Scientology – eine
"religiöse
|
Das Hubbard® -Elektrometer ist ein religiöses Gerät, das in der kirchlichen Beichte verwendet wird. Aus sich heraus tut es nichts, und es wird ausschliesslich von Geistlichen verwendet um Gemeindemitgliedern bei der Auffindung von Bereichen seelischer Nöte oder Qualen behilflich zu sein. |
Dieses Bild änderte sich noch während meiner Zeit als aktive Scientologin: plötzlich sah man immer wieder Scientologen mit schwarzen "Lätzchen" und weissen Stehkragen, wie sie auch katholische Priester zeitweise benützen. Auf meine erstaunte Frage, was das solle, erfuhr ich, dass in Österreich ein Psychotherapiegesetz in Ausarbeitung sei; da Scientology als zentralen Punkt eine Art Gesprächstherapie, genannt "Auditing" anbietet, bestehe für die Gemeinschaft die Gefahr, in die Illegalität zu rutschen. "Glücklicher Weise", so ein Scientologe, "sind wir ja wegen des amerikanischen Steuerrechts auch eine Kirche. Wenn wir das Auditing als Beichtgespräch darstellen, so kann uns nichts passieren."
Mittlerweile ist es für Scientologen offenbar
selbstverständlich
geworden, sich als Anhänger einer "Religion" zu sehen und zu
präsentieren
– was sie allerdings nicht daran hindert, sich gegebenenfalls auch als
praktizierende Katholiken zu bezeichnen, wie es vor einigen Wochen eine
Vertreterin von Scientology in der Sendung "Zur Sache" getan hat.
Für
mich aber bleibt diese Argumentationslinie nach wie vor befremdlich; zu
fest hat sich in mir der Satz eingeprägt:
"Dianetik is a science, it has no opinion about
religion (Hervorhebung
durch den Verfasser) for sciences are based on natural laws, not on
opinions." Technical Bulletins Band I, S.38 |
"Falls wir von irgend jemandem oder irgend etwas oder irgend einer Organisation an einem verwundbaren Punkt angegriffen werden, dann finden Sie genügend Drohmaterial gegen sie oder fabrizieren sie es, um sie zu veranlassen, um Frieden zu bitten. Frieden wird durch einen Austausch von Vorteilen gekauft, produzieren Sie also einen Vorteil, und erzielen Sie dann eine Einigung. Verteidigen Sie sich niemals. Greifen Sie immer an. Unternehmen Sie nie Nichts. Unerwartete Angriffe in den Rücken des Feindes funktionieren am besten." |
Ich weiss nicht, wie die vorgeschlagene Vorgangsweise
juristisch
einzustufen ist, aber die vorgeschlagenen Massnahmen stellen sich
keinesfalls – ebensowenig wie die beiden folgenden häufig
zitierten
Vorschläge für den Umgang mit Feinden – als blosse
Notwehrreaktionen
dar:
"Führen Sie ungeachtet einer persönlichen
Gefahr, einen
effektiven Schlag gegen die Feinde der Gruppe aus, der anzugehören
Sie vorgeben." aus "Einführung in Ethik der Scientology" Seite 100 Formel für Belastung Punkt 2 Und als letztes und wichtigstes – denn wir stehen
nicht
alle auf
der Bühne, und unsere Namen erscheinen nicht alle in
Leuchtbuchstaben –, schieben Sie immer Macht in die Richtung eines
jeden von dessen
Macht
Sie abhängen, sei es in Form von mehr Geld für die
Machtperson
oder grösseren Erleichterungen oder einer flammenden Verteidigung
der Machtperson gegenüber einem Kritiker. Es kann sogar darin
bestehen,
dass einer seiner Feinde in der Dunkelheit dumpf aufs Strassenpflaster
klatscht oder das ganze feindliche Lager als
Geburtstagsüberraschung
in riesen Flammen aufgeht. "Eine Person, die in den Ethik-Zustand Feind
zurückgestuft worden
ist, gilt als vogelfrei: man darf ihr Eigentum abnehmen, sie in jeder
Weise
verletzen, ohne dass man von einem Scientologen bestraft wird. Man
darf ihr Streiche spielen, sie verklagen, sie belügen oder
vernichten." |
Es wird von Scientologen häufig damit argumentiert, diese Zitate seien a) veraltet, b) teilweise für ungültig erklärt und c) "gar nicht so gemeint".
Bedenkt man aber, dass diese Stellen keine "Ausreisser" sind,
sondern im Sinnzusammenhang mit Strategien unter dem Motto "Angriff ist
die beste Verteidigung" von den Scientologen rezipiert werden; –
gekoppelt
mit der Überzeugung:
"Der Kriminelle scheut das Tageslicht. Und wir sind
das
Tageslicht.
