Scientology gegen Psychiatrie

Ein Interview von Andreas Rossmeissl mit Ilse Hruby
anlässlich der Scientology Ausstellung "Psychiatrie – Hilfe oder Tod?"
in Wien vom 26.11.2008 bis zum 12.12.2008 im Palais Palffy



Andreas Rossmeissl: Ich schreibe für das Internetmagazin punkt (vienna.at/punkt), das vom Studiengang Journalismus an der FH Wien betrieben wird und recherchiere im Moment für einen Artikel über die Ausstellung "Psychiatrie – Hilfe oder Tod?", die am Mittwoch in Wien eröffnet wird. Wie Sie vielleicht wissen, ist die Organisation, die die Ausstellung veranstaltet, von Scientology ins Leben gerufen worden ("Bürgerkommission für Menschenrechte"). Darüber würde ich gerne mehr wissen und Sie deshalb kurz interviewen.

Warum organisiert Scientology Ihrer Meinung nach eine solche Ausstellung?

Scientology beansprucht immer wieder, die einzig gültige Autorität auf der Welt für geistige Gesundheit (und überhaupt alles) zu sein, die Elite, die dazu bestimmt ist, die Erde und die gesamte Galaxis zu retten im Kampf gegen eine totalitäre Verschwörung, bei der die Psychiatrie der Hauptfeind ist, da sie die Bevölkerung manipuliere und kontrolliere. (zitiert nach L. Ron Hubbard, Policy Letter "Das Image der Org" in: "Die Management-Serien" Band 3, Kopenhagen 2001, Seite 23)

Im Grunde ist diese Ausstellung von Scientology eine Propaganda- und Hassausstellung wegen vermeintlichen oder historischen Misständen in der Psychiatrie. Schliesslich erhebt Scientology immer wieder – in unterschiedlichem Zusammenhang – dezidiert den Anspruch, in körperlicher und seelischer Hinsicht therapeutisch wirksam zu sein. Mit Slogans und Parolen wie "Psychiatrie tötet" und "Psychiatrie - ein globaler Fehlschlag" wird versucht die Psychiatrie in der Öffentlichkeit schlecht zu machen und somit die Konkurrenz, die die Psychiatrie  für Scientology darstellt, auszuschalten. Psychiatrie Beschimpfung, so wie es Scientology betreibt, schadet einzig und alleine den Betroffenen. Die grösste Gefahr dabei ist, dass Leute, die psychiatrische Hilfe brauchen, ihre bereits bestehenden Behandlungen abbrechen, oder gar nicht antreten. So im Fall von Jeremy Perkins wo es mit einem Mord endete: http://www.cs.cmu.edu/~dst/JeremyPerkins/

Weiter bedeutet es – wenn man das "Glaubensbekenntnis" von Scientology ernst nimmt – unter anderem die Abschaffung der Wissenschaften der Psychiatrie und der Psychologie und ihrer Anwendung. "Wir von der Kirche glauben: ... Dass das Studium des Verstandes und die Heilung der Krankheiten mit seelischen Ursachen von Religion nicht entfremdet oder an nicht religiöse Gebiete vergeben werden sollten." http://deutsch.expansion.scientology.net/dc/ref/creed/index.htm  

Für die Beseitigung der Psychiatrie hat Scientology eine eigene Frontgruppe oder Kampforganisation gegründet, die Kommission für Verstösse der Psychiatrie gegen die Menschenrechte = KVPM, (engl. CCHR) sie ist die mit Abstand aggressivste Psychiatrie-Kritiker Gruppierung und sie ist direkt dem scientologischen Geheimdienst OSA zugeordnet .

Wurde das Thema "Psychiatrie" jemals von Scientologen gegenüber Ihnen angeschnitten?

Ja mehrfach! Meistens wenn ich meinen Ehemann in die Wiener Org (Scientologys Niederlassung) begleitet habe. Es gab in der Nähe vom Eingang ein Bücherregal mit Hochglanzbroschüren wo schrecklich und grauenhafte gestaltete Abbildungen über gequälte und angekettete Menschen, angeblich seien es psychiatrische Behandlungsmethoden, auf den Covers abgebildet waren. Während ich auf meinen Mann wartete, wurde ich durch "zufällig vorbeikommende" Mitarbeiter der Org immer wieder dazu angehalten mir doch diese Magazine durchzulesen und mir "ein eigenes Bild" davon zu machen. Während meiner Krankenschwesternausbildung, in der auch ein Praktikum auf der Psychiatrie includiert war, habe ich solche horrormässigen Behandlungsmethoden, wie sie auf den scientologischen Propagandamagazinen abgebildet waren, nie gesehen.

Wenn ja, was wurde Ihnen gesagt?

Ich musste mir immer wieder anhören, dass Psychiater und auch Psychologen Schwerverbrecher, Kriminelle usw. seien, die Menschen seelisch zerstörten und sogar töteten. Interessanterweise konnte mir mein Mann nie den Unterschied zwischen Psychiater und Psychologen erklären, wenn ich ihn danach fragte.

