vergangenheit »geklärt« ist; daher weicht
sein
Verhalten bzw. sein Denken vom rationalen Verhalten ab. (vgl. FWS S. 1)
»Alles Böse stammt von Aberration« (→HCOPl
15.8.6), schreibt Hubbard in den Materialien, die sich mir
Unterdrückern
und →Unterdrückung beschäftigen und vermischt so die
Begriffe von gesund und krank/gut und böse bis zur
Ununterscheidbarkeit.
Auditing:
laut Fachwortsammlung (FWS): »die Tätigkeit, einem →PC
(eine Person am unteren Ende der scientologischen Bewusstseinsskala,
der
sogenannten »Brücke« Anm. d. Verf.) eine Frage zu
stellen
(...), eine Antwort auf diese Frage zu erhalten und ihm auf diese
Antwort
eine Bestätigung zu geben.« Zur Problematik des Verfahrens
vgl.
dazu S.15 (Kapitel: Probleme
des
Auditing)
bestätigen:
Ist für Scientologen ein wichtiger Teil der Kommunikation; mit
den Worten »Gut«, »Sehr gut«,
»Fein«,
»Okay« o.ä. will er einem Menschen zu verstehen geben,
»dass eine Aussage oder Handlung bemerkt, verstanden und
empfangen
worden ist.« Was für Neulinge häufig wie ein Lob oder
eine
Zustimmung wirkt, ist eigentlich nichts als eine
»Empfangsbestätigung«.
»Eine Bestätigung an sich schliesst nicht unbedingt ein,
dass
man zustimmt.« (FWS S. 13f).
Bestätigung des Erlebnisses: Ein Routinevorgang unter Scientologen
ist es, immer wieder sogenannte »Erfolgsberichte« zu
verfassen
oder zu erzählen; man wird auch immer wieder aufgefordert, von
seinen
sogenannten »Gewinnen« zu berichten. Tut man das (manchmal
unter Zuhilfenahme einer beachtlichen Portion Phantasie), dann wird man
»bestätigt«, d.h. es wird applaudiert,
gratuliert,
gelobt - kurz: das »Erlebte« wird so besiegelt.
Betrachtungen:
→Gegenabsichten
clear:
war am Anfang der erstrebte Idealzustand; ein Mensch, auf den seine
negativen Erlebnisse aus der Vergangenheit keinen Einfluss mehr haben
und
der daher vernünftig und selbstbestimmt agieren kann (so die
schöne
Theorie); mittlerweile ist dieser Zustand eine Art Nullinie, auf der
das
Mensch-Sein eigentlich erst beginnt.
-121-
Dianetik:
Ein Kunstwort, abgeleitet vom Griechischen: »Durch die
Seele«;
umfasst die Engramm-Theorie und die Verfahren zur Erreichung des
Clear-Zustandes.
Dynamiken:
Laut Hubbard gibt es acht verschiedene Triebkräfte im Leben: z.B.
»den Drang zum Überleben als man selbst«, »als
eine
sexuelle oder bisexuelle Unternehmung«, »zum Dasein in
Gruppen
von Individuen«, »zum Dasein als Menschheit«,
»zum
Dasein als Unendlichkeit« (FWS S. 24) Scientologen sagen der
Einfachheit
halber z.B. »2D«, wenn sie von der 2. Dynamik sprechen.
Normaler
Weise benützen sie es als Synonym für Partner/Partnerin.
dramatisieren:
bedeutet hier nicht das Umgestalten einer Erzählung zu einem
Theaterstück;
laut Hubbard verlangen →»Engramme« bestimmte
Handlungsabläufe;
das Vollziehen eines solchen Handlungsablaufes nennt man dramatisieren.
E-Meter:
Ein elektronisches Gerät in der Art eines Lügendetektors
(nur viel simpler), das nach scientologischer Lehrmeinung den
»geistigen
Zustand« eines Menschen »messen« kann; über zwei
Elektroden (Blechdosen), die jemand in beiden Händen hält,
wird
ein schwacher Strom durch den Körper und das Gerät geleitet;
der Zeiger, der sich auf einer Skala bewegt, soll z.B. geistige
Widerstände
anzeigen. An der Aussagekraft der Zeigerbewegungen bestehen allerdings
erhebliche Zweifel.
Sicher ist, dass der TÜV das E-Meter als potentiell
lebensgefährlich
eingestuft hat (bei Anwendung des Geräts während der
Wiederaufladung
der Batterien). Möglicher Weise ist der Mangel bei den derzeit
verkauften
neueren Modellen bereits behoben.
