Interview mit Stephen A. Kent

Scientology, Hollywood und der Weg nach Washington

in TheReligionReport

Transkript des Radio-Interviews vom 16. April 2008 on ABC Radio National

Mit der freundlichen Genehmigung zur Veröffentlichung auf meiner Webseite von Professor Dr. Stephen A. Kent und vom Übersetzer dieses Interviews

Published on my website with the friendly permission from Professor Dr. Stephen A. Kent and from the Translator of this Interview

The English Transcript from this Radio-Interview is here


Nach der Veröffentlichung von Andrew Mortons Biographie über den Hollywood-Schauspieler Tom Cruise, betrachten wir, wie Scientology Berühmtheiten aus Hollywood benutzt, um ihre Ziele in Washington zu erreichen. Wir sprechen mit dem führenden Soziologen zum Thema religiöse Sekten, Professor Stephen Kent von der Universität Alberta in Kanada.

Stephen Crittenden: Willkommen zur Sendung!

Tom Cruise: Jetzt ist die Zeit, ok? Wenn man Scientologe ist, wenden sich die Leute einem zu. Also sollte man besser Ahnung haben, Du musst Ahnung haben. Und wenn Du es nicht weisst, dann, verstehst Du... geh hin und lern es! Wir sind hier, um zu helfen. Und wenn Du Scientologe bist, dann siehst Du das Leben... Du siehst die Dinge so wie sie sind.

Stephen Crittenden: Schauspieler Tom Cruise spricht über Scientology. Wussten Sie, dass Tom Cruise kurzzeitig in einem Seminar der Franziskaner war? Es stimmt! Als Teenager verbrachte er ein Jahr im Seminar der minderen Brüder der Franziskaner in Cincinatti und ich muss sagen, der Abstand zwischen dem heiligen Franziskus und L. Ron Hubbard ist so gross... es ist kaum zu fassen. Nun, nach der Veröffentlichung von Andrew Mortons Biografie über Tom Cruise, wollte ich Ihnen eine Sendung über Scientology anbieten, besonders darüber, wie Scientology Hollywood-Berühmtheiten nutzt, um ihre Ziele in Washington zu erreichen. Stephen Kent ist Professor für Soziologie an der Universität Alberta in Kanada und er ist Spezialist für Scientology. Stephen, willkommen in der Sendung! Fangen wir mit Andrew Mortons Buch an. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass es besonders gut sein würde, aber ich muss schon sagen, dass sehr interessant war, was ich dort über Scientology gelesen habe. Haben Sie irgend etwas Neues daraus erfahren?

Stephen Kent: Nun, auch ich war von diesem Buch freudig überrascht, vor allen Dingen, wenn man die zum Teil durchwachsenen Kommentare berücksichtigt, die das Buch vor der Veröffentlichung erhalten hat. Was mir am deutlichsten beim Buch auffiel, war tatsächlich Mortens Besprechung der Verhandlungen hinter den Kulissen, die zwischen Tom Cruise und Nicole Kidman liefen. Sicherlich ist es so, dass viele von uns, die Scientology beobachten, sich gefragt haben, ob Kidman ein Problem für Scientology darstellte. Denn einerseits ist ihr Vater ein Psychologe und andererseits schien sie nie wirklich so sehr engagiert zu sein. Was mir allerdings vorher nicht klar war, war das Ausmass, mit dem sich die Organisation anscheinend in diese Beziehung eingeschaltet hat.

Stephen Crittenden: Sie waren dort am Anfang und halfen, die Hochzeit zu Wege zu bringen, sie waren da, als die Kinder adoptiert wurden und sie waren dann da, als die Ehe zerbrach.

Stephen Kent: Das ist eine sehr gute Beobachtung. Es ist so, dass viele Leute bei einer Heirat die Religion des Partners nur aus praktischen Gründen annehmen und sich nicht wirklich zu eigen machen und das scheint das Muster zu sein, dem Nicole Kidman gefolgt ist. Aber es war natürlich klar, dass die Beziehung zu den Eltern, besonders zum Vater, ein fortdauerndes Problem sein würde. Scientologys Antipathie gegenüber den Berufen, die mit Psyche zu tun haben, Psychiatrie, aber auch Psychologie ist langjährig und wohl bekannt.

Stephen Crittenden: Und was ist mit Andrew Mortons Aussage, dass Tom Cruise die Nummer Zwei in Scientology wäre? War das neu für Sie?