Und begreifen Sie dies als eine technische Tatsache, nicht eine
hoffnungsvolle
Idee." HCOPl 5. 11. 67 "Critics of Scientology |
und auch angesichts der Tatsache, dass die Schriften und Aussagen Hubbards für Scientologen ausgesprochen dogmatischen Charakter haben (es wurde mir unter Verweis aus den zentralen Richtlinienbrief "Keeping Scientology working" immer unmöglich gemacht, einzelne Punkte aus den Schriften in Frage zu stellen oder auch nur zu relativieren) oder angesichts der unter 2.2 zitierten Aussagen scheinen mir diese Aufforderungen, die vermutlich noch immer nicht aus den Kursmaterialien gestrichen sind selbst dann bedenklich, wenn sie tatsächlich "veraltet" oder "nicht so gemeint" sein sollten.
Schliesslich verpflichten sich lt. Angaben von Scientology
"der
Vorstand und die Mitglieder": "sich an" [...] "Die Ziele, Lehren,
Richtlinien,
Praktiken und das Glaubensbekenntnis wie in den Schriften und
anderen
aufgezeichneten Materialien von L. Ron Hubbard dargelegt" "zu
halten" – Übrigens gilt diese Verpflichtung nicht nur auf
dem Papier: Die
Antworten, die ich auf kritische Fragen (z.B. unter Verweis auf den
Stand
der Wissenschaft der Medizin) erhielt, wurden grundsätzlich mit
den
Worten eingeleitet "Aber der Ron sagt ..."
"Um mit Personen von 2.0 an abwärts umzugehen,
gibt
es nur
zwei Möglichkeiten, und keine von beiden hat damit etwas zu tun,
mit
ihnen zu diskutieren oder sich Rechtfertigungen für ihre
Handlungen
anzuhören. (...) Die zweite ist die, sie ruhig und ohne eine
Träne
zu vergiessen loszuwerden. Kreuzottern sind sichere Bettgenossen im
Vergleich zu Menschen in den unteren Bereichen der Tonskala."*
L.Ron Hubbard Die Wissenschaft des Überlebens, Teil 1, S. 171f. "Jedenfalls sollte jemand im Bereich von 2.0 an
abwärts auf
der Tonskala in keiner denkenden Gesellschaft irgendwelche
bürgerlichen
Rechte haben, da er durch den Missbrauch dieser Rechte harte und
strenge
Gesetze bewirkt, die für jene, die keine solchen
Einschränkungen
brauchen, hart zu ertragen sind."* |
*Anmerkung: Die zitierte "Tonskala" soll eine
systematische
Ordnung
verschiedener Bewusstseinszustände (oder Emotionen) darstellen;
unterhalb der zitierten Stufe 2.0 werden z.B. Menschen eingeordnet, die
trauern, sich fürchten oder die einfach Mitleid mit anderen haben.
"Wenn der Durchschnittsbürger zusammenrechnet,
was er
der Regierung
bezahlt, wird er feststellen, dass seine Arztbesuche sehr teuer sind.
Allein der chronisch Kranke, dessen Zustand von den Gesunden bezahlt
wird,
hat einen Nutzen davon. ... er wird mit der Pflege belohnt, die
mittels
der Bestrafung der Gesunden bezahlt wird ..." HCOPL 6.3.66 |
Dies sind nur einige Beispiele zur Haltung des
Scientology-Gründers
zu Menschen, die in seiner "Welt ohne Kriege,
Geisteskrankheiten
..." keinen Platz haben. Ich habe oft Scientologen in diesem Sinn untereinander
über Kranke, Verzweifelte oder sozial Schwache reden gehört
und
daher muss ich davon ausgehen, dass diese Ansichten von der
überwiegenden
Zahl seiner Anhänger geteilt werden.
Diese Argumentation schien mir damals auch gar nicht so weit hergeholt, denn, soweit ich das beurteilen kann, finden sich tatsächlich viele Elemente der Psychoanalyse in den Auditingverfahren; d.h., dass eine anerkannt wirksame Therapieform angewendet wird – allerdings, so wie ich die Sache kennen lernte, stark vereinfacht (dafür mit verschiedenen Ideen Hubbards "angereichert"), nach starren Regeln und (wie ich an Hand meiner eigenen Ausbildung zum Auditor erfahren musste) von Menschen, denen in ihrer "Schulung" durch Scientology praktisch weder Kenntnisse über psychische Störungen noch über körperliche Krankheiten vermittelt werden. Jedenfalls bekomme ich heute eine Gänsehaut, wenn ich daran denke, was ich in meiner Zeit als Auditor alles anrichten hätte können und vielleicht auch angerichtet habe!
