Interview mit KINS
Wurdest Du in eine scientologische Familie hineingeboren? - Wenn nicht: Hattest Du noch Erinnerungen an Dein Leben vorher – gute oder schlechte? Hast Du etwas vermisst?
Ich war
zwei Jahre alt, als sich meine Eltern
Scientology anschlossen. Mein Vater kam durch einen Arbeitskollegen
damit in
Kontakt. Ich kann mich nicht erinnern, einen anderen Glauben zu haben,
denn ich
war ja noch so klein. Meine Eltern wurden beide im christlichen Glauben
erzogen, doch wurde meiner Schwester und mir das nicht anerzogen. Sie
sprachen erst
dann darüber, als wir schon älter waren.
Ja, wir
hatten noch Kontakt zur Aussenwelt. Glücklicherweise waren
meine
Eltern
niemals Mitarbeiter in einer Org oder einer Mission. Meine Schwester
und ich
waren immer auf öffentlichen Schulen, somit hatten wir täglichen
Kontakt mit
Leuten ausserhalb von Scientology. Meine
Eltern hatten jedoch nur scientologische
Freunde. Das Leben zu Hause war also Scientology und das Leben in der
Schule
war es nicht.
Meine Schwester und ich erzählten unseren Freunden und Schulkollegen nichts darüber, dass wir Scientologen waren. Wir schienen intuitiv zu spüren, dass uns das zu komischen Käuzen machen würde. Obwohl wir in öffentliche Schulen gingen, brachte man uns bei, dass „Wogs“ eine mindere Klasse mit weniger Fähigkeiten war, weil sie nicht die Lehren von Scientology befolgten. Wir hatten ein paar Freunde, doch man brachte uns bei zu glauben, dass diese Leute sich nicht auf unserem Niveau bewegten. Nun, ich denke, ich nahm die Aussenwelt als minderwertig und geistig weniger bewusst wahr … aus diesen Gründen scheinen meiner Meinung nach viele Scientologen auch so herablassend zu sein.
Da meine
Eltern keine Mitarbeiter waren, kam es
aufgrund von Scientology zu keinen Vernachlässigungen. Meine beiden
Eltern
waren berufstätig, und so waren wir nach der Schule schon in einem
jungen Alter
alleine; doch dies ist nichts ungewöhnliches für meine Generation. Wir
hatten
als Kinder sehr grosse Autonomie und wurden praktisch wie Erwachsene
behandelt. Ich
war sicherlich das Produkt der scientologischen Praktik, Kinder wie
grosse
Thetanen in kleinen Körpern zu behandeln. Man rechnete damit, dass wir
uns zu
einem grossen Teil um uns selbst kümmern würden; ich würde also sagen,
dass
meine Mutter und meine Vater nicht in ihre Elternrolle vernarrt waren. Es kam zum Beispiel eine Zeit im Auditing meiner Mutter, als sie „zu der Realisation kam“, dass sie eigentlich nie Kinder haben wollte. Sie hatte das Gefühl, dass sie da mit uns reinen Tisch machen musste und sagte uns, wenn sie noch mal vor der Wahl stünde würde sie abtreiben. Ein weiteres Beispiel: Meine Schwester leidet an Migräne. Wenn sie dann einen Anfall hatte, sagte meine Mutter immer, dass sie nur „herumdramatisierte“. Ich war als Kind eher dick, und meine Eltern gaben mir klipp und klar zu verstehen, dass ich ein Gewichtsproblem hatte. Die scientologische Praxis sieht vor, dass man nichts zurückhält; ich könnte meine Eltern also als grob oder barsch charakterisieren.
Als ich 13
war, startete ich mit dem Kurs „Hubbard qualifizierter
Scientologe“.
Während dieses Kurses fing ich an, mich mit der speziellen Sprache und
einigen
der Übungen ziemlich unwohl zu fühlen. Genauer gesagt gab es einige
Dinge, die
ich in den Auditing-Sessions nicht
ansprechen wollte; ich fand ziemlich
schnell
heraus, wie man eine Nadel zum Schweben bringt, ungeachtet dessen, was
ich
dachte oder fühlte. Ausserdem hatte ich das Gefühl, dass es einige
Dinge
beim
Bull-Baiting gab, die einfach nicht in Ordnung waren; wie z. B. ein
männlicher
Kurs-Supervisor, der in sehr anschaulichen Details über Sex sprach und
versuchte, den BH meiner Schwester aufzuhaken usw.
Nein,
zuerst nicht. Meine Eltern liessen sich scheiden, als ich 11 war.
Beide
heirateten danach wieder, meine Mutter einen Ethik-Offizier der Mission
in unserer
Gegend. Es gab KEINE Kritik an Scientology in diesem Haus. Als mein
Vater
wieder heiratete, bekamen meine Schwester und ich zwei Stiefschwestern
und
einen viel jüngeren Stiefbruder (alle Mädchen waren in etwa im gleichen
Alter –
der Unterschied war maximal 2 Jahre).
Als mein
Vater den Ethik-Offizier mit den Vorwürfen konfrontiert hatte,
drohte man
ihm, dass er declared würde. Ich glaube, sie versuchten ihm einen
Ethik-Zustand
zu verordnen, doch er entschied schlussendlich, dass er die Verbindung
mit
seinen Freunden nicht abbrechen wollte; und so weigerte er sich
irgendetwas
mitzumachen, was ihm die Church vorschrieb. Daraufhin wurde er declared
(gerade
als wir den HQS Kurs beendet hatten). Meine Schwester und ich waren 16
und 17 ½
Jahre zu der Zeit und wir verbrachten immer noch eine Woche bei meinem
Vater
und eine Woche bei meiner Mutter.
Als das alles dann passierte, bekamen wir, als wir bei unserer Mutter waren, immer wieder Anrufe von der Church; man forderte uns auf, die Verbindung zu unserem Vater abzubrechen. Unsere Mutter und unser Stiefvater drängten uns ebenfalls dazu, die Verbindung mit ihm abzubrechen. Dann entschied meine Mutter, da wir die Verbindung zu unserem Vater nicht abbrechen wollten, müsste sie die Verbindung zu uns abbrechen. Sie zog nach Los Angeles. Also lebte ich dann ständig bei meinem Vater. Mit diesen ganzen Widersprüchen und Konflikten hatte ich schwer zu kämpfen, und ich dachte ziemlich lange, dass deswegen etwas ganz schlimmes passieren würde. Erst ein paar Jahre später fing ich dann an, Scientology selbst zu hinterfragen. Nein, ich
habe mich keinem anderen Glaubenssystem angeschlossen und
kann das
auch nicht tun. Ich finde die Perspektiven einer Religion (um es
vorsichtig
auszudrücken) unattraktiv. Ich halte mich für ein geistiges Wesen
insofern, als
ich daran glaube, dass es weitere Kräfte gibt, die auf uns wirken - und
nicht
nur Wissenschaft und Biologie. Doch habe ich keine Ahnung, wer oder was
diese
Kräfte sind. Ich kann darauf aus einer spirituellen Perspektive keine
Antwort
geben; doch damit hab ich kein Problem.
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