Stephen Kent: Ich hatte es noch nicht auf diese Weise betrachtet, wie Andrew Morton es darstellt. Seine Darstellung ging in die Richtung, dass Tom Cruise die Nummer Zwei in Scientology wäre. Mit Sicherheit ist das einfach falsch in Hinblick auf die Organisationsstruktur. Doch es mag schon stimmen, im Kontext des Prestiges, das Tom Cruise in den Augen anderer Scientologen geniesst und aus dieser Sicht macht Mortons Aussage durchaus viel Sinn.

Stephen Crittenden: Eine Reihe anderer Dinge, die mir in Andrew Mortons Buch aufgefallen sind. Eins ist, dass Tom Cruise denselben schrittweisen Initiationsprozess wie jeder andere in Scientology durchlaufen hat.

Stephen Kent: Nun, die Frage taucht häufig auf, in welchem Ausmass Tom Cruises Erfahrungen der Erfahrung gewöhnlicher Scientologen entsprechen. Und mit grosser Sicherheit ist Tom Cruise Erfahrung in Scientology absolut einzigartig. Das fängt damit an, dass er eine tiefe Freundschaft mit dem Anführer von Scientology, David Miscavige, pflegt und dem Zugang, den Tom Cruise zu echten Elite-Einrichtungen in Scientology hat. Es ist sicher wahr, dass Tom Cruise – so klingt es zumindest – viel Zeit auf Kurse verwendet hat, doch es ist auch so, dass Tom Cruise sich diese Kurse leisten kann und wie Sie wissen, können diese Kurse hunderttausende von Dollar kosten. Es ist allerdings auch so, dass sich aus anderen Dokumenten ergibt – und auf viele dieser Dokumente spielte Andrew Morton an – dass gewöhnliche Scientologen nicht mit Tom Cruise interagieren durften, beispielsweise durften in einer Einrichtung in der kalifornischen Wüste namens Hemet, Scientologen, die dort arbeiteten, ihn nicht ansehen und noch weniger mit ihm reden.

Stephen Crittenden: Steve, es scheint mir so zu sein, dass Tom Cruise ein bisschen wie der heilige Paulus von Scientology ist: Er trat der Organisation kurz nach dem Tod des Gründers bei, während die Sekte sich in Unruhe befand. In den späten 70ern und 80ern hatte Scientology grosse Schwierigkeiten mit dem FBI und er schien wirklich wie die Figur, die durch ihre Berühmtheit alles wieder in die richtigen Bahnen lenken könnte.

Stephen Kent: Hätten wir dieses Gespräch vor ein paar Jahren geführt, hätte ich gesagt, dass die Rolle, die Sie beschreiben, wirklich von John Travolta erfüllt würde. Eine ganze Reihe von Jahren war Travolta der öffentlichste und lautstärkste Scientologe und von den frühen 90er Jahren bis Mitte der 90er Jahre hatte Travolta Zugang zu der US-Regierung in einer Art, die als Vorläufer fungierte für das, was Cruise in Bezug auf die Bush-Administration hat.

Stephen Crittenden: Führen Sie uns doch mal zurück und erzählen Sie uns von den FBI-Durchsuchungen im Jahr 1977 und dem Gerichtsverfahren, das folgte.

Stephen Kent: Nun, Scientology hatte ein holpriges und wechselhaftes Verhältnis zur US-Regierung bis zu den frühen 1990ern, allerdings gab die Steuerbehörde Internal Revenue Service im Oktober 1993 Scientology – und ich glaube, es gibt 136 Scientology-Organisationen – einen Status als gemeinnützige Organisation.

Stephen Crittenden: Das sind eine Art von Frontfirmen für Scientology.

Stephen Kent: Das stimmt. Organisationen, die verschiedene Scientology Techniken nutzen und Scientology in der Gesellschaft verbreiten. Eine Menge Leute sagen, dass die US-Regierung Scientology zur Religion erklärt hätte. Das ist nicht ganz richtig, die US-Regierung hat Scientology zu einer wohltätigen Organisation erklärt und das beruhte teilweise auf ihren Behauptungen, eine Religion zu sein.

Stephen Crittenden: Lassen Sie uns zurückgehen, zu der Zeit, als die FBI-Durchsuchungen stattfanden, als mehrere Schlüsselfiguren bei Scientology vorgeworfen wurde, ins IRS eingebrochen zu sein. Anders gesagt: Scientology hat sich von einer Organisation, der vorgeworfen wurde, eine Verschwörung gegen das IRS zu betreiben, zu einer Organisation entwickelt, die einen besonderen steuerbefreiten Status vom IRS erhalten hat und zwar in etwas mehr als einem Jahrzehnt.