Da in den Schriften Hubbards auch theoretisch immer wieder der
Anspruch
auf therapeutische Wirksamkeit gestellt wird, scheint mir auch unter
diesem
Aspekt für Scientology die Zuerkennung der
Rechtspersönlichkeit
als "religiöse Bekenntnisgemeinschaft" nicht mit dem § 5 des
entsprechenden Gesetzes vereinbar.
Und bald erfuhr ich auch, wie es weitergeht, wenn man sich mit Teilen der Lehre nicht voll und ganz identifizieren kann: Zunächst muss man auf eigene Kosten "Nachschulungen" machen (Motto: wenn Du irgendwann anderer Meinung bist als L.Ron Hubbard, so hast Du irgend etwas nicht verstanden und musst so lange "studieren", bis das Missverständnis aufgeklärt ist. vgl.: (HCOPL 7.2.65)
Hilft das nicht,. so muss man – wiederum auf eigene Kosten
eine
"Therapie" absolvieren (Motto: wenn jemand mit Scientology nicht
einverstanden
ist und kein Missverständnis vorliegt, so muss eine Fehlfunktion
des Verstandes die Ursache sein. (vgl.:HCOPl 28. 11 70 bzw. HCOPL
4.4.72
u.a.) In krassen Fällen der Abweichung von der Lehrmeinung muss
sich das betreffende Mitglied sogar z.T. recht harten Strafmassnahmen
unterwerfen. (vgl. HCOPL 18.6.68 u.a.) – Die Alternative zu diesen
Massnahmen
wäre der Ausstieg aus Scientology; aber für viele
Scientologen
kommt dieser Weg zu dem Zeitpunkt nicht mehr in Frage. Ich weiss nicht,
ob das ein Indiz für eine Verletzung der persönlichen
Integrität
im Sinne des § 5 ist; zumindest erscheinen mir derartige
Reaktionen
bemerkenswert. Genauso wie die Tatsache, dass sich die meisten
Scientologen
schon nach relativ kurzer Zeit ohne nennenswerten Widerstand dem
extremen
Leistungsdruck unterwerfen, der innerhalb von Scientology herrscht.
"Und ich kann nicht sehen, dass populäre
Massnahmen,
Selbstverleugnung und Demokratie etwas anderes für den Menschen
gebracht
haben als ihn tiefer in den Schlamm zu stossen. (...) Demokratie
brachte
uns Inflation und die Einkommenssteuern." HCOPL 7 Feb 1965 |
Mein Befremden stiess auf keinerlei Verständnis; aber anstatt zu überlegen, dass Textpassagen wie diese ebenso wenig "zufällig" sein konnten, wie das absolute Unverständnis des Kursleiters, dachte ich nicht weiter darüber nach, sondern legte die Angelegenheit unter "typisch Amerika" bzw. "typisch ungebildeter Kursleiter" ab; ich hörte auf zu diskutieren und widmete mich dem nächsten Richtlinienbrief.
Hätte ich damals Gelegenheit gehabt, diese Stelle im
Zusammenhang
mit den in der Folge beispielhaft zitierten Aussagen zur Demokratie zu
sehen, ich hätte Scientology wohl etliche Monate früher
verlassen:
"Jeder Mensch hat mit den anderen die gleiche
reaktive
Bank (Unterbewusstsein)
gemeinsam. Das ist alles, was sie gemeinsam haben. Die reaktive Bank –
beziehungsweise der unbewusste Verstand oder wie sie es immer nennen
wollen – unterdrückt sämtliche anständigen Triebe und
fördert
die schlechten. Daher ist eine Demokratie ein kollektives Denken von
reaktiven
Banken. Populäre Meinung ist Bank-Meinung." HCOPL 13 Feb 1965, Politics "Eine gänzlich demokratische Organisation hat in
Dianetics und
Scientology einen schlechten Ruf trotz all dem Gerede über
gegenseitiges
Einverständnis. Ich fand durch konkrete Experimente (LA 1950),
dass
zur Auswahl eines Anführers durch Vorschlagen von Kandidaten und
Stimmabgabe
aufgeforderte Gruppen unter ihren Leuten gewohnheitsmässig nur
diejenigen aussuchten, durch die sie umgebracht wurden. Sie
wählten
die Prahler und übersahen die wahren Macher. |
"Scientology ist für ein freies Volk und ist
zu
diesem Zeitpunkt
selbsterklärt frei von jeder politischen Verbindung oder
Verpflichtung
welcher Art auch immer. " HCOPL 10 Jan 1968, Politics |
Für mich, die ich Scientology mittelbar und unmittelbar kennen gelernt habe, bleibt nur, zu hoffen, dass Ihnen mein Beitrag eine sachliche Bewertung erleichtert.