Emotionsskala:
Auch Emotionen werden hierarchisch genormt! In der
»Emotionsskala«
werden Gefühle wie Schmerz oder Zorn gemischt u.a. mit
Verhaltensweisen
wie »Sich um Gunst bemühen« auf einer Skala von 0,05
bis
4,0 (Apathie bis Enthusiasmus) bzw. von 8,0 bis 40,0 (»Sich
verstecken«
bis »Heitere Gelassenheit des Seins«) ordnet. Auf dieser
Skala
findet man z.B. »Wiedergutmachen« (0,375) oder Mitleid
(0,9)
deutlich unter Gefühllosigkeit (1,2) oder Langeweile (2,5).
Engramm:
ist ein zentraler Begriff in Scientology bzw. Dianetik; er entspricht
am ehesten dem, was die Psychologie einen Traum nennt. Allerdings geht
der Einfluss, den Scientology der Summe aller in der gesamten
Lebenszeit
(einschliesslich »früheren Leben«) gesammelten
Engramme
zuschreibt, weit über die klassischer Traumatisierung hinaus;
dafür
erreicht ein Mensch, der von allen Engrammen »geklärt«
wurde auch ungeahnte Lebensqualität und ungeahnte Fähigkeiten
(→Clear)
-122-
Ethik:
Auch dieser Begriff wurde umdefininiert: Ethisch ist (vereinfacht
gesagt)
alles, was Scientology nützt. (vgl.
S. 30) Aber ein Scientologe lebt nicht einfach ethisch oder nicht,
er befindet sich in einem bestimmten »Ethik-Zustand«; auch
für die Qualität der Ethik gibt es eine Skala: der
»Nullpunkt«
ist »Nichtexistenz«; darunter liegen etwa
»Feind«
oder »Zweifel« bis hin zur »Verwirrung«; nach
oben
geht es über »Gefahr« und »Notlage« bis
zur
»Macht«. Für den Ethik-Zustand entscheidend ist die
→Statistik
des Betreffenden.
Um von einem Zustand in den nächst höheren zu kommen, gibt
es »Formeln«: die »Formel für den Zustand
Verrat«
etwa lautet: »Finden Sie heraus, dass Sie sind«
(Einführung
in die Ethik der Scientology S. 104., im Text als
»Ethikbuch«
bezeichnet).
Eine wichtige Säule des Systems sind die sogenannten
Wissensberichte (vgl.
S. 58) sowie ein internes Rechtssystem mit »Gerichten«,
Strafen usw.; ein anderer zentraler Baustein sind die sogenannten
»Ethik-Orders«,
durch sie kann bei bestimmten Vergehen oder Verbrechen ein genau
definierter
»Ethik-Zustand« zugewiesen werden; die Folgen sind für
einen überzeugten Scientologen z. Teil gravierend (z.B. wenn er
auf
Grund dessen kein Auditing erhalten darf).
Franchising:
Vertriebsform im Einzelhandel, bei der ein Unternehmer seine Produkte
durch einen Einzelhändler in Lizenz verkaufen lässt.
FSM:
Abkürzung für Field Staff Member; Ein Scientologe, der zur
Verbreitung von Scientology beiträgt, indem er neue Interessenten
wirbt. Er »schafft einen Wunsch nach einer Dienstleistung und
selektiert
die Person für diese Dienstleistung.« (Handbuch des
»Ehrenamtlichen
Geistlichen« S. 756); natürlich wird er dann (mit
Gutschriften)
belohnt; es werden auch »Spiele« veranstaltet, bei denen
nach
einem Punktesystem die besten FSMs prämiert werden. FSM kann nicht
nur eine Person sein, sondern auch Firmen können als FSM
fungieren,
so erreichte beispielweise die Firma Business Success in mehreren
FSM-»Spielen«
eine hohe Punktezahl; ähnlich dem System eines MLM, s.
S. 21
Gegenabsichten:
»Absicht« ist in Scientology mehr als nur ein Vorhaben
oder ein Vorsatz; das Wort bezeichnet auch die »Power«, die
hinter dem Vorsatz steckt; Gegenabsichten dann vermutet, wenn etwas
nicht
so läuft wie es soll; entweder blockiert sich ein Scientologe (in
seinen Augen) selbst durch solche, oder er unterstellt anderen welche.