Stephen Kent: Also, die Aktivitäten von Scientology gegen die US-Regierung Mitte der 70er Jahre sind ziemlich aussergewöhnlich. Wie wir später erfuhren, führte Scientology die grösste nationale Spionageoperation gegen die US-Regierung durch, die es in der gesamten Geschichte der USA gegeben hat. Agenten von Scientology drangen in mehrere US-Regierungsabteilungen ein. Das Justizministerium, die Steuerbehörde und so weiter und fertigten Photokopien von 10000en Dokumenten an. Scientology hat gesagt, dass diese Handlungen defensiver Natur waren, dass sie versucht hätten, Informationen zu finden – angeblich waren es falsche Informationen – welche die Regierung über die Organisation hatte. Aber nichtsdestotrotz wurden im Jahr 79 und ich glaube auch noch 1980 11 hochrangige Scientologen dafür verurteilt, an dieser Spionageoperation beteiligt gewesen zu sein und sie sassen Gefängnisstrafen ab, die von mehreren Monaten zu fünf Jahren reichten. Eine dieser Personen, die angeklagt und verurteilt wurden, war Mary Sue Hubbard, die zu dieser Zeit L. Ron Hubbards Frau war. Nun, nach diesen Ereignissen war die US-Regierung äusserst misstrauisch bezogen auf Scientology und Scientology versuchte weiterhin, wohltätigen Status zu erhalten und eine Reihe von Gerichten verweigerte dies kontinuierlich. Es gab dann im Jahr 1991 eine bedeutsame Steuerentscheidung vor einem US-Gericht, in dieser Entscheidung wurde der Church of Scientology weiterhin der gemeinnützige Status verweigert. Das bedeutet, dass diese Entscheidung weiterhin die Auffassung vertrat, dass Scientology nicht auf wohltätige Weise funktionierte. Zwei Jahre später genehmigte das IRS in einer administrativen Entscheidung Scientology diesen Status, was in direktem Widerspruch zu der zwei Jahre zuvor gefällten Gerichtsentscheidung stand. Um die Sache noch komplizierter zu machen, waren die Abschlussvereinbarungen der Vereinbarung mit der IRS/US-Regierung geheim. Sie sind versiegelt und sowohl die Regierung als auch Scientology haben sich geweigert, diese Abschlussvereinbarungen öffentlich zu machen.

Stephen Crittenden: Sie haben sehr interessant über die Rolle von Hollywood-Berühmtheiten geschrieben und wie Scientology Hollywood-Berühmtheiten benutzt und wie Hollywood-Berühmtheiten tatsächlich benutzt wurden, um Lobbyarbeit im Weissen Haus zu betreiben. Wie sie insbesondere benutzt wurden, um Lobbyarbeit im Weissen Haus unter Clinton zu betreiben.

Stephen Kent: Oh ja. Schon Mitte der 50er Jahre schrieb L. Ron Hubbard einige Richtlinien, die seine Gefolgschaft anwiesen, Berühmtheiten ins Visier zu nehmen, um Meinungsmacher auf Scientologys Seite zu ziehen, was Berühmtheiten einschloss. Und dieses Programm fing erst richtig in den 1970er Jahren an. Inzwischen gibt es natürlich in Australien und anderen Ländern Celebrity-Center. Diese Celebrity-Center sind, so könnte man sagen, Rückzugsgebiete für hochrangige, berühmte Scientologen, um miteinander zu schwatzen, zu reden und professionelle und persönliche Kontakte ausserhalb der Öffentlichkeit und ausserhalb des Augenmerks der Paparazzi zu pflegen. Doch es ist auch so, dass Hubbard in vielerlei Hinsicht richtig lag. Stars können aufgrund ihres hohen sozialen Status Zugang zu den Korridoren der Macht gewinnen. Mit Sicherheit haben amerikanische Stars Zugang zu diesen Korridoren erhalten. Das schliesst Tom Cruise, John Travolta, Chick Corea, Isaac Hayes und andere mit ein.

Stephen Crittenden: Stephen, in einem ihrer Aufsätze beziehen sie sich auf Behauptungen, dass man tatsächlich mit Präsident Clinton "gespielt" habe. Er wurde gespielt von John Travolta, in mehr als einer Hinsicht. Denn es war Travolta, der Clinton in "Primary Colours" darstellte, der im Jahr 1998 rauskam und es ist gesagt worden, dass Travolta etwas hatte, was Clinton wollte, denn Clinton hoffte, dass er positiv dargestellt würde. Denken Sie, da ist irgendetwas dran?