Welche Alternativen bietet Scientology an?

Scientology bietet die Methoden der Dianetik und das Dianetik-Auditing an. Dianetik ist ein Teil von Scientology und soll offenbar als eine Art alternativmedizinischer Praxis verstanden werden, und die gesamte Psychiatrie würde durch Scientology und Dianetik angeblich überflüssig werden. "Dianetik richtet sich an den Körper. Dianetik wird verwendet, um Krankheiten, unerwünschte Empfindungen, Missemotionen, Somatiken, Schmerzen, ... zu beseitigen und auszulöschen." (NED-Pack; HCOB 22.4.69)

Gibt es innerhalb Scientology so etwas wie psychologische Betreuung/Gespräche mit Psychologen?

Psychologen gibt es innerhalb von Scientology nicht – denn Psychologen zählen ebenfalls zu den Feinden. In Scientology gibt es Auditoren, sie werden auch als "Geistliche" bezeichnet. Gelegentlich tragen sie auch "Priesterkragen", "Amtskreuz" und Kette. Das Kernverfahren zur psychischen Betreuung von Scientology nennt sich Auditing. Bereits im "Buch 1" (dem Dianetikbuch) nennt L. Ron Hubbard seine Methode "Auditing" (von lat. zuhören). Es ist eine von ihm entwickelte Fragetechnik, eine Mischung aus Verhör und Beichte, die zur "geistigen Befreiung" und zur "geistigen Gesundheit" führen soll. "Scientology ist ein Zweig der Psychologie, die sich mit menschlichen Fähigkeiten befasst Scientology ist eine neue basale Psychologie im exaktesten Sinn des Wortes. Scientology wird durch einen Auditor ausgeübt, der die Leute veranlasst, verschiedene Übungen zu machen, welche Intelligenz und Verhalten verbessern." (Technical Bulletins Bd. II s.405 = PAB vom 1.5.56)

Wie begründet Scientology Krankheiten wie manische Depression, Schizophrenie, etc?

Scientology sieht viele Dinge komplett anders als der Rest der Welt. Für Scientology gibt es psychiatrische Krankheiten gar nicht. Die Symptome psychiatrischer und auch neurologischer Erkrankungen sind für Scientologen nur ein Zeichen von Schwäche, an der die Opfer, laut L. Ron Hubbard, selbst Schuld sind. Auf der anderen Seite meint Hubbard mit seiner Dianetik und Scientology die Geisteskrankheiten geknackt zu haben. "Was? Heisst das, dass wir die Geisteskrankheit selbst geknackt haben?..... Dies ist die Vielzahl an Arten von Geisteskrankheiten der Psychiatrie des 19. Jahrhunderts, alle in einer: Schizophrenie, Paranoia – die ganze Latte phantastischer Namen. Nur einen anderen Typ gibt es noch – die Person, die der unterdrückerischen Person in die Hände geraten ist. Dies ist der "manisch-depressive Typ"..." (HCOPL 5.4.65)


Andreas Rossmeissl: Ich danke für die ausführliche Antwort, Sie haben mir sehr weitergeholfen. Der Artikel ist seit heute eine Woche lang auf der Startseite von vienna.at/punkt. Von da führt eine Verlinkung zu meinem Blog. Der ständige Link ist: Scientology gegen Psychiatrie
 

Buchtipp zum Thema:

  

Scientology wirbt mit prominenten Gesichtern, verspricht die Heilung von körperlichen und psychischen Beschwerden und geht mit der Mitgliederwerbung mittlerweile sogar an Schulen. Der Autor beschreibt und erklärt in diesem Buch die Methoden zur Mitgliederfindung, sowie die eigens von L. Ron. Hubbard entwickelten Behandlungsmethoden, die psychische und physische Gesundheit versprechen und was sich dahinter verbirgt. Sind sie wissenschaftlich fundiert? Machen sie gesund oder vielleicht sogar krank? Diesen und weiteren Fragen widmet sich diese Arbeit und zeigt letztlich auf, dass Scientology verantwortungslos mit der Gesundheit von Menschen umgeht. Erschienen: März 2008 im Verlag Dr. Müller


Informationsmöglichkeiten:

GSK Gesellschaft gegen Sekten und Kultgefahren
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A-1020 Wien
Tel.: (01) 33 27 537
Fax: (01) 33 23 513
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Webseite: http://sektinfo.org/

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E-Mail: bundesstelle@sektenfragen.at
Webseite: http://www.bmgfj.gv.at/cms/site/standard.html?channel=CH0541&doc=CMS1056443148051

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Fax: (01) 51552- 2316
E-Mail:  rfw@edw.or.at
Webseite: http://www.weltanschauungsfragen.at/home


zum Weiterlesen:

1. Version dieser Seite auf www.ilsehruby.at installiert am: 13. Dezember 2008

© Copyright Andreas Rossmeissl und Ilse Hruby, HTML von Ilse Hruby


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