Vor allem werden Gegenabsichten Menschen unterstellt, deren kritische
Einstellung
bekannt ist. Absicht und Gegenabsicht sind mit →Postulaten und
Betrachtungen verwandt.
HCOB and HCOPL:
Abkürzung für Hubbard Communication Office Bulletin bzw.
Policy; es handelt sich bei beiden um Richtlinienbriefe; über die
→HCOPls heisst es in der FWS S. 44: »Sie sind dauerhaft
gültige Veröffentlichungen aller Technologie.« Ihre
Gültigkeit
ist »unabhängig von ihrem Datum oder Alter«.
-123-
Handhaben:
ist ein vielgebrauchter Ausdruck unter Scientologen; abgeleitet vom
englischen to handle hat es ein Bedeutungsspektrum von: »etwas
erledigen«,
»mit etwas fertig werden« bis »jemanden
führen«
oder »mit etwas hantieren«.
Konfrontieren:
Auch ein Wort, das man oft aus dem Mund von Scientologen hört;
es bedeutet »die Fähigkeit, bequem da zu sein und
wahrzunehmen«
(FWS S. 53); das heisst, gelassen zu bleiben und sich wohl zu
fühlen,
egal was wahrgenommen wird; eine der grundlegenden Fähigkeiten,
die
ein Scientologe haben (bzw. sich antrainieren) soll.
Org:
Kurzwort für eine (Scientology)-Organisation; das Wort bezeichnet
die Lokalität (Haus, Wohnung), der örtlichen Niederlassung.
Dort
finden gewöhnlich Kurse statt; dient auch als eine Art
Kommunikationszentrum
für Scientologen.
OT:
Eine Abkürzung für »operierender Thetan« die
zum eigenständigen Begriff wurde; die Bezeichnung für den
scientologischen
Übermenschen, dem mehr oder weniger alles möglich ist; es
gibt
auch hier wieder ein abgestuftes System, die einzelnen
»Bewusstseinsstufen«
werden mit Nummern bezeichnet; derzeit ist die Skala noch nach oben
offen.
Persönlichkeitstest:
auch »OCA-Test« (=Oxford-Capacity-Analysis) genannt,
besteht
aus 200 teilweise sehr intimen Fragen; nach der Auswertung liegt dem
Getesteten
eine Kurve vor, die angeblich die Stärken und Defizite seiner
Persönlichkeit
veranschaulicht.
Der Test, der keine bisher entdeckte Beziehung zur gleichnamigen
Universität
hat, ist das wichtigste Werbemittel der Scientologen. Der Name und das
Diagramm suggerieren eine Wissenschaftlichkeit. Von manchen wird er
sogar
als gefährlich für Menschen mit einer bestimmten seelischen
Disposition
eingestuft (STA
München 115 Js 4298/84 Beschluss vom 24.4.86).
Für die Annahme, das es sich bei dem »Test« um
geplante
unlautere Werbung handelt, spricht die folgende gutachterliche
Stellungnahme:
»Durch die unzureichende (oder bewusst falsche) Interpretation
des
Oxford-Persönlichkeits-Fragebogens ist es bei drei der Probanden
zu
einer psychischen Labilisierung gekommen. Diese führte zu
den
von den Scientologen angestrebten Vertragsabschlüssen«
(Prof.
Dr. W Mende, Psychiatrische Klinik der Uni München, Gutachten v.
21.12.84
für das KVR München, S. 51, zum Persönlichkeitstest).
Teils ergab die Auswertung Selbstmordgefahr: »Eine beliebte
Verkaufstechnik
ist es, dem Interessenten vorzumachen, der Test habe ergeben, er sei
ein
Selbstmordkandidat« (STA
München 115 Js 4298/84 Beschluss vom 24.4.86). Dazu ein
Gutachten:
»Die Aussage »Sie sind ein potentieller
Selbstmordkandidat«
- sie wurde in zwei Fällen berichtet - ist aufgrund eines Testes
nicht
möglich. Sie war in beiden Fällen sachlich falsch. Eine
solche
Aussage stellt jedoch für labile Persönlichkeiten eine
Bedrohung
dar.
-124-
Eine solche Bedrohung, die ohne Absicherung ausgesprochen
wird,
bedeutet
für die betroffene Person eine Gefährdung, insbesondere dann,
wenn weder zwischenmenschliche noch therapeutische Bindungen bestehen.
Sie ist weder aus psychotherapeutischer Intention noch allgemein
psychologisch
vertretbar (Prof. Dr. W Mende, Psychiatrische Klinik der Uni
München
Gutachten v. 21.12.84 für das KVR München).