Stephen Kent: Es ist schwer, etwas über die persönliche und professionelle Beziehung zu erfahren, die zwischen Travolta und Bill Clinton bestand. Clinton hat einmal gesagt, dass er an der Universität einen Mitbewohner hatte, der Scientologe war. Naja, da haben schon eine Menge ehemaliger Scientologen die Ohren gespitzt und gesagt "Junge, Junge!" Wenn es stimmen würde, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass Scientology Informationen über Bill Clintons Verhaltensweisen während des Colleges und der Universität hat. Das hiesse, dass der Mitbewohner im normalen Verlauf des Auditings und der Berichterstattung über seine sozialen Einflüsse und Kontakte über seinen Mitbewohner geredet hätte. Also gab es den Verdacht, dass Scientology irgendetwas über Clinton wusste, das Clinton nicht gern in der Öffentlichkeit sehen wollte.

Stephen Crittenden: Es gab tatsächlich in Andrew Mortons Buch eine Behauptung von Karen Pressley, einem weiteren ehemaligen berühmten Scientologen, dass Scientology auch eine Akte über Travolta und seine persönliche sexuelle Geschichte hat.

Stephen Kent: Oh, natürlich. Einer der Gründe, warum Scientology so kontrovers diskutiert wird, ist, dass seine sogenannten Betreuer, seine Auditoren, die Informationen sammeln, die Scientologen in Auditing-Sitzungen geben. Das heisst, es ist anders als in der katholischen Kirche, wo Leute Beichten ablegen und diese Beichten nicht niedergeschrieben werden. Scientology behält schriftliche Notizen und der Verdacht und die Angst in manchen Kreisen ist eben, dass diese Berühmtheiten in diesen Auditing-Sitzungen sehr intime und persönliche Dinge enthüllt haben, die Scientology jetzt in Form von Akten hat. Oft ist die Besorgnis die Folgende, dass wenn Berühmtheiten Scientology verlassen und mit Sicherheit falls sie Scientology verlassen und anfangen, darüber zu reden, dass dann manche Informationen aus diesen vertraulichen Akten an die Öffentlichkeit gelangen könnten.

Stephen Crittenden: Also zu dieser Zeit machten Travolta und Isaac Hayes und Chick Corea, der Jazz-Pianist Aussagen vor – es wirkt so merkwürdig – der Kommission für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und vor dem Kongress.

Stephen Kent: Ja.

Stephen Crittenden: Wie kam es dazu und worum ging es in dieser Untersuchung?

Stephen Kent: Ich frage mich wirklich, warum die amerikanische Regierung einer Reihe von Scientology-Berühmtheiten Zugang gewährte, die nicht wirklich irgendeinen Kenntnis-Hintergrund haben, wenn es um internationale Beziehungen geht. Ein Teil der Antwort mag darin liegen, dass eines von Amerikas grössten Exportgütern die Unterhaltungsindustrie ist. Die Filmindustrie, Musik, und so weiter. Dementsprechend stellen grosse Filmstars einen gewissen sozialen Wert dar, sie werden zu Botschaftern der amerikanischen Kultur.

Stephen Crittenden: Also ist es so, dass eine Sekte, bei der sich alles darum dreht, sich in eine Art Halbgott zu verwandeln, öffentlich von den führenden Halbgöttern unserer Kultur vertreten wird und wenn sie den Raum betreten, bekommen sogar die Herren des Universums in Washington weiche Knie?

Stephen Kent: Andrew Morton hat eine sehr interessante Beschreibung über Tom Cruises Austäusche mit Scooter Libby, dem Berater des Vize-Präsidenten, geliefert, und diese Art von verehrendem Verhalten und Aufregung und fast kindlicher Ausgelassenheit, die wichtige Politiker an den Tag legten, wenn sie in der Nähe von Cruise – in diesem Fall oder früher von John Travolta waren – es ist schon sehr verblüffend, das zu lesen.

Stephen Crittenden: Stephen, ist da etwas Besonderes an Hollywood-Stars, das sie besonders anfällig für Scientology macht?