Anweisungen für die Auswertung: →HCOB 19.12.79 BA 363:
»Ein niedriger Punkt auf der rechten Seite der Kurve bedeutet,
dass
der PC verrückt ist.«
→HCOB 19.12.71 in Technical Bulletins VI S. 462: sinngemäss:
links unten bedeutet: PC »out of valence« rechts unten
bedeutet:
PC ist verrückt.
Der ehemalige Scientology-Anhänger Tom Voltz beschreibt in seinem
Buch »Scientology und (k)ein Ende«, wie er die Rechte am
Test
gekauft hat und jetzt deshalb prozessiert.
PC:
ist kein Personal Computer, sondern ein Pre Clear, das heisst ein
Mensch,
der noch nicht Clear ist, aber auditiert wird (oder auditiert werden
will)
und daher auf dem besten Weg dorthin zu sein scheint.
Postulate:
Das Wort »Postulat« hört man von Scientologen immer
wieder; es bezeichnet eine Entscheidung oder einen Entschluss, der
(nach
Überzeugung der Scientologen) bei ausreichend grosser
Fähigkeit
des »Postulierenden« zu einer entsprechenden Entwicklung in
der Realität führt. Umgekehrt ist es natürlich ein
persönliches
Versagen, wenn man Wünsche oder Entschlüsse nicht in
Realität
»verwandeln« kann.
PTS
→Unterdrücker
Reaktiver Mind:
Nach Hubbard hat der Mensch drei Verstandsarten nebeneinander: eine
dient nur zur mechanischen Steuerung des Körpers; eine sammelt
Daten
und entscheidet auf Grund der gesammelten Daten nach rein logischen
Kriterien;
und eine, der »reaktive Mind« sorgt für
Fehlreaktionen,
weil in ihm alle Engramme gespeichert sind, »er untersteht
nicht der willensmässigen Kontrolle« (vgl. FWS S. 4, 76,
91).
Reinigungs-Rundown (oder Reinigungsprogram):
Durch stundenlanges Schwitzen in der Sauna bei etwa 60 Grad, kombiniert
mit der Einnahme von hohen Dosen Vitaminen, Kalzium und Magnesium
sollen
Körper und Geist von Drogen und Umweltgiften gereinigt werden.
Tech:
»Mit Tech ist Technologie gemeint, was sich natürlich auf
die Anwendung der präzisen wissenschaftlichen Drills und Prozesse
der Scientology bezieht.« (Fachwortsammlung für Dianetic und
Scientology S. 96)
-125-
Suppressive:
auch SP (=Suppressive Person) oder »Unterdrückerische
Person«
genannt. Hubbard hat die Theorie aufgestellt, es gäbe Menschen,
die
auf Grund früherer Erlebnisse nur mehr das Schlechteste für
die
ganze Welt wollen; ein grosser Teil seiner theoretischen Schriften
beschäftigt
sich mit diesen Menschen, ihrer Enttarnung, ihren Untaten und der
Frage,
wie man sie unschädlich machen kann. Psychiater und Psychologen
gelten
immer als unterdrückerische Persönlichkeiten, was sich in
einer
ganzen Reihe spezieller »Programme« für sie
niederschlägt.
Bezeichnend ist auch, dass Menschen, die als unter dem
»Einfluss«
der Psychiatrie (z. B. psychiatrische Behandlung, Psychopharmaka)
stehend,
betrachtet werden, von Scientologen als PTS (Potential Trouble Source,
Mögliche Ärgernisverursacher) bezeichnet werden.
-126-
Adressen
Im Originalbuch ist an dieser Stelle eine Auflistung von Adressen von
verschiedenen
deutschen, österreichischen und schweizer Sektenberatungsstellen,
wie sie im Jahr 2000 aktuell waren, zu finden. Da diese mit Sicherheit
nicht mehr auf dem neuesten Stand ist, gibt es hier einen Link zu den derzeit
aktuellen österreichischen Sektenberatungsstellen
erstellt von der österreichischen Bundesstelle
für Sektenfragen. Adressen und Telefonnummern für
Beratungsstellen
in der Schweiz sind auf der Homepage der AGSD
(AufklärungsGemeinschaft über Scientology und Dianetik) und
ökumenische
Beratungsstellen zu religiösen Sondergruppen und Sekten sind hier
zu finden. In Deutschland gibt es u.a. Evangelische Beratungsstellen
und Elterninitiativen.
Ende
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