Stephen Kent: Hollywood ist ein sehr sonderbares soziales und Arbeitsumfeld. Niemand weiss wirklich, was man braucht, um vorwärts zu kommen. Ist es das gute Aussehen? Nun, jeder sieht gut aus, ausser einiger Berühmtheiten, deren schlechtes Aussehen sie vermarktbar macht. Ist es Intelligenz? Nun, es gibt einige ziemlich trübe Funzeln in Hollywood. Sind es Fähigkeiten oder ist es das Talent? Hollywood ist einfach eine unsichere Umgebung. Es ist für Leute, die in diesem Geschäft tätig sind, schwierig, zu wissen, was es ihnen ermöglicht, vorwärts zu kommen und was sie behindert. Scientology verspricht nun, dass sie Fähigkeiten und Techniken besitzt, um Leuten zu helfen, die Schranken zu überwinden, die sie daran hindern ihre vollen Kapazitäten auszunutzen und zudem deutet Hubbards Richtlinie über Berühmtheiten auch darauf hin, dass man sie dann an Bord holen sollte, wenn sie auf dem Weg nach oben sind oder wenn sie auf dem Weg nach unten sind. Das stimmt nicht in allen Fällen, aber es stimmt in vielen Fällen.

Stephen Crittenden: Nicht im Fall von Tom Cruise, denn sie bekamen Cruise als er ziemlich an der Spitze war, nicht wahr?

Stephen Kent: Das stimmt. Aber er kam dadurch dort rein, dass er mit Mimi Rogers verheiratet war, die eine langjährige Scientologin war. Doch was andere Filmstars und Berühmtheiten angeht  – Isaac Hayes ist da ein klassisches Beispiel – seine Karriere war auf Talfahrt als sie ihn hineingezogen haben. Travoltas Karriere fing gerade erst richtig an, als er hinzukam. Was also geschieht, ist Folgendes: Eine Karriere wird gerettet oder eine Karriere verbessert sich und wenn eine Person in dieser Zeit Scientology-Kurse nimmt, dann schreibt er oder sie ihre neuen Erfolge vielleicht der Beteiligung von Scientology zu.

Stephen Crittenden: Während der Clinton-Jahre hat Scientology diese Berühmtheiten benutzt um richtig harte Lobbyarbeit in Washington zu betreiben, besonders, was die Behandlung von Scientology durch die deutsche Regierung betrifft. Sie wollten, dass das Aussenministerium dort etwas macht. Erzählen Sie uns doch einfach mal etwas über den Hintergrund davon, erzählen Sie uns, ob sie Erfolg hatten oder nicht.

Stephen Kent: Nachdem Scientology vom IRS als wohltätige Organisation bezeichnet worden war, wurde Scientology zu einer Organisation, die Anspruch hat auf Schutz durch das amerikanische Aussenministerium im Ausland. Bedenkt man die Tatsache, dass zum Beispiel eine Reihe von Scientologen – Tom Cruise, Travolta, Chick Corea – in der Unterhaltungsindustrie tätig waren in Ländern wie Deutschland, die Scientology gegenüber feindlich eingestellt waren, wird klar, dass das US-Aussenministerium sich in deutsche innere Angelegenheiten eingeschaltet hat und Deutschland für seine Feindschaft gegenüber Scientology kritisierte. Nun ist es so, dass die deutsche Verfassung einzigartig ist, aufgrund ihres historischen Hintergrunds bezogen auf Nazideutschland; und wie sie wissen betrat Nazi-Deutschland die Bühne der deutschen Politik über eine legitime, demokratische Wahl. Konsequenterweise fordert die aktuelle deutsche Verfassung von Behörden einen vorbeugenden Ansatz um gegen jede Bedrohung der deutschen Verfassung vorzugehen, bevor sich diese Bedrohung entwickeln kann. Und Deutschland hat sich die scientologischen Richtlinien angesehen und entschieden, dass es sich um eine anti-demokratische Organisation handelt. Dafür haben die Deutschen etwas, was sich Verfassungsschutz nennt – die Verfassungspolizei – und es ist ihre Pflicht, Organisationen zu überwachen, die wahrscheinlich potenzielle Bedrohungen darstellen. Während die Bewegung gegen Scientology in den frühen 90er Jahren anwuchs gab es zu verschiedenen Zeiten Diskussionen in Deutschland darüber, diesen Berühmtheiten keine Auftritte zu gestatten und bei diesen Anlässen mischte sich dann beispielsweise das US-Aussenministerium ein. Denn jetzt waren es amerikanische Interessen in der Unterhaltungsindustrie, die geschützt wurden.

Stephen Crittenden: Also während der Clinton-Jahre im Weissen Haus Mitte der 90er Jahre betrieben diese Hollywood-Stars Lobbyarbeit und versuchten die US-Regierung dazu zu bringen, Druck auf Deutschland auszuüben, die Herangehensweise gegenüber Scientology weniger hart zu gestalten. Hatten sie Erfolg?

Stephen Kent: Nein, sie hatten keinen Erfolg. Erst im letzten Jahr hat die deutsche Regierung die Überwachungsoperation gegen Scientology erneuert. Es ist jedoch so, dass eine Reihe von Berühmtheiten in der Lage waren, in Deutschland aufzutreten, so dass sogar vor einigen Monaten Tom Cruise einen Film fertig abgedreht hat, in dem es um einen deutschen Helden des zweiten Weltkriegs geht, der Hitler umbringen wollte. Man muss aber sehen, welchen Erfolg oder Misserfolg dieser Film über von Stauffenberg tatsächlich an den Kinokassen haben wird.

Stephen Crittenden: Aber es wird schon impliziert, dass dieser Film ein bewusster Versuch ist, die deutsche Regierung und die öffentliche Meinung positiv in Richtung Scientology zu beeinflussen. Stimmt das?

Stephen Kent: Ja, Andrew Morton war sehr deutlich an diesem Punkt, den sie gerade erwähnt haben und mich hat er überzeugt. Noch einmal: Selbst jemand wie ich, der sich die ganze Zeit mit Scientology beschäftigt, vergisst manchmal das Ausmass, mit dem diese Organisation wirklich versucht, Pläne zu entwerfen für die weltweiten Expansionsbemühungen. Und angesichts dessen ist es ganz klar, dass diese Organisation ein grosses Interesse daran hätte und auch so ein hochrangiges Mitglied wie Tom Cruise ein grosses Interesse daran hätten, einen Film gegen Nazissmus in Deutschland zu machen.

Stephen Crittenden: Stephen, Sie erwähnten, dass im Jahr 1996 das Aussenministerium seinen jährlichen Menschenrechtsbericht herausgegeben hat und dabei behaupten Sie indirekt, dass das vom Weissen Haus diktiert worden wäre und die Verurteilung Deutschlands in diesem Menschenrechtsbericht sei so stark gewesen, dass die Aussenministerin Madeline Albright offenbar eine Notwendigkeit dazu sah, sich persönlich bei der deutschen Regierung zu entschuldigen.

Stephen Kent: Ja, darauf wies eine meiner Quellen hin. Es sah also danach aus, dass das Weisse Haus irgendwie ein persönliches Interesse daran zeigte, Scientology zu bewerben. Jetzt ist es auch so, dass jeder wichtige amerikanische Politiker, sicherlich auf Bundesebene, irgendwann einmal in Hollywood landet, aufgrund von Geld und Finanzen und manche Hollywood-Berühmtheit, manche Scientologen waren sehr grosszügig, zumindest früher, gegenüber der demokratischen Partei. Zum Beispiel haben Cruise und Nicole Kidman soweit ich weiss im Jahr 2000 einige tausend Dollar zu Hillary Clintons Kampagne für den New Yorker Senatssitz beigesteuert.

Stephen Crittenden: Können wir damit erneut rechnen für den Fall, dass sie zur Präsidentschaftswahl antritt?

Stephen Kent: Jeder hat sich die Frage gestellt, ob Scientology an Hillary Clintons Kampagne beteiligt ist. Ich habe sogar selbst versucht herauszufinden, wer auf der Spenderliste steht und bis jetzt gibt es keinerlei Hinweis, dass Scientologen sich an der Unterstützung von Hillary Clinton beteiligt haben.

Stephen Crittenden: Stephen, man könnte wohl sagen, dass selbst jemand mit dem Star-Status eines Tom Cruise jetzt erlebt, dass seine Verbindung zu Scientology negativ auf hin zurückfällt. Wie wird Scientology vom Hollywood-Establishment gesehen?

Stephen Kent: Ein Anzeichen für Scientologys Status in Hollywood tauchte in Mortons Buch auf, bezogen auf die negative Reaktion, die Tom Cruise erhielt als er Scientology zu sehr in seine Filmproduktion mit einbezog. Zum Beispiel scheint Steven Spielberg ziemlich verärgert über Tom Cruise zu sein, da dessen Werbung für Scientology grösser war als Cruise Werbung für den Film "Krieg der Welten". Es gibt eine Reihe von Hollywood-Berühmtheiten, die kritisch gegenüber Scientology eingestellt sind und inzwischen machen sich Comedians auf der ganzen Welt über Scientology lustig.

Mann: L. Ron, Du bist es wirklich. Das ist der schönste Tag in meinem Leben

L. Ron: Junge, ich muss vielleicht ins Bett?

Mann: Du verstehst nicht, L. Ron. Ich bins, Tom Cruise!

L. Ron: Ja, ich weiss wer Du bist.

Mann: Na, war ich nicht toll, L. Ron? Findest Du meine Schauspielerei nicht toll? Welcher Film hat Dir am besten gefallen?

L. Ron: Naja, ich meine... Du bist jetzt nicht so gut wie Leonardo di Caprio... Aber... schon ok, denke ich.

Mann: Was?

L. Ron: Ich meine, Du bist nicht Gene Hackman oder der Typ, der Napoleon Dynamite gespielt hat, aber Du bist schon ok.

Mann: Ich bin Nichts. Ich habe in den Augen des Propheten versagt!

L. Ron: Hey, tut mir leid, so war es nicht gemeint.

Mann: Geh weg.

L. Ron: Aber das ist mein Zimmer.

Mann: Ich hab gesagt, Du sollst weggehen.

L. Ron: Dad! Tom Cruise kommt nicht aus dem Schrank raus!

Dad: Mr. Cruise, Mr. Cruise, verlassen Sie den Schrank.

Mann: Nein.

Stephen Crittenden: Sie wissen natürlich, dass der australische Mogul James Packer ein Mitglied von Scientology ist. Mich würde interessieren, sagen wir mal, rein hypothetisch, wenn ein Unternehmen, nehmen wir mal rein hypothetisch das Beispiel des Nine Networks, das James Packer gehört, wenn Sie feststellen würden, dass hochrangige Figuren dieser Firma zu Scientology konvertieren, würde Sie das überraschen? Arbeitet Scientology auf diese Weise? Gibt es irgendwelche Dokumente darüber, dass Scientology, sozusagen, Firmen in den Vereinigten Staaten kolonisiert, zum Beispiel in den höchsten Positionen?

Stephen Kent: Oh, es ist übliche Praxis bei Scientology, dies zu tun. Scientology möchte ihren Einfluss in allen Bereichen der Gesellschaft verbreiten, einschliesslich der Geschäftswelt. Dementsprechend besitzt sie eine Organisation, das "World Institute of Scientology Enterprises", die Scientologys und L. Ron Hubbards sogenannte Technologie in Geschäftsanwendungen umsetzen. Das ist der Versuch...

Stephen Crittenden: Ich meine, können Sie mir ein Beispiel einer Firma geben, die auf diese Weise infiltriert wurde?

Stephen Kent: Oh, klar. Das bekannteste Beispiel einer Firma, die von Scientology infiltriert wurde mit furchtbaren Folgen, war Allstate Insurance in den späten 1980ern und frühen 1990ern.

Stephen Crittenden: Und was ist da passiert?

Stephen Kent: Nun, der Fallout von Scientologys Beteiligung war für die Organisation so verheerend, dass das Wall Street Journal im März 1995 einen grossen Artikel darüber brachte. Im Grunde genommen lief es so, dass leitende Angestellte von Allstate Scientologys Techniken und Technologien erlernten und damit anfingen, sie den Allstate Insurance Verkäufern aufzuzwingen. Die Verkäufer gerieten mehr und mehr in Stress. Ein Teil der Erklärung warum sie zunehmend gestresst waren, liegt darin, dass Scientology Wert auf Wachstum, Wachstum, Wachstum legt und darauf, dass nach oben gehende Statistiken belohnt werden und Statistiken, die nach unten gehen, bestraft werden. Demzufolge standen die Verkäufer unter einem enormen Druck, zu produzieren, zu produzieren und zu produzieren. Ausserdem war es so, dass wenn sie versagten oder sich auch nur über diese neuen Techniken beschwerten, andere Leute ermutigt wurden, sogenannte "Wissensberichte" über diejenigen zu verfassen, die sich beschwerten. Das heisst, das gesamte Betriebsklima verschlechterte sich. Teilweise wegen des Drucks, teilweise auch wegen...

Stephen Crittenden: Also, die Management-Techniken der Firma wurden sozusagen scientologisiert?

Stephen Kent: Oh ja. Scientology möchte die eigenen Techniken auf der Ebene der Manager einführen und dann von Firmen fordern, dass sie Hubbards Technologie benutzen und daraufhin wird dann ein Prozentsatz der Firmeneinkünfte zurück zum World Institute of Scientology Enterprises geschickt.

Stephen Crittenden: Ich denke, es gibt zwei Hauptansätze auf Scientology bezogen. Viele Akademiker, Religionssoziologen wie Sie selbst, tendieren dazu, Scientology als eine innovative New Age Religion zu behandeln, die Aufmerksamkeit von Gelehrten verdient. Anders gesagt, in gewisser Weise ist es eine echte Religion. Die andere Sichtweise wird oft von Medien eingenommen und das ist die Sichtweise, dass Scientology eine kriminelle Verschwörung ist, ein Schwindel. Das Time Magazine hat es beispielsweise ein hochprofitables "weltweites Schwindelunternehmen" genannt, das "dadurch überlebt, dass Mitglieder und Kritiker auf mafiaähnliche Weise eingeschüchtert werden". Welcher dieser beiden Seiten kann man Sie zuordnen?

Stephen Kent: Oh, von mir sind schon Sachen gedruckt worden, in denen ich gesagt habe, dass Scientology eine totalitäre Organisation ist. Mit Sicherheit ist Scientology antidemokratisch. Es kann auch religiös sein, doch es kann ebenfalls eine wirkliche Bedrohung der Gesellschaft darstellen und vieler anderer Leute, die Scientologys Lehren folgen. Es ist so, in Hinblick auf die höhere Führungsebene gibt es viele interessante Geschichten, über den derzeitigen Zustand von Scientology und nach allem, was ich sehe und höre und lese und Interviews entnehme, befindet sich die Organisation in einer wirklich schweren Krise. Zum Beispiel hat erst vor wenigen Monaten einer der hochrangigsten Scientologen, Mike Rinder, die Organisation verlassen und wenn Leute auf diesem Level die Organisation verlassen, verlassen sie sie insgeheim, Nachts und selbst jetzt, Monate später, ist Rinder nicht wieder aufgetaucht. Also, wenn man hochrangige Verluste auf diesem Level hat, dann ist das ein wirkliches Problem. Das Internet ist ebenfalls ein grosses Problem von Scientology gewesen und ist es noch. Beispielsweise verwendet Scientology die Behauptung, dass sie 8 bis 10 Millionen Mitglieder habe. Jetzt gibt es allerdings hochrangige Sea Org Mitglieder, die sich ins Internet stellen und sagen, dass es weltweit vielleicht eine Mitgliedschaft von 12, 13000 bei Scientology gibt und auf jeden Fall nicht mehr als 50000. Das heisst es gibt also Leute, die sich dort aus sehr edlen Gründen beteiligt haben und die jetzt, mit einigem Schmerz und Schaudern auf all diese Jahre zurückblicken und auf all die Jahrzehnte, die sie in dieser Organisation verloren haben und diese Leute reden jetzt über das interne Ethos bei Scientology. David Miscavige ist, vielen Aussagen zufolge, brutal gegenüber seinen Mitarbeitern. Viele Leute haben davon gesprochen, dass sie entweder von ihm geschlagen wurden oder gesehen haben, wie er andere Leute geschlagen hat oder es gibt auch Berichte darüber, wie David Miscavige Mitglieder der Sea Org angespuckt hat. Das heisst, das Internet hat also ein echtes Problem für Scientology dargestellt und ich denke, derzeit befindet sich Scientology unter ernstzunehmendem Druck.

Stephen Crittenden: Steve, ein bemerkenswertes Gespräch. Vielen Dank, dass Sie daran teilgenommen haben.

Stephen Kent: Oh, es war mir ein Vergnügen, vielen Dank.

Tom Cruise: Es ist hart und durcheinander, es ist ungezähmt und verwegen und... es ist ein Knaller. Es ist ein Knaller. Es macht wirklich Spass. Denn es gibt, verdammt nochmal, nichts besseres. Ich verstehe diese Zuschauer nicht. Entweder bist Du auf dem Spielfeld oder aus der Liga. Wirklich, so empfinde ich das. Ich tue was ich kann und ich tue es so, wie ich alles tue. Da gibt es keine halben Sachen für mich... es ist einfach... (er lacht)

Stephen Crittenden: Und vergessen Sie nicht: Wir sind hier, um zu helfen. Das war der Schauspieler Tom Cruise und davor war mein Gast bei "The Religion Report" ein führender Soziologe für moderne, religiöse Sekten, Professor Stephen Kent von der Universität Alberta in Kanada. Nun, das wars für diese Woche. Vielen Dank an die Produzenten Noel Debian und John Diamond. Es verabschiedet sich: Stephen Crittenden.


Dieser Text ist eine nicht unoffizielle Übersetzung der Abschrift eines Radiointerviews vom 16. April 2008 on ABC Radio National
Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.


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1. Version dieser Seite auf www.ilsehruby.at installiert am: 31. Dezember 